20.04.2024

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Folge 04-22 vom 28. Januar 2022 / Fahrräder in Ostpreussen / Wie Königsberger aufs Rad kamen / Von Gründungsvätern und Profis – Hermann Althoff und Franz Todtenhöfer leisteten Pionierarbeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-22 vom 28. Januar 2022

Fahrräder in Ostpreussen
Wie Königsberger aufs Rad kamen
Von Gründungsvätern und Profis – Hermann Althoff und Franz Todtenhöfer leisteten Pionierarbeit
Nikolaj Tscheburkin

Im Jahr 1881 eröffnete der Kaufmann Hermann Althoff im Haus Nr. 5 am Paradeplatz in Königsberg ein Fahrradgeschäft. Sein Geschäft befand sich im Stadtzentrum gegenüber dem Gebäude der Universität Albertina (heute ist dort die Staatliche Baltische Kant-Universität in der Universitetskaja-Straße untergebracht). 

Die Firma Althoff war ein Pionier im Fahrradverkauf in der Stadt

Schon bald erfreute sich das neue zweirädrige Verkehrsmittel bei den Bürgern großer Beliebtheit. Einige Jahre später, im Jahr 1884, wurde der Deutsche Radsportverband gegründet und zwei Jahre darauf hatte der Königsberger Radsportverein in der ostpreußischen Provinzhauptstadt seine Geburtsstunde. Ein Jahr später eröffnete in Insterburg [Tschernjachowsk] der Fahrradclub Adler. 

Die große Nachfrage der Königsberger nach dem Erwerb und der Wartung von Fahrrädern kam dem Geschäft von Althoff sehr entgegen. Ende des 19. Jahrhunderts eröffnete er in der Nähe der Hausnummer 11 am Steindamm, unweit des damals gleichnamigen Tores, das aus der Stadt herausführte, einen großen Fahrradausstellungsraum mit Reparaturwerkstatt. Während der Nordostdeutschen Industrie- und Handwerksmesse von 1895 in Königsberg wurden Althoffs Fahrräder mit einer Medaille ausgezeichnet. 

Erste Fahrradfabrik entstand im Jahr 1899

1899 gründeten Hermann Althoff und der Unternehmer Politt die Königsberger Fahrradfabrik. Auf dem Grundstück Nr. 55 in Hufen an der Bahnstraße wurden die Produktionsgebäude des Unternehmens errichtet. 1901 begann die Fahrradfabrik Baltia in Königsberg mit der Produktion von Fahrrädern. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Räumlichkeiten der Fahrradfabrik Baltia in ein Reparatur- und Mechanikwerk umgewandelt. Die Fabrik war noch bis 2015 in Betrieb. Erst dann wurden die Produktionsgebäude abgerissen und an ihrer Stelle entstanden vier neunstöckige Wohnblöcke.

Polo – die zweite Fahrradmarke aus Königsberg

Einige Jahre später, im Jahr 1905, bekam die Firma Althoff Konkurrenz, als eine weitere Fahrradmarke – Polo – über die  Straßen Königsbergs rollte. Hergestellt wurden die neuen Fahrräder von dem passionierten Radrennfahrer und Unternehmer Todtenhöfer. Die Lenksäule dieses Stahlrosses trug ein Schild mit dem Bild eines Polospielers. Ein einfacheres Messingschild mit dem Namen des Inhabers Franz Todtenhöfer und dem Firmensitz in der Junkerstraße 16 in Königsberg wurde ebenfalls als Emblem für diese Marke verwendet.  

Todtenhöfer wurde am 13. August 1875 in Königsberg geboren. Schon als Kind war er von einem neuen Verkehrsmittel, dem Fahrrad, fasziniert und blieb ihm zeitlebens treu, obwohl er beruflich oft mit dem Auto unterwegs war. Seine ersten Erfolge im Radsport erzielte er bereits während seines Studiums an der Albertina in Königsberg und als Mitglied der Masovia Corporation.

