25.04.2024

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Folge 04-22 vom 28. Januar 2022 / Hochwasser in Ostpreußen / Zerstörerische Naturgewalten / Anders als an der Nord- gibt es an der Ostsee keine Sturmfluten – Winterstürme sorgten dennoch für Chaos

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-22 vom 28. Januar 2022

Hochwasser in Ostpreußen
Zerstörerische Naturgewalten
Anders als an der Nord- gibt es an der Ostsee keine Sturmfluten – Winterstürme sorgten dennoch für Chaos
Wolfgang Kaufmann

Ostpreußen wurde im Laufe seiner Geschichte schon von vielerlei Naturkatastrophen heimgesucht. So gab es 1322/23, 1556/57, 1708/09, 1739/40, 1770/71, 1794/95, 1849/50, 1911/12 und 1928/29 ex-trem strenge Winter. Ende 1849 sollen sogar minus 43,75° Celsius gemessen worden sein. In anderen Jahren wie 1427, 1834 und 1868 herrschte wiederum Dürre oder große Hitze. Am 13. August 1868 stieg das Quecksilber auf den Rekordwert von 

44,75 ° Celsisus. Gleichfalls traten manchmal Heuschreckenschwärme auf wie 1711 oder es regnete den ganzen Sommer wie 1771. Und in einigen Wintern erstickte die Provinz fast im Schnee. Besonders schlimm war es dabei 1899/1900, 1907/08 und 1933/34. Eine weitere große Heimsuchung bildeten Orkane und die damit oftmals verbundenen Sturmhochwasser.

Badewanneneffekt in Ostpreußen

Im Gegensatz zur Nordseeküste, an der sich immer wieder katastrophale Sturmfluten ereigneten wie die Julianenflut 1164, die zwei Marcellusfluten 1219 und 1362, die Elisabethenfluten 1404 und 1421, die Allerheiligenflut 1570 sowie die Burchardiflut 1634 mit insgesamt weit über 100.000 Toten, kann es an der ostpreußischen Küste zwar keine Hochwasser durch eine sturmbedingte Überschreitung des normalen Flutpegels geben, weil die Ostsee keinen nennenswerten Tidenhub aufweist. Allerdings macht sich hier oftmals der sogenannte Badewanneneffekt bemerkbar: Wenn der Wind längere Zeit und kräftig aus Südwest weht, wird das Wasser in den Bottnischen und Finnischen Meerbusen gedrückt, während zugleich auch reichlich Nordseewasser durch den Großen und Kleinen Belt sowie den Öresund nachströmt. Dreht der Wind dann unversehens um etwa 180 Grad und frischt dabei auch noch auf, dann schwappt das Wasser in Richtung der südlichen und westlichen Ostsee. Das ist insofern fatal, als es durch die engen Verbindungen zur Nordsee nicht schnell genug wieder zurückfließen kann. Wenn die Pegelstände dadurch um mehr als 1,5 Meter steigen, liegt ein Sturmhochwasser vor, wobei im Extremfall auch ein Anstieg des Wasserspiegels um mehr als zwei Meter möglich ist.

Mehrere solcher Sturmhochwasser gab es zwischen 1304 und 1311. Dadurch versandete das Lochstedter Tief, die ursprüngliche natürliche Zufahrt ins Frische Haff und damit auch nach Königsberg, wobei zugleich aber ein neuer Wasserweg durch das Alte Tief gegenüber der Burg Honeda entstand. Dieser wurde jedoch ebenfalls bald wieder unpassierbar, so dass für längere Zeit keine größeren Handelsschiffe aus der Ostsee nach Königsberg gelangen konnten. Dann freilich kam es am 15. September 1497 und 1510 zu weiteren Sturmhochwassern, in deren Verlauf sich das Pillauer Tief bildete beziehungsweise zu einer bleibenden Fahrrinne auswuchs. Die vermochte selbst die eifersüchtige Konkurrenz aus Danzig durch eilends eingerammte Pfähle nicht mehr unbrauchbar zu machen.

Das nächste große Hochwasser ereignete sich im Jahre 1620. Wie alte Quellen berichten, stiegen die Pegel so stark, dass der Boden des Königsberger Doms überflutet wurde. Dann gab es 1701, 1702 und 1718 schwere Stürme beziehungsweise Orkane, wobei vor allem der Letztere erneute arge Überschwemmungen in Königsberg bewirkte. Ebenfalls sehr dramatisch verlief der 3. November 1801: Ein neuerlicher Orkan fegte über die Danziger Bucht und sorgte für Rückstau in den Flüssen, welche in die Ostsee mündeten. Nach dem Ablaufen des Wassers lagen dann zahlreiche Schiffe auf den Wiesen und Wällen entlang des Pregel.

Abermalige schwere Sturmwinde trafen Königsberg 1806 und beschädigten das Schloss. Anschließend tobte am 17. Januar 1818 ein Orkan im gesamten Raum zwischen der englischen Küste und Memel. Er löste zwar kein besonderes Hochwasser aus, verwüstete aber trotzdem weite Teile von Ostpreußen. Die offizielle Schadensbilanz lautete damals: 131 Kirchen, 36.774 Privatgebäude und 248 Mühlen komplett oder zum Teil zerstört, 3744 Rinder und Pferde sowie 1992 Schafe getötet; dazu 52.008 Scheffel Korn verdorben. Der Wert des Verlorenen belief sich auf genau 4.414.710 Taler. Dazu kamen umgerissene Bäume, deren Holzpreis auf 5,5 Millionen Taler geschätzt wurde.

Winterstürme über der Ostsee

Und auch danach fand die Provinz nicht zur Ruhe: Erst folgte 1825 das nächste Hochwasser und dann brauste 1829 ein weiterer Wintersturm heran, der zum Anstieg der Pegel führte, was wiederum für diverse Zerstörungen vor allem in Königsberg sorgte. Das Gleiche passierte im Februar 1894 und 1899, wo es nun zusätzlich die Kuranlagen und Fischerhäuser in Ostseebadeorten wie Cranz traf. Und schließlich kam es am 9. Januar 1914 noch zu einem erneuten Sturmhochwasser, das nun auch das Samland heimsuchte.

Dabei hatten die Menschen in Ostpreußen noch Glück, was solche Naturkatastrophen betraf, denn aufgrund der Beschaffenheit der Ostsee fielen die sturmbedingten Anstiege der Wasserstände und die dadurch verursachten Zerstörungen im Bereich der Küsten zwischen Schleswig-Holstein und Pommern regelmäßig deutlich stärker aus und forderten auch mehr Menschenleben. So wie beispielsweise bei der verheerenden Allerheiligenflut am 1. November 1304 oder dem großen Ostseehochwasser von 1872.