24.04.2024

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Folge 06-22 vom 11. Februar 2022 / Duisburg / Am westlichen Ende der Seidenstraße / Im größten Binnenhafen Europas endet die direkte Eisenbahnverbindung mit China – 60 Züge im Jahr werden hier abgefertigt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-22 vom 11. Februar 2022

Duisburg
Am westlichen Ende der Seidenstraße
Im größten Binnenhafen Europas endet die direkte Eisenbahnverbindung mit China – 60 Züge im Jahr werden hier abgefertigt
Andreas Rüdig

Der Duisburger Hafen gilt nach den Worten seiner Betreibergesellschaft „duisport – Duisburger Hafen AG“ als Pionier im Schienenverkehr zwischen Asien und Europa. Die erste regelmäßige Zugverbindung zwischen der chinesischen Metropole Chongqing und Duisburg gibt es seit dem Jahre 2012; im Jahre 2014 kam der Yuxinou-Zug als erste direkte und dauerhafte Zugverbindung zwischen Deutschland und dem Reich der Mitte hinzu. 

Vor Corona verkehrten 35 bis 40 Züge wöchentlich zwischen Duisburg und verschiedenen Zielen in China. Die Corona-bedingten Einschränkungen (wie beispielsweise die Abriegelung einzelner Provinzen in China) führten zu einem kurzzeitigen Rückgang im Eisenbahnverkehr, der sich seit April 2020 aber wieder auf 60 Züge im Jahr deutlich belebt hat.

Ein sichtbares Zeichen dafür: Die China Railway Container Transport Europe Logistics GmbH hat ihre offizielle europäische Niederlassung in Duisburg eröffnet. Duisburg ist Logistikstandort. Güter und Waren, die hier eintreffen, können nicht nur in das Hinterland verteilt, sondern auch bequem per Flugzeug und Schiff weitergeschickt werden.

Man kann zu China stehen, wie man möchte – der Hafen ist auch dank der ostasiatischen Volksrepublik zu einem Standortvorteil, Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber geworden. Und mit diesem expandierenden Pfund wuchert auch die Stadt Duisburg.

Seit dem Jahre 1905 zu Duisburg gehörend, liegt Ruhrort an der Mündung der Ruhr in den Rhein. Das sind ideale Voraussetzungen für den Duisburger Hafen. Seine Geschichte reicht bis in das Jahre 1715 zurück. Damals fasste der Magistrat von Ruhrort den Beschluss, ein Hafenbecken zu bauen. Die dazugehörigen Baumaßnahmen begannen noch im Herbst desselben Jahres.

Sitz von 120 chinesischen Firmen

Mit einer Gesamtfläche von zehn Quadratkilometern ist der Duisburger Hafen, der entscheidend erweitert wurde, als er zur preußischen Rheinprovinz zählte, der größte Binnenhafen der Welt. 131 Millionen Tonnen Güter pro Jahr wurden hier zuletzt bewegt. Mehr als 20.000 Schiffe (2000 davon flussgängig) und 25.000 Züge steuern den Hafen jährlich an. Ihre Reichweite reicht vom Ruhrgebiet und Ostwestfalen bis zu den Häfen Europas und Asiens. Die Logistik ist also ein Wirtschaftsfaktor für den örtlichen Wirtschaftsstandort. Davon kann sich der Besucher im Rahmen von Hafenrundfahrten inzwischen ein eigenes Bild machen.

Und er kann beobachten, wie trotz der relativ kurzen Corona-Flaute emsig Container im Hafen umgeschlagen werden. Denn Duisburg profitiert davon, seit 2012 an die „Neue Seidenstraße“ angeschlossen zu sein. Die Zugverbindung von Duisburg in die chinesische Metropole Chongqing mit ihren 32 Millionen Einwohnern ist über 11.000 Kilometer lang. 

Duisburg sieht sich als Eingangstor für chinesische Unternehmen, die im Ruhrgebiet investieren möchten. Schon 120 Firmen aus China haben hier ihre Adresse. Doch auch für deutsche Firmen ist der ostasiatische Markt zunehmend interessant. Deutsche Produkte stehen für beste Qualität und lange Haltbarkeit. Das ist auch in China bekannt, weshalb die Nachfrage dort nach Produkten aus Deutschland in den vergangenen Jahren stark steigend verlief.

Symbiose mit der Kultur

Mit Haniel kann Ruhrort ein Traditionsbetrieb vorweisen. Im Jahre 1759 von Franz Haniel gegründet, befindet sich das Unternehmen auch heute noch fest im Familienbesitz. Das Recycling und der Handel mit Rohstoffen für die Edelstahlindustrie gehört genauso zum Portfolio wie Fischverarbeitungssysteme oder die Vermietung und der Verkauf von Berufsbekleidung sowie Waschraumhygiene, um nur einen kleinen Einblick in die Firmenaktivitäten zu bieten. Mit dem Franz-Haniel-Museum stellt das Unternehmen seine eigene Geschichte aus. Es ist im ältesten Gebäude Ruhrorts, dem ehemaligen Wohnhaus und Gründerhaus des Unternehmens Haniel, untergebracht.

Abseits der Wirtschaft ist die Kultur inzwischen zum zweiten Standbein des Stadtteils Ruhrort geworden. Es gibt nicht nur die Mühlenweide als Veranstaltungsort am Rhein, die Rheinorange (eine Skulptur von Lutz Fritsch) und das Echo des Poseidon (eine Großskulptur von Markus Lüpertz). Nein, denn mit dem Radiomuseum und dem Museum der Deutschen Binnenschifffahrt gibt es auch die sogenannte Hochkultur.

Das Binnenschifffahrtsmuseum ist im örtlichen Schwimmbad untergebracht. Das Museum gibt es seit dem Jahre 1979; am jetzigen Standort befindet es sich seit dem Jahre 1996. Sowohl im ehemaligen Herrenschwimmbad wie auch in seinem Gegenstück für die Damen stellt die Dauerausstellung das Leben an Bord sowie die Bedeutung der Binnenschifffahrt und des Duisburger Hafens vor. Prunkstück ist dabei eine sogenannte Tjalk, ein niederländisches, einmastiges Segelschiff, die im Herrenbad in Originalgröße ausgestellt ist. 

Das Kreativquartier Ruhrort wurde – als Initiative – im Jahre 2010 ins Leben gerufen. Es ist ein Zusammenschluss von Künstlern, Kulturschaffenden, Kreativwirtschaftlern, Intellektuellen und anderen Kreativen, aber auch Geschäftsleuten und Unternehmen, die sich kulturell im Stadtteil engagieren möchten. Die Anlaufstelle befindet sich im evangelischen Gemeindehaus in der Dr.-Hammacher-Straße. Dort finden regelmäßig Konzerte, Ausstellungen und andere Veranstaltungen statt. Das Kreativquartier gilt als Überbleibsel der Kulturhauptstadt Europas, als die Duisburg 2010 mit dem Ballungsraum Ruhrgebiet auftrat.

Wie an einem Nabel der Welt

Mit der Schifferbörse und dem Café Kaldi gab es auch eine Zeit lang durchaus ansprechende Gastronomie. Die Schifferbörse wurde schon im Jahr 1901 eingeweiht und war damals eine Art Ordnungsfaktor, die den freien Warenhandel auf dem Rhein regulieren sollte. Die Geschäfte wurden zuvor auf offener Straße abgewickelt. Die Schiffer wurden dabei häufig durch überteuerte Frachtraten über das sprichwörtliche Ohr gehauen. Woran es gelegen hat, dass sich beide Restaurationen trotz hoher Qualität schon vor Corona-Zeiten nicht halten konnten, sei einmal dahingestellt.

An der Seidenstraße kann es nicht liegen. Die sorgt im Hafen für Belebung und auch dafür, dass die durch die Störung des globalen maritimen Containerverkehrs empfindlich getroffenen Lieferketten auf dem europäischen Binnenmarkt nicht vollständig einbrechen. Es ist gewiss nur ein Tropfen auf den heißen Stein, was in Duisburg ankommt. Denn ein Güterzug von und nach China kann nur einen Bruchteil der Container transportieren, die heute von den Schiffscontainerriesen befördert werden. 

Während täglich in Rotterdam, Antwerpen oder Hamburg Dutzende Schiffe anlegen, kann auf der Seidenstraße nur eine begrenzte Anzahl Züge mit Containern verkehren, da die Eisenbahnstrecke zugleich auch von anderem Güter- und Passagierverkehr frequentiert wird. Doch weil der Zug viermal so schnell wie ein Frachter unterwegs ist, fühlen sich die Duisburger mit ihrem Hafen am Nabel der Welt – und das nicht ganz zu Unrecht.