24.04.2024

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Folge 04-22 vom 28. Januar 2022 / Niedersächsische Landesbeauftragte für Heimatvertriebene, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler / „Geschichte fürs Ohr“ / In Audiobeiträgen werden die späten Folgen des Kriegs aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-22 vom 28. Januar 2022

Niedersächsische Landesbeauftragte für Heimatvertriebene, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler
„Geschichte fürs Ohr“
In Audiobeiträgen werden die späten Folgen des Kriegs aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet
Christiane Rinser-Schrut

Beschrieben wird dieses Hörprojekt auf der Internetseite der niedersächsischen Landesbeauftragten für Heimatvertriebene, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler wie folgt: „Im Mai 2020 jährte sich in Europa das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 75. Mal. Die langen Schatten dieses Datums werden in unseren Hörbeiträgen thematisiert. Die Beiträge sind jeweils von rund zehn Minuten Länge. Sie beleuchten Flucht, Vertreibung, Deportation, Aussiedlung und Erinnerung aus verschiedenen Blickwinkeln, praxisnah oder wissenschaftlich, biografisch oder künstlerisch. Junge Referenten, O-Töne von Zeitzeugen und historische Radiomitschnitte laden ein zum Anhören und Weiterdenken.“

Der erste Beitrag „Last der Erinnerung. Vom Umgang mit Krieg und Vertreibung in Senioreneinrichtungen“ von der Diplom-Psychologin Claudia Wollenberg ist ein Anfang. Die Stimme schwach, manchmal gar nicht zu hören, getragen, vermutlich genau richtig, beachtet man die Schwere des Themas. Lässt man sich auf den Beitrag ein, erfährt man von Wollenberg, dass Kriegskinder nicht immer zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart unterscheiden können, weshalb eine Waschung als körperlicher Angriff bewertet wird. 

Viele Frauen haben während der Flucht körperliche Gewalt erfahren und gesehen. Diese Menschen haben während ihrer Kindheit so viele Überraschungen erlebt, dass sie im Alter eine feste Struktur benötigen, feste Rituale - all das, was ihnen als Kind verwehrt geblieben ist. Wollenberg hat sich mit den psychischen Folgen des Zweiten Weltkriegs sowie der deutsch-deutschen Teilung auseinandergesetzt und dies zu ihrem Schwerpunkt in der täglichen Arbeit gemacht. Welche Auswirkungen haben diese Erfahrungen auf die Kriegskinder, Kriegsenkel und die nachfolgenden Generationen? „Bei all der Schwere und Last ist ihr Blick aber immer auch auf die vorhandenen Kräfte und Überlebensstrategien in schwierigen Zeiten gerichtet. Eines hat sie von ihren Patienten gelernt, es ist nie zu spät, sich auf die Reise in die eigene Geschichte zu begeben, um Dinge dann anders oder vielleicht auch neu zu betrachten“, heißt es unter dem ersten Audiobeitrag.

Unterschiedliche Aspekte

Der Historiker und Referent für die Politische Bildung bei der Deutschen Gesellschaft e.V. in Berlin, Vincent Regente, präsentiert den zweiten Audiobeitrag, der den Titel „Flucht und Vertreibung in der deutschen, polnischen und tschechischen Erinnerung“ trägt. Regentes Stimme ist gut zu folgen, die Lautstärke schwankt nicht, der Hörer kann alle Silben klar verstehen.

„Fremd in der Heimat – deutsche Bevölkerung im Nachkriegspolen“ lautet der dritte Audiobeitrag. Teresa Willenborg spricht hier über ihr Promotionsthema.

