19.04.2024

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Folge 05-22 vom 04. Februar 2022 / Strompreis-Explosion / Der Energierechnung folgt die Insolvenz / Brandenburgs Wirtschaftsminister schickt Brandbrief an Habeck: „Anstieg rasch begrenzen“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-22 vom 04. Februar 2022

Strompreis-Explosion
Der Energierechnung folgt die Insolvenz
Brandenburgs Wirtschaftsminister schickt Brandbrief an Habeck: „Anstieg rasch begrenzen“
Norman Hanert

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck erweckt bei öffentlichen Auftritten dieser Tage meist den Eindruck, dass die Aufbruchstimmung zum Amtsantritt bereits völlig verflogen sei. Tatsächlich häufen sich für den Grünen-Politiker schon wenige Wochen nach der Regierungsübernahme die Probleme. Schon der Antrittsbesuch Habecks in Brüssel war überschattet vom Streit mit der EU-Kommission, weil diese Atomstrom als „grüne“ Energie einstufen will. Habecks Ministerium musste zudem aus Geldmangel das KfW-Förderprogramm für energieeffizienten Gebäudebau stoppen. Auch die neue Werftenkrise in Mecklenburg-Vorpommern verlangt eine Reaktion des Bundeswirtschaftsministers.

Habecks Stimmung kaum verbessert haben dürfte ein aktueller Brandbrief, den er unlängst aus Potsdam erhalten hat. In dem Schreiben appelliert der märkische Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) an Habeck, „rasch gemeinsam Maßnahmen zu ergreifen, um die negativen Auswirkungen der aktuell extrem hohen Energiepreise zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen“. Laut dem Landesminister fällt in Brandenburg „eine zunehmende Zahl privater Haushalte durch die Insolvenz von Stromanbietern oder eine Kündigung in die Grundversorgung“ zurück. 

Bis zu 100 Prozent mehr

Für die betroffenen Kunden kann dies Stromkosten zur Folge haben, die zum Teil um mehr als 100 Prozent über ihren bisherigen Tarifen liegen. Besonders drastisch zeigt sich die Entwicklung in der mittelmärkischen Kreisstadt Bad Belzig. Dort ist Ende vergangenen Jahres der kommunale Versorger für Strom, Gas und Fernwärme in die Insolvenz gerutscht.

Aufgrund von Misswirtschaft soll sich das Minus bei den Stadtwerken mittlerweile auf 20 Millionen Euro belaufen. Laut Berichten örtlicher Medien hatte der inzwischen entlassene Stadtwerke-Chef für 2022 nicht genug Gas und Strom eingekauft. Gegen den bisherigen Geschäftsführer steht sogar der Vorwurf im Raum, er habe an der Strombörse spekuliert: „Er hatte Strom, den wir nicht besaßen, an Vattenfall weiterverkauft. In der Hoffnung auf sinkende Preise – aber sie steigen weiter“, so Bad Belzigs parteiloser Bürgermeister Roland Leisegang gegenüber der „Bild“-Zeitung.

Als Folge der Stadtwerke-Insolvenz muss Energie nun zu den extrem hohen  aktuellen Preisen am sogenannten Spotmarkt eingekauft werden. Für private Verbraucher und Gewerbekunden bedeutet dies drastische Belastungen. 

Gegenüber dem Sender rbb sagte ein alteingesessener Bäckermeister aus der Kleinstadt, bei ihm seien die Kosten für den Gasbackofen von monatlich 800 auf 1500 Euro gestiegen. Ein Wohnungsmieter aus Bad Belzig berichtete dem rbb über eine angekündigte Kostenerhöhung für seine Fernwärmeversorgung: „Nach dieser Erhöhung, die wir jetzt bekommen werden, zahle ich nicht mehr 200, sondern 450 bis 500 Euro. Im Monat!“ 

In dem Brief an Habeck macht der Landesminister Steinbach auf eine insgesamt brisante Lage im Land aufmerksam: Parallel zur Pleitewelle bei Billigstromanbietern in ganz Deutschland seien auch die Gaspreise für die Wärmeversorgung überdurchschnittlich gestiegen. Im Fall von Brandenburg kommt hinzu, dass ein recht großer Teil der Bürger solche Mehrbelastungen gar nicht verkraften kann. 

Betriebe in ihrer Existenz bedroht

Gut ein Drittel der Beschäftigten sind in dem Bundesland nämlich im Niedriglohnsektor tätig. Folgerichtig warnt Brandenburgs Wirtschaftsminister in seinem Brief: „Die vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie bereits jetzt deutlich steigende Zahl der Privatinsolvenzen dürfte damit einen weiteren Schub bekommen.“ Besonders betroffen sind von der Kostenexplosion laut Steinbach neben Privathaushalten auch kleine und mittlere Unternehmen und die energieintensive Wirtschaft.

Offenbar war jenes Schreiben vom 24. Januar nicht der erste Hilferuf aus Potsdam. Wie aus dem Brief hervorgeht, hatte Brandenburgs Ministerpräsident Woidke bereits am 4. Januar Habeck wegen der Energiepreise angeschrieben.

Die Entwicklung trifft nicht nur den „Klimaminister“ Habeck, sondern die gesamte rot-grün-gelbe Koalition auf dem falschen Fuß. Der bisherige Ampel-Fahrplan sah vor, zur Entlastung der Stromkunden den Aufschlag für die „Erneuerbaren Energien“ (EEG) ab 2023 wegfallen zu lassen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat nun eine Abschaffung der EEG-Umlage im Sommer in Aussicht gestellt.

Möglicherweise kommt dies für einen Teil der Verbraucher und Unternehmen aber zu spät. So mahnt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes: „Wir brauchen dringend eine Entlastung.“ Auch der Verband der Chemischen Industrie (VCI) warnt, dass der rasante Anstieg der Energiepreise für mittelständische Betriebe der Branche existenzbedrohend sei.