23.04.2024

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Folge 06-22 vom 11. Februar 2022 / Alterssicherung / Das Sterben der Pensionskassen / Warum sich für Deutschlands Arbeitnehmer Andrea Nahles’ sogenanntes Sozialpartnermodell als besonders tückisch erweist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-22 vom 11. Februar 2022

Alterssicherung
Das Sterben der Pensionskassen
Warum sich für Deutschlands Arbeitnehmer Andrea Nahles’ sogenanntes Sozialpartnermodell als besonders tückisch erweist
Norman Hanert

Mit der Berufung zur neuen Chefin der Bundesagentur für Arbeit hat Andrea Nahles die Rückkehr in die Spitzenpolitik geschafft. Die 51-Jährige wird sich allerdings darauf gefasst machen müssen, dass ihr Name in den kommenden Jahren auch immer wieder im Zusammenhang mit der Krise des Systems der betrieblichen Altersvorsorge genannt wird. 

Als Bundesarbeitsministerin hatte Nahles im Juni 2017 ein „Betriebsrentenstärkungsgesetz“ auf den Weg gebracht, mit dem sie diese Form der Zusatzversorgung attraktiver machen wollte. Eingeführt hatte die Große Koalition mit dem seit Anfang 2018 geltenden Gesetz unter anderem eine Pflicht für Unternehmen, sich an der betrieblichen Altersvorsorge ihrer Arbeitnehmer zu beteiligen. Im Bundestag hatte die SPD-Politikerin ihren Gesetzentwurf seinerzeit als „neue und attraktive Möglichkeiten für die zusätzliche Altersvorsorge, vor allem für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit geringerem Einkommen und in kleinen und mittelständischen Betrieben“ angepriesen.

Rücklagen in der Zinsfalle 

Inzwischen rutscht das System der Betriebsrenten in Deutschland immer tiefer in die Krise. Durch das Niedrigzinsumfeld wird es für eine Reihe von Pensionskassen immer schwieriger, die früher gegebenen Garantieversprechen noch einzuhalten. Verschärft haben das Problem strengere Regeln für die Kapitalanlage. Beide Faktoren haben dazu geführt, dass ein großer Teil des Kapitals, mit dem Pensionskassen Rendite erwirtschaften können, in Zinspapieren steckt, die derzeit nur wenig Ertrag abwerfen.

Aus Sicht von Frank Grund, dem Chef der Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), haben es die Pensionskassen in dieser Situation sogar noch schwerer als Lebensversicherer. Anders als diese können die Pensionskassen nämlich nicht auf andere Produkte ausweichen; zudem bieten sie ausschließlich lebenslange Garantien an.

Strenge Regeln für die Kapitalanlage

Als Folge dieser besonderen Lage stehen mittlerweile fast vierzig der rund 135 hierzulande aktiven Pensionskassen unter einer verschärften Beobachtung durch die Finanzaufsichtsbehörde. Kommentatoren in der Wirtschaftspresse sprechen sogar schon vor einem „Sterben der betrieblichen Altersvorsorgeeinrichtungen“. 

Letztes Opfer dieser Entwicklung ist die Deutsche Steuerberater-Versicherung, die Pensionskasse der steuerberatenden Berufe. Die BaFin hatte der Pensionskasse bereits Anfang 2020 die Geschäftserlaubnis entzogen, weil sie die Mindestkapitalanforderungen für das Versicherungsgeschäft nicht erfüllt sah. Der Vorstand der Kasse hatte dagegen zunächst Widerspruch eingelegt und geklagt, allerdings später die Klage nicht weiterverfolgt.

Damit befindet sich die Pensionskasse in Abwicklung. Sie darf noch bestehende Versicherungsverträge fortführen, allerdings keine neuen Verträge mehr abschließen. 

Ebenfalls im Jahr 2020 hatte die BaFin der Kölner Pensionskasse sowie der Pensionskasse der Caritas die Erlaubnis zum Betrieb des Versicherungsgeschäfts entzogen. Außer dieser sehr einschneidenden Maßnahme kann die BaFin Pensionskassen auch kürzere Berichtspflichten auferlegen oder aber Sanierungs- und Finanzierungspläne oder Leistungskürzungen in Bestandstarifen fordern. Nach Grunds Angaben ist eine ganze Reihe von Trägerunternehmen bereit, Geld in die Pensionskassen nachzuschießen, um Kürzungen der Betriebsrenten für ihre Mitarbeiter zu vermeiden. 

Risiken auf Arbeitnehmer abgewälzt

Ausdrücklich nicht vorgesehen sind solche Nachschüsse bei einem Betriebsrentenmodell, das erst vor wenigen Jahren mit dem „Betriebsrentenstärkungsgesetz“ neu in Deutschland eingeführt worden ist. Nahles hatte bei ihrer Reform den bis dahin existierenden Betriebsrentenmodellen wie etwa Pensionsfonds und Pensionskassen ein weiteres hinzugefügt, das sie als „Sozialpartnermodell“ bezeichnete. Unter dem Motto „pay and forget“ (zahle und vergiss) sieht dieses Modell bis auf die reine Beitragszusage eine vollständige Enthaftung des Arbeitgebers vor. Die Arbeitnehmer erhalten wiederum keine Garantie auf eine Rentenleistung; zugesagt wird ihnen lediglich, dass die eingezahlten Beiträge zu Rentenbeginn noch voll vorhanden sind.

Bereits vor der Einführung des „Sozialpartnermodells“ war auch aus der Branche selbst Kritik zu hören gewesen. Als Vorstandsvorsitzer der Dresdener Pensionskasse hatte beispielsweise Frank Oliver Paschen 2016 gewarnt: „Ein Novum ist sicherlich, dass mit Frau Nahles ausgerechnet eine Sozialdemokratin durch das Zielrentensystem bewährte Garantien für Arbeitnehmer abschafft und so sämtliche Risiken auf diese überwälzt.“