„Die Folgen des Zweiten Weltkrieges waren für Millionen Menschen in Europa verheerend. Auf der Konferenz in Potsdam im August 1945 einigten sich die Alliierten auf die Oder-Neiße-Grenze. Die deutschen Gebiete östlich dieser neuen Grenze wurden unter polnische Verwaltung gestellt. Unmittelbar danach begann der polnische Staat mit der massenhaften Zwangsaussiedlung der deutschen Zivilbevölkerung. Im Jahr 1948 lebten trotzdem noch Hunderttausende Deutsche innerhalb der neuen Grenzen Polens. Viele, die jetzt gar ,freiwillig‘ gegangen wären, wurden von der polnischen Regierung daran gehindert.“ Ihr Beitrag beschäftigt sich mit dem Schicksal der Deutschen in der Republik Polen. 

Nach dem Bevölkerungsaustausch und der abneigenden Haltung gegen die Deutschen kam noch erschwerend hinzu, dass Anknüpfungspunkte für den Erhalt der deutschen Kultur, wie Straßennamen und Gedenkstätten, umbenannt beziehungsweise abgebaut wurden. Dieser mentale Heimatverlust war ebenso dramatisch wie der reale. Die deutsche Sprache, deutsche Verbände und Zeitungen wurden verboten, und auch die deutsche Gemeinde wurde zerschlagen. Erst nach 1948 besserte sich die Lage der Deutschen in der Republik, um die Fachkräfte zu halten. Ein Jahr später durften deutsche Schulen und andere deutsche Einrichtungen wieder öffnen. Willenborgs Stimme mit ihrer polnischen Färbung ist gut zu folgen. 

Unterschiedliche Methoden

Der vierte Beitrag ist ein Radiomitschnitt aus dem NDR-Archiv zum Thema „Aussiedler in Friedland, Februar 1958“. Beschrieben wird der Beitrag mit folgenden Worten: „Heimat oder Nation? Dieser Frage sahen sich in den Fünfzigerjahren Hunderttausende ausgesetzt, die von den Nachkriegsvertreibungen in den ehemaligen deutschen Ostgebieten nicht erfasst worden waren. Diskriminierungserfahrungen durch polnische Behörden, der Wunsch, als Deutsche wieder unter Deutschen zu leben, sowie die Aussicht auf günstigere wirtschaftliche Verhältnisse und Aufstiegsmöglichkeiten für die Kinder in der Bundesrepublik ließen in vielen Menschen den Ausreisewunsch heranreifen. Im Rahmen der Familienzusammenführung trafen sie ab 1956 im niedersächsischen Grenzdurchgangslager Friedland ein, wo sie registriert und anschließend den Bundesländern zugeteilt wurden.

Die Zahl der in Friedland eintreffenden Aussiedler aus Pommern, Ostpreußen, Schlesien und anderen Gebieten im Osten betrug im Jahr 1957 rund 100.000, im Jahr 1958 rund 120.000. Im Zeichen der Ost-West-Konfrontation stellten die bundesdeutschen Medien die schweren Schicksale der Aussiedler in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung. Friedland zeichneten sie kontrastierend als „Tor zur Freiheit“.

Der hier verfügbare Radiomitschnitt wurde am 6. Februar 1958 unter dem Titel „21. Aussiedlertransport in Friedland eingetroffen“ gesendet. Der Mitschnitt befindet sich im Archiv des Norddeutschen Rundfunks, DILA-Portal Archivnummer: 6901089001.“

Eine Bauernfamilie aus dem Kreis Sensburg wird in dem Beitrag interviewt. Nach zwölf langen Jahren ist sie in Friedland angekommen.  

Mit vier Minuten und 20 Sekunden ist dies der kürzeste Beitrag und vervollständigt die vorherigen Audiobeiträge.

Weitere Beiträge lauten „Erinnerung der russlanddeutschen Volksgruppe an den langen Schatten des Zweiten Weltkriegs“ von Tatjana Schmalz.

„Lena & Toni: Wie die Lebensgeschichte einer Ostpreußin eine ganz besondere Freundschaft schuf“ von Lena Hammann. Toni Kerstan vertraute Hammann über 100 Jahren ihrer Lebensgeschichte von der Kindheit in Ostpreußen, dem Zweiten Weltkrieg und ihrem Leben nach der Flucht aus Ostpreußen an. 

