29.03.2024

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Folge 05-22 vom 04. Februar 2022 / Kolumne / Moderne Hexenverfolgung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-22 vom 04. Februar 2022

Kolumne
Moderne Hexenverfolgung
Florian Stumfall

Das katalanische Parlament in Barcelona hat einen erstaunlichen Beschluss gefasst. Nach rund 300 Jahren wurde für rechtens erkannt, dass mehr als 700 Frauen posthum zu begnadigen seien, die vom 15. bis zum 18. Jahrhundert wegen Hexerei hingerichtet worden sind. Einige hervorgehobene und namentlich bekannte der weiblichen Opfer seien dadurch zu ehren, dass nach ihnen in Barcelona und anderswo in Katalonien Straßen benannt werden sollen.

Ein heroischer Entschluss fürwahr. Auch wenn er ein wenig spät erfolgt, so zeigt er doch, dass daran gutgetan ist, aus der Höhe einer edleren Moralität die Verfehlungen früherer Zeiten zu benennen und darüber den notwendigen Richtspruch zu sprechen. So jedenfalls sollte man meinen.

Auch tut es not zu erwägen, was alles dazu hatte führen können, dass jemals Hexen haben gefoltert, gehängt oder verbrannt werden können. Dazu gehörte als erstes ein in sich schlüssiges Konzept zur Darstellung des Zusammenhangs von schuldhaftem Treiben und schädlichen Folgen. So waren es vor Jahrhunderten Missernten, Seuchen oder Naturkatastrophen, die man als Folgen der üblen Umtriebe vor allem von Hexen erkannte. Nach dieser Einsicht richteten sich denn auch Ahnung des Frevels und die Bemühung, weitere Unbill abzuwenden. Beides sollte durch den bitteren Tod der Schuldigen gleichermaßen erfolgen. 

Wer heute vom Entschluss des katalanischen Parlaments hört, wird dankbar daran denken, dass wir uns heute frei von Hexen und ihren Machenschaften fühlen dürfen – ebenso frei wie von frühzeitlichen Instrumentarien des Strafvollzugs, wie sich die Anwendung von Rad, Streckbank und Scheiterhaufen darstellt. Und doch sind einige Teile des Regelwerks der Hexenverfolgung auch heute noch bekannt, verfügbar und oftmals Mittel in der politischen Auseinandersetzung. 

Corona-Maßnahmen

Da fällt auf – zunächst von außen gesehen –, dass ein aufgewühlter Haufen von Menschen, der durch eine wirksame Beeinflussung ziemlich um den Verstand, jedenfalls um die Fähigkeit kühlen Überlegens gebracht worden ist, gewissermaßen den Untergrund für alles Folgende bildet. Wer Hexen verbrennen, oder – um es neuzeitlich auszudrücken – Querdenker, Verschwörungstheoretiker oder vorgebliche Rechtsradikale mundtot machen will, tut das am besten in einer Arena, deren Plätze von einem Publikum besetzt sind, das unter sich einer Meinung ist. Nämlich derjenigen, die der Besitzer der Arena vorgegeben hat.

Auch dieses Bild bedarf der neuzeitlichen Ausformung. Heute ist eine Arena nicht mehr ein offenes Rund, in dem sich die Dinge entscheiden, es sei denn beim Fußball. Vielmehr setzen die Medien die Bedingungen dessen, was an Meinung zugelassen ist und was verworfen wird. Das heißt, an Zahl sind diejenigen, die diese Auslese treffen, sehr viel weniger als das gesamte Publikum, und daher ist es der Politik sehr viel leichter, jenes in den Griff zu bekommen. Das ist der Augenblick, in dem das Mehrheitsprinzip als Grundlage demokratischer Entscheidungen – nicht in seiner Geltung, aber in seiner Wirkung – außer Kraft gesetzt wird.

Das zweite, was heute an die Hexenverbrennung erinnern muss, ist die absolute Trennung, eine Trennung ohne Nuancen zwischen Erkenntnis und Irrtum. Wie damals beanspruchen die Herrschenden die Wahrheit ohne Einschränkung für sich und teilen jenen, die den Gegenpart bilden, den ganzen Irrtum zu. Und das tun sie in einer Weise, die mit einer Feststellung des Irrtums eine Schuld verbindet. Die Ausbildung einer abweichenden Meinung wird zum moralischen Fehlverhalten. Eine Möglichkeit, untereinander aufzuwägen, in Teilen zu urteilen, überhaupt zu argumentieren, ist nicht gegeben. Die Inquisition sagt: Tod oder Leben. Dazwischen gibt es nichts.

Mechanismen der Gegenwart 

Freilich brauchen Anklage, Verhandlung und Verurteilung so etwas wie eine Beweisführung, die es möglich machen soll, den Delinquenten nach außen einigermaßen glaubhaft seinem Schicksal zu überführen. Früher haben, wie gesagt, Missernten, Seuchen und Naturkatastrophen dazu gedient, die materielle Voraussetzung für eine Anklage zu schaffen. Das ist heute nicht viel anders. 

Was die Seuchen angeht, so ist Corona mit allen Begleiterscheinungen sozusagen gerade zur rechten Zeit gekommen. Denn, von allen medizinischen Gegebenheiten und Implikationen abgesehen, ist entscheidend, was der politische Wille aus dieser Vorgabe macht. Bislang ist auf diesem Feld jedenfalls die Möglichkeit eines entscheidenden Eingriffs in die Bürgerrechte festzustellen. Was die Naturkatastrophen angeht, so haben wir zur Befriedigung dieses den Glaubenssatz zur Verfügung, dass eine angebliche Erwärmung des Globus angeblich von den Menschen gemacht wird. Dazu nur in Paranthese: Das arktische Eis reicht derzeit bis zur sibirischen Küste und ist dort zwei Meter dick.

Nun gut, mag jemand vorbringen, jedenfalls sind wir darüber hinaus, Hexen zu verbrennen, ein unverkennbarer Fortschritt. Das ist richtig. Doch ist dieser Vergleich einseitig. Denn zu einer Zeit, in der jeder harmlose Taschendieb dem Galgen überliefert worden ist, stellte die Verbrennung ein entsprechendes Strafmaß dar. Heute kann es auch auf die Haut gehen: Wenn ein Universitätsprofessor seinen Lehrstuhl verlieren kann, weil er die Meinung äußert, dass es Mann und Frau gebe und dies auf naturwissenschaftlichem Wege darzustellen sei, dann sind wir von der Vernichtung der Existenzen missliebiger Menschen nicht mehr weit entfernt. 

Renaissance und Aufklärung trennen uns geistesgeschichtlich vom Mittelalter. Doch dieser Unterschied erschöpft sich nicht im Strafmaß bei Übeltaten. Entscheidend ist die Einsicht in die Art des einzelnen als Träger von Recht und Wert und Würde. Und dagegen wird mehr und mehr verstoßen.