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Folge 04-22 vom 28. Januar 2022 / Pandemie / Omikron zwingt Behörden in die Knie / Berlin: Nachverfolgung wird stark eingeschränkt, Labore sind überlastet, Personal wird knapp

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-22 vom 28. Januar 2022

Pandemie
Omikron zwingt Behörden in die Knie
Berlin: Nachverfolgung wird stark eingeschränkt, Labore sind überlastet, Personal wird knapp
Norman Hanert

Mit der rapiden Ausbreitung der Omikron-Virusvariante zeigt sich, wie der Berliner Senat mit seiner bislang verfolgten Corona-Politik an Grenzen stößt. Wie Analysen der Berliner Wasserbetriebe ergaben, konnte die Omikron-Variante erstmals Anfang Dezember im Abwasser nachgewiesen werden. In Proben, die Ende Dezember genommen wurden, hatte Omikron mit einem Anteil von 89 Prozent die bis dahin vorherrschende Delta-Variante bereits weitgehend verdrängt. Mitte Januar zeigten dann auch Daten des Robert-Koch-Instituts, dass die Berliner Bezirke Mitte, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg unter allen Stadt- und Landkreisen in Deutschland die höchsten Inzidenzen auswiesen.

Die Folgen dieser Entwicklung spüren die Berliner mittlerweile überall in der Stadt. Weil Mitarbeiter durch Erkrankung fehlen oder sich nach einem positiven Test in Quarantäne begeben müssen, fehlt bei der Polizei, der Feuerwehr und auch den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) zunehmend Personal. Nachdem die BVG bereits den Fahrplan für den Busverkehr ausgedünnt hatte, müssen die Fahrgäste inzwischen auch bei der U-Bahn mit längeren Taktzeiten rechnen.

Stundenlange Wartezeiten normal

Den Gesundheitsämtern fehlt das Personal, um die bislang verfolgten Strategien beizubehalten. Als Konsequenz haben sich die Ämter der zwölf Berliner Bezirke darauf verständigt, die Kontaktverfolgungen weiter einzuschränken und Prioritäten zu setzen. Konzentrieren wollen sich die städtischen Stellen nun auf Menschen aus gefährdeten Gruppen oder auf besondere Ereignisse wie etwa Corona-Ausbrüche in Pflegeheimen. Der Senat erwägt sogar die Abschaffung der Pflicht zur Kontaktdatenerfassung in Restaurants, Bars oder Museen.

Auch bei den Laborkapazitäten stößt Berlin mit der bisherigen Test-Praxis an seine Grenze. Bei den zwölf landeseigenen Testzentren und auch bei den Arztpraxen, die kostenlose PCR-Tests anbieten, sind mehrere Stunden Wartezeit inzwischen normal. Um einer völligen Überlastung der Labore entgegenzuwirken, will der Senat die PCR-Tests künftig auf Infizierte mit Symptomen sowie „gegebenenfalls vulnerable Gruppen“ beschränken. Alternativ sollen immer öfter Schnelltests zum Einsatz kommen, obwohl diese weniger genau sind als die PCR-Labortests.

Für die Berliner bedeuten die neuen Schritte des Senats, sich nach mittlerweile fast zwei Jahren Pandemie auf abermals neue Regeln einstellen zu müssen. Parallel sorgt auch die Bundespolitik mit abrupten Regeländerungen, etwa mit der Verkürzung des Genesenenstatus auf nur noch drei Monate und der Rückstufung des Vakzins von Johnson & Johnson, selbst bei bislang wohlmeinenden Bürgern für Verwirrung und Verdruss.

Obendrein liefern Regierung und nachgelagerte Behörden immer wieder Anlass, an der Aussagekraft von Daten zu zweifeln, mit denen die bisherige Corona-Politik begründet wird. Auch hier werden die Bürger oftmals mit abrupten Änderungen konfrontiert. Beispielsweise hatte der Berliner Senat im Mai 2020 eine sogenannte Corona-Ampel beschlossen, die sowohl die Übertragungsdynamik als auch die Belastung des Gesundheitssystems abbilden soll. Ein Indikator dieses Warnsystems, die Hospitalisierungsinzidenz, stand auf den Seiten der Senatsgesundheitsverwaltung monatelang auf Grün. Schlagartig sprang der Wert dann am 11. Januar von 4,0 auf 10,6. Dementsprechend zeigte die Inzidenz-Ampel plötzlich ein alarmierendes Rot.

Zweifelhafte Inzidenz-Daten

Noch am selben Tag räumte Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) jedoch ein, dass die Lage in den Berliner Krankenhäusern weiterhin entspannt sei. Der Widerspruch zwischen alarmierendem Signal und undramatischer Lage liegt tatsächlich nur darin begründet, dass die Gesundheitsverwaltung die Hospitalisierungsinzidenz plötzlich auf einer geänderten Basis berechnet. Die Verwaltung zieht neuerdings nicht mehr die Meldungen der überlasteten Gesundheitsämter heran, sondern digitale Meldungen der Krankenhäuser. Laut Gote ermöglicht diese Umstellung ein realistischeres, weil aktuelleres Bild. Die Änderung hat allerdings auch eine Kehrseite. Wie der rbb berichtet, wird vereinfacht gesagt nur darauf geschaut, „wie viele Patienten und Patientinnen mit oder wegen einer Covid-19-Infektion am Vortag und aktuell in Berliner Krankenhäusern liegen“. 

Gerade durch die Ausbreitung der sehr ansteckenden Omikron-Virusvariante kann dies aber dazu führen, dass in die Hospitalisierungsinzidenz immer mehr Fälle einfließen, bei denen ein positiver Corona-Test zwar vorliegt, aber keineswegs der Grund für die Krankenhauseinweisung ist, sondern nur ein Zufallsbefund. Aus Dänemark liegen Berichte vor, wonach immerhin 27 Prozent der Patienten, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, eigentlich aus anderen Gründen ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Beim Universitätsspital Genf soll laut einem Beitrag der Schweizer Zeitung „Blick“ fast die Hälfte der statistisch ausgewiesenen Corona-Patienten aus anderen Gründen im Spital gelandet sein.