26.04.2024

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Folge 06-22 vom 11. Februar 2022 / Archäologie / Die frommen Wanderer von der Weser / In Bremen finden sich Spuren mittelalterlicher Pilger – Auf einer Baustelle entdeckte man jetzt ihre Pilgerzeichen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-22 vom 11. Februar 2022

Archäologie
Die frommen Wanderer von der Weser
In Bremen finden sich Spuren mittelalterlicher Pilger – Auf einer Baustelle entdeckte man jetzt ihre Pilgerzeichen
Dagmar Jestrzemski

In Bremen hat sich die Baustelle an den Weserarkaden als einmalige archäologische Schatzkiste erwiesen. Nach jahrelanger Sperrung der Arkaden an der Uferpromenade Schlachte wurde die Rückwand des 125 Meter langen Arkadengangs ab November 2020 aufwendig mit Stahlbetonpfählen und einem neuen Betonfundament stabilisiert. Demnächst sollen die Schäden am Gemäuer des historischen Bauwerks repariert werden. 

Im Gleichschritt mit den Bauarbeiten erfolgte bis Anfang September die Bergung von Tausenden archäologischen Funden aus dem 13. bis zum 19. Jahrhundert. Dabei gab es auch seltene Pilgerzeichen, von denen einige Bezüge zum alten Brandenburg aufweisen.

Die heutige, mit Sandstein verblendete Hochwasserschutzwand hinter den Arkaden diente bereits im 16. Jahrhundert als Uferschutzmauer und war zugleich Anