28.03.2024

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Folge 06-22 vom 11. Februar 2022 / Justiz / Hier knallhart, dort mit „großer Milde“ / Ordnungswidrigkeiten werden unnachgiebig verfolgt, echte Straftäter dürfen mit Nachsicht rechnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-22 vom 11. Februar 2022

Justiz
Hier knallhart, dort mit „großer Milde“
Ordnungswidrigkeiten werden unnachgiebig verfolgt, echte Straftäter dürfen mit Nachsicht rechnen
Hermann Müller

Der TV-Moderator Günther Jauch selbst war es, der in seiner Quizsendung „Wer wird Millionär?“ einmal schilderte, welche Folgen eine nichtbezahlte Geldbuße in Deutschland haben kann. „Ich bin in Bayern mal zu schnell gefahren“ so der Moderator im Jahr 2020. „Bußgeld: 15 Euro. Dann haben die mir das nach Hause geschickt. Ich war aber umgezogen. Die Adresse stimmte einfach nicht mehr.“ 

Wie Jauch weiter berichtete, führte ein Amtshilfeersuchen aus Bayern schließlich dazu, dass zwei Tage vor Ablauf der Verjährungsfrist plötzlich zwei Brandenburger Polizisten in der Bußgeldsache vor seiner Haustür in Potsdam standen. Die Hartnäckigkeit des Staates, die der Fernsehmacher als Folge einer Ordnungswidrigkeit erlebt hat, ist keineswegs eine Ausnahme. Geht es um Steuerangelegenheiten, Rundfunkgebühren oder Bußgelder, dann zeigt die deutsche Obrigkeit noch immer eine bemerkenswerte Effizienz.

„Ersatzhaft“ nimmt sprunghaft zu

Im Fall von Günther Jauch dürfte die Begleichung des Bußgeldes kein Problem gewesen sein. Schon seit zehn Jahren steigt allerdings bundesweit die Zahl von Menschen, die ihre Bußgelder nicht bezahlen können oder wollen. Diesen Personen droht dann sogar eine Erzwingungshaft. Im Fall von nicht bezahlten Geldstrafen wandern jährlich zehntausende Personen zu sogenannten Ersatzhaftstrafen ins Gefängnis. Deutschlandweit belegen Personen, die eigentlich wegen verhältnismäßig kleiner Vergehen Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, inzwischen etwa zehn Prozent der regulären Haftplätze.

Im Kontrast dazu steht das Bild, das der deutsche Rechtsstaat oftmals dann liefert, wenn es um deutlich schwerere Straftaten, etwa um schwere Eigentums- oder Gewaltdelikte geht.

In Berlin sorgten vor Kurzem Berichte für Aufsehen, denen zufolge der Rapper Patrick L. wegen eines ganzen Bündels an Tatvorwürfen erneut vor Gericht erscheinen soll. Der Musiker war erst im März 2021 zu einer noch nicht rechtskräftigen Haftstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Bei dem Prozess war es um Vorwürfe wie versuchte Nötigung, Beleidigungen und Fahren ohne Fahrerlaubnis gegangen.

Dass sich die Richter im März vergangenen Jahres zu einer Bewährungsstrafe entschlossen, lag auch an einer günstigen Sozialprognose für den Rapper. Die Staatsanwaltschaft geht nun allerdings davon aus, dass L. bereits zwei Monate, nachdem er vergangenes Jahr vor Gericht stand, abermals straffällig wurde. Laut einem Bericht des Berliner „Tagesspiegels“ war er bereits in den Jahren 2005 bis 2018 in 13 Fällen strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Die Frage, wie der deutsche Rechtsstaat mit Personen umgeht, die in relativ kurzer Zeit mehrfach aktenkundig werden, wird sich Beobachtern möglicherweise auch in den kommenden Monaten bei dem Prozess zum Dresdner Juwelendiebstahl stellen. Angeklagt sind in dem Verfahren sechs Personen, die dem Remmo-Clan zugerechnet werden. Die Dresdner Richter werden in den kommenden Monaten auch die Frage klären müssen, ob einer der Angeklagten, Wissam Remmo, eine Verhandlungspause in zwei anderen Prozessen genutzt hat, um sich am 25. November 2019 am Einbruch ins Grüne Gewölbe zu beteiligen. In Berlin stand er damals wegen seiner Beteiligung am Goldmünzen-Diebstahl aus dem Bode-Museum vor Gericht. Zudem verhandelte das Amtsgericht Erlangen im November 2019 gegen ihn wegen eines anderen Einbruchs. Im Zusammenhang mit diesem Prozess berichtete seinerzeit „Nordbayern“, dass Wissam Remmo seit 2012 bereits mehrfach vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten gestanden hatte.

Ampel hält am bisherigen Kurs fest

„Neun Einträge, meist Diebstahl und Einbruch, hat er bereits.“ Weiter hieß es: „Arrest ordneten die Berliner Richter nur in einem Fall an, alle übrigen Urteile zeugen von großer Milde.“ Die starke Diskrepanz zwischen dem Vorgehen des Staates bei Ordnungswidrigkeiten und der oftmaligen Nachsicht bei schweren Straftaten ist keineswegs nur eine Berliner Besonderheit. In Schleswig-Holstein versagten Gerichte beispielsweise im Jahr 2020 nur bei 18 Prozent der zu Freiheitsstrafen verurteilten Gewalttäter eine Bewährung.

In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP im Abschnitt zur Inneren Sicherheit und zur Justiz angekündigt, „das Sanktionensystem einschließlich Ersatzfreiheitsstrafen, Maßregelvollzug und Bewährungsauflagen überarbeiten wir mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung“. Ohne in konkrete Details zu gehen, nennt die Ampel-Koalition auch eine Überprüfung und Modernisierung des Strafrechts als Ziel. Alle drei Parteien dürften dabei vermutlich eher eine weitere Liberalisierung und keine Verschärfung des Strafrechts im Sinn haben.