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Folge 03-22 vom 21. Januar 2022 / Vertreibung / Spannende Chronik einer Familie / Erst nach Jahrzehnten ging Professor Wilfried Heller seinen Ursprüngen nach, die im egerländischen Littmitz liegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-22 vom 21. Januar 2022

Vertreibung
Spannende Chronik einer Familie
Erst nach Jahrzehnten ging Professor Wilfried Heller seinen Ursprüngen nach, die im egerländischen Littmitz liegen
Dagmar Jestrzemski

Wie so viele Menschen, die von der Vertreibung aus ihrer Heimat betroffen waren, hat sich der emeritierte Professor für Sozial- und Kulturgeographie Wilfried Heller erst nach Jahrzehnten mit seinem Schicksal als Vertriebener und Angehöriger einer aus dem böhmischen Egerland vertriebenen Familie beschäftigt. Dies, obwohl die Migrationsforschung ein Schwerpunktthema seiner Lehr- und Forschungstätigkeit war. 

Heller ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen. Er habe sogar alle Themen vermieden, die direkt mit seiner Heimat und mit der Tschechoslowakei zusammenhingen, schreibt er in seiner informativen Chronik „Zwischen Herkunft und Neuanfang ...“ Heller wurde 1942 im egerländischen Littmitz geboren. Mit fast 1200 weiteren egerländischen Familien bestieg die Familie am 8. August 1946 in Elbogen einen Zug nach Dachau, nachdem sein Vater zuvor stundenlang verhört worden war. 

Der kleine Band widmet sich der Familiengeschichte im Egerland, eigenen Erfahrungen und Erinnerungen aus Ramsau und seiner Studienzeit und dem Berufsleben. Zum Schluss erläutert der Autor, wie er durch den Umweg über Neuseeland und eine dortige egerländische Kolonie doch noch zu den Themen „Heimat“ und „Unrecht der Vertreibung“ fand.

Seine Vorfahren kann er bis zu sieben Generationen bis zur ersten Hälfte des 

18. Jahrhunderts zurückverfolgen. Sie lebten in 25 Herkunftsorten in der sogenannten Mundartregion des Egerlands, die ein wesentlich größeres Gebiet umfasste als das historische Egerland. Die meisten Dörfer waren Bauerndörfer mit Holz- und Forstwirtschaft. Die größeren Einwohnerzahlen einiger Orte waren auf den Erz- und Braunkohlebergbau zurückzuführen. 

Bis 1918 lebten in einigen Dörfern noch keine Tschechen, danach nahm die tschechische Minderheit langsam, aber stetig zu, da öffentlich Bedienstete aller Sparten durch Tschechen ersetzt wurden. Vor dem Zweiten Weltkrieg bestand die Bevölkerung zu 95 Prozent aus Deutschen. Nach dem Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich ging es Hellers Familie in finanzieller Hinsicht besser, da sein Vater ab März 1939 in der Verwaltung des Landratsamts Elbogen beschäftigt war. Nach dem Krieg wurde er entlassen und musste bis zu seiner Vertreibung im August 1946 in einem Kohlebergwerk arbeiten.   

Insgesamt zehn egerländische Familien wurden im bayerischen Ramsau bei Berchtesgaden untergebracht. Hellers Familie hatte Glück, da sie von ihrer Wirtsfamilie als Mitbewohner des bäuerlichen Lehens willkommen geheißen wurde.

Spannend zu lesen ist diese kleine Chronik auch durch die eingefügten Exkurse zur Historiographie, zu lokalspezifischen sowie zu den Themen der Nachkriegszeit wie Lastenausgleich und die Behandlung der Heimatvertriebenen durch die Einwohner in Ramsau und anderen Zuwanderungsgebieten.  

Wilfried Heller: „Zwischen Herkunft und Neuanfang. Biographische Skizze eines Vertriebenen aus dem Egerland (Böhmen)“, Verlag Inspiration Un Limited, London/Berlin 2021, broschiert, 112 Seiten, 12,90 Euro