Im Alter von 18 Jahren wurde er 1893 Meister im ostpreußischen Provinzialradrennen. 1895 eröffneten Todtenhöfer und der Ehemann seiner Schwester Max Rautensperger in der Junkerstraße 16 ein Fahrradgeschäft. Ermöglicht wurde dies dadurch, dass Franz’ Vater jedem seiner drei Kinder eine große Geldsumme schenkte. Es sollen 10.000 Reichsmark gewesen sein. 

Radwege wurden zuerst im Tennisstadion Tiergarten gebaut

Im Jahr 1897 wurde das Tennisstadion Tiergarten im nördlichen Teil des Königsberger Zoos mit Fahrradwegen gepflastert. Von da an wurden dort Radrennen veranstaltet. Todtenhöfer belegte in den Jahren 1898 und 1899 die Plätze 2 und 3 bei den Königsberger Radrennen. 1899 wurde er „1. Fahrwart“ des 1886 gegründeten Radfahrer Clubs Königsbergs und nahm weiterhin an Radrennen in Ostpreußen teil. Im Jahr 1906 wurde Todtenhöfer zum 2. Vorsitzenden des Fahrradclubs gewählt.

Ab 1902 war die Firma Franz Todtenhöfer & Co. auch als Autohaus tätig. Das Unternehmen verkaufte Autos der Marken Fiat, Mercedes und Opel. Mit der Zeit entwickelte sich das Unternehmen zum Generalvertreter des Opel-Werks für West- und Ostpreußen, Danzig und das gesamte Baltikum. 1906 vergrößerte sich das Unternehmen und zog in das Haus Nr. 142/143 am Steindamm um, das neben Büro- und Verkaufsräumen auch Werkstätten für Maschinenreparaturen beherbergte. 

Im Jahr 1921 gründete Franz Todtenhöfer in Königsberg den „Verein für Fahrradwege“. Dank dieser Organisation entstanden auf den Straßen der Stadt die ersten Fahrradwege. Bis heute hat nur die Hagenstraße/Simsonstraße [u. Karla Marxa] ihre historischen Fahrradspuren behalten. 

Masovia, eine neue Fahrradmarke, kommt hinzu

1930 wurde das Unternehmen schließlich in die Todtenhöfer Aktien-Gesellschaft umgewandelt und baute am Heumarkt in Königsberg eine dreigeschossige Halle mit Platz für 350 Autos. Unter der Garage befand sich eine Maschinenwerkstatt. Nach 1946 wurde die Garage als Parkplatz für Krankenwagen genutzt. Das Gebäude beherbergt heute das Barnaulskij-Einkaufszentrum. 1933 ließ Todtenhöfer eine neue Fahrradmarke registrieren – Masovia. Damit erwies er einer der studentischen Korporationen an der Königsberger Universität Albertina, der er selber auch angehörte, eine Ehre. Jedes Jahr lud Todtenhöfer alle Mitarbeiter seiner Firma ein, von Königsberg nach Groß-Heydekrug [Wsmorje]im Stadtbezirk Groß-Heydekrug [Swjetlowsk] zu radeln. Bedingung war, dass alle Mitarbeiter seiner Firma mit dem Fahrrad dorthin fahren mussten. Die Ausflüge endeten immer mit einem Firmentreffen in einem Restaurant, zu dem die Familien der Mitarbeiter mit dem Boot anreisten. Da während dieser Veranstaltungen auch reichlich Bier und Wein floss, durften die zuvor mit dem Fahrrad angereisten Mitarbeiter mit dem Boot zurückfahren, da eine Rückfahrt mit dem Fahrrad nicht mehr in Frage kam.

Neuanfang nach dem Krieg in Berlin

Im Jahr 1946 fand Todtenhöfer in Berlin seine neue Heimat. Trotz seines stolzen Alters von 70 Jahren gründete er dort ein neues Unternehmen. In der Schillerstraße 14 in Berlin wurden ein Geschäft und eine Fabrik für die Herstellung von Fahrradteilen eröffnet. In den Jahren 1952 und 1953 befasste sich sein Unternehmen ausschließlich mit dem Großhandel von Ersatzteilen und Zubehör für Fahrräder. 

Franz Todtenhofer starb am 22. März 1955 in Berlin. Dies ist die Lebensgeschichte eines Mannes, der seinen kreativen Weg der Entwicklung des Radsports in Ostpreußen gewidmet hat.