26.04.2024

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Folge 06-22 vom 11. Februar 2022 / Haydns Kaiserlied / Gegenstück zur Marseillaise

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-22 vom 11. Februar 2022

Haydns Kaiserlied
Gegenstück zur Marseillaise
Manuel Ruoff

„Ich spiele das Lied an jedem Morgen, und oft habe ich Trost und Ergehung daraus genommen in den Tagen der Unruhe. Mir ist herzlich wohl, wenn ich es spiele, und noch eine Weile nachher.“ Der Mann, der diese Worte sprach, war Joseph Haydn, und die von ihm komponierte Melodie, die er zu seiner Freude und Erbauung auf seinem Klavier spielte, wenn ihn Krankheit und Gebrechlichkeit des Alters quälten, war die des Deutschlandliedes. Als Haydn diese Melodie 1796/97 schuf, war der Texter des Deutschlandliedes, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, noch nicht einmal auf der Welt. 

Die Haydn-Melodie war eine Auftragsarbeit für den römisch-deutschen Kaiser Franz II. Nachdem der Nationalkonvent des revolutionären Frankreich 1795 die Marseillaise zum „französischen Nationalgesang“ (chant national) erklärt hatte, wünschte der Habsburger eine sogenannte Volkshymne. Mit dem Text wurde der österreichische Lyriker Lorenz Leopold Haschka betraut. Zwischen dem Oktober 1796 und dem Januar 1797 vertonte Haydn den Text auf Vorschlag des österreichischen Politikers, Kaiserberaters und Grafen Franz Josef von Saurau.

Das Ergebnis der Arbeit von Haschka und Haydn stellte nicht nur eine Entsprechung der Marseillaise als erhabenes Staatssymbol dar, sondern auch einen Gegenpol. Das gilt zum einen für den Text, den Haschka 1796 verfasste. Sein „Gott! erhalte Franz, den Kaiser“, so der Titel seiner Hymne, stellte den Monarchen und die Anhänglichkeit seines Volkes in den Mittelpunkt. 

Es gilt aber auch für die Melodie. Wie der Text stellte auch sie einen Kontrapunkt zur Marseillaise dar. Ist die von Claude Joseph Rouget de Lisle komponierte Melodie schmissig und aufwühlend, so ist die Haydn-Hymne getragen und ruhig. In dieser Zeit schuf Haydn sechs Streichquartette, die er dem Grafen Erdődy widmete und die 1799 veröffentlicht wurden. Eines dieser Quartette enthält im zweiten Satz vier Cantus-firmus-Variationen über die Melodie von „Gott! erhalte Franz, den Kaiser“. Sie gaben dem Quartett seinen Namen: Kaiserquartett.

Vor 125. Jahren, am 12. Februar 1797, dem 29. Geburtstag des Kaisers, hatte „Gott erhalte Franz, den Kaiser“ ganz große Premiere. In allen Wiener Theatern wurde die Hymne gesungen, im Burgtheater sogar in Anwesenheit des Herrschers. Letzterer war angetan. Er schenkte Haydn eine Dose mit seinem Bildnis.

Die Melodie von Haydn ist zeitlos. Der Text von Haschka war es nicht. 1826 wurde das sogenannte Kaiserlied offizielle Kaiserhymne des Kaisertums Österreich, allerdings mit einem von unbekannter Hand variierten Text. Im Gegensatz zur Melodie erlebte der Text der Hymne noch manche Veränderung, was auch daran lag, dass der Name des Kaisers sich bis Karl I. dreimal änderte. 

1918 war mit dem Kaisertum und damit auch mit der Kaiserhymne Schluss. Inzwischen war die Melodie der Kaiserhymne mit dem Text Hoffmann von Fallerslebens auch im Deutschen Reich populär geworden. So wurde die Haydn-Melodie zu einem verbindenden Element von Deutschen in Österreich und dem Reich.