26.04.2024

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Folge 05-22 vom 04. Februar 2022 / Kriegsfolgen / Vielfältige Verflechtungen / Die Nachkommen von Tätern und Opfern des Anschlags vom 20. Juli 1944 erinnern sich gemeinsam mit der Enkelin Stauffenbergs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-22 vom 04. Februar 2022

Kriegsfolgen
Vielfältige Verflechtungen
Die Nachkommen von Tätern und Opfern des Anschlags vom 20. Juli 1944 erinnern sich gemeinsam mit der Enkelin Stauffenbergs
Dagmar Jestrzemski

Nach dem Erscheinen ihres ersten Buches „Stauffenberg. Mein Großvater war kein Attentäter“ hat die Autorin Sophie von Bechtolsheim, eine Enkeltochter von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, nachfolgend ein Buch mit dem Titel „Stauffenberg. Folgen: Zwölf Begegnungen mit der Geschichte“ veröffentlicht. Es entstand aufgrund der großen Resonanz auf ihr Erstlingswerk und umfasst zwölf Familiengeschichten mit ergreifenden Einzel- und Familienschicksalen während des Nationalsozialismus und in den Jahren danach. Anhand der Beispiele wird erneut deutlich, wie sehr diese Zeit bis heute ihre prägende Wirkung auch bei den Nachkommen der sogenannten Erlebnisgeneration entfaltet. Kernpunkt einiger Geschichten sind Verknüpfungen unterschiedlicher Art mit dem missglückten Sprengstoffanschlag auf Hitler am 20. Juli 1944, den eine Gruppe von Offizieren um Claus Schenk Graf von Stauffenberg durchführte. Darauf bezieht sich die Wahl des Buchtitels. 

Bei Sophie von Bechtolsheim hatten sich zahlreiche Menschen gemeldet, um ihre Sicht mitzuteilen oder um Begebenheiten aus der eigenen Familiengeschichte zu schildern. Zeitzeugen, überwiegend jedoch deren Nachfahren, suchten den Kontakt zu ihr, auch junge Leute im Alter ihrer Kinder und Menschen, die in der DDR aufgewachsen waren und dazu Anhaltspunkte im familiären Erbe der Autorin fanden. In einigen Fällen entstanden daraus intensive Korrespondenzen, und es kam zu persönlichen Begegnungen und vertrauensvollen Gesprächen. 

Der jetzt vorliegende schriftliche Niederschlag der ihr anvertrauten Geschichten birgt jeweils einen „persönlichen Rucksack“ – mit diesem Bild meint Bechtolsheim die jeweils persönlichen Erfahrungen und familiären Erinnerungen. Es sei unmöglich, diesen Rucksack nicht zur Kenntnis zu nehmen. Oft verschwinde er aus dem Blickfeld, über das Erlebte werde nicht mehr gesprochen und der Inhalt werde verdrängt. Besonders nahe gingen ihr die Besuche bei Dorothea Johst, deren Geschichte aufs Engste mit ihrer eigenen verwoben ist: Dorotheas Vater Heinrich Berger, einer der damals besten deutschen Stenographen, war das einzige zivile von insgesamt vier Opfern, die direkt durch den Anschlag vom 20. Juli 1944 getötet wurden. Seine Tochter war zwei Jahre alt, als sie ihren Vater verlor. An dieser und anderen Geschichten zeigt sich, wie trotz unsagbar schmerzlicher Verluste Kraft und oft Verpflichtung zum persönlichen Engagement erwachsen können. 

Sophie von Bechtolsheim: „Stauffenberg – Folgen. Zwölf Begegnungen mit der Geschichte“, Herder Verlag, Freiburg 2021, gebunden, 224 Seiten, 20 Euro