„Von Pommern nach Ostfriesland – Flucht, Wiedersehen und Neuanfang der Familie Müller aus Schlawe“ von Lennart Bohne, Dokumentationsstätte Gnadenkirche Tidofeld.

„Vom Morgengrauen bis Sonnenuntergang – Erinnerungen an die Deportation der Deutschen in der Sowjetunion 1941“ von Bulat Mekebaev.

„Spätaussiedler in Friedland, November 2002 – ein Radiomitschnitt“, aus dem NDR-Archiv-Beitrag „Grenzdurchgangslager Friedland – Ort der Hoffnungen“. 

„Königsberg 1945-1948, Erinnerungen der Zeitzeugin Rotraud Hahn“ von Jonny Reimers. Dieses Zeitzeugeninterview entstand in Zusammenarbeit der Kreisgemeinschaft Preußisch Eylau mit der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen e.V., Bremen. Die Rechte am Material besitzt die Kreisgemeinschaft Preußisch Eylau.

„,Ich konnte nicht lächeln‘ – Das Schicksal des Flüchtlingskindes Ingebourg Kurzewitz, geb. Wiegelis“ von Lennart Bohne, Dokumentationsstätte Gnadenkirche Tidofeld.

„,Gesucht wird…‘“ Über die Arbeit des DRK-Suchdienstes aus dem NDR-Archiv.

„Wolfskinder – Treibgut des Krieges“ von Anja Bilabel.

„Mit Geschichten „das Leben besser gestalten“ von Ralf Pasch, der über das Erzählen und Bewahren von Erinnerungen berichtet.

„Protest gegen die Vertreibung der Ungarndeutschen“ Brief der ungarischen Bischöfe vom August 1947.

„Auf Spurensuche in Transkarpatien“ von Maxim Melnyk.

Ein großes Thema

Manche Beiträge scheinen unvollständig, so wird beispielsweise der Sprecher des Briefes der ungarischen Bischöfe gar nicht genannt, machen Beiträgen wäre mit einer graphischen Unterstützung, Zeitstrahl oder Landkarte, leichter zu folgen. Trotz einiger Optimierungsmöglichkeiten bieten diese Audiobeiträge ein umfassendes Bild über das, was während und nach Flucht und Vertreibung passierte und heute noch wirkt.

Die Audiobeiträge der Reihe „Geschichte aufs Ohr“ sind abrufbar auf der Internetseite der Niedersächsischen Landesbeauftragten für Heimatvertriebene, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler unter der Rubrik „Projekte“, Internet: https://lbhs.niedersachsen.de

Was es noch gibt

Weiter informiert das Büro der Landesbeauftragten über die Ausstellung „Vom Ihr zum Wir“ im Niedersächsischen Landtag und den Katalog (19,90 Euro zuzüglich Versand) zur Ausstellung. „Niedersachsen und seine Heimatvertriebenen, das ist eine Verbindung, die es verdient, zum 75. Landesjubiläum mit einer eigenen Ausstellung gewürdigt zu werden. Jeder vierte Niedersachse hat familiäre Wurzeln in den ehemals östlichen deutschen Reichs- und Siedlungsgebieten.“

Eine kleine Broschüre zum Heimatvertriebenengottesdienst im November 2021 in der Marktkirche Hannover Stunde mit dem Landesbischof Ralf Meister und der Landesbeauftragten Editha Westmann kann unter der E-Mail-Adresse buero.landesbeauftragte@mwk.niedersachsen.de bestellt werden.

Die Blockseminare zum Medienbildungsprojekt für junge Spätaussiedler haben bereits stattgefunden. Interessierte können sich bei Olesya Orlova unter E-Mail: oo@abc-huell.de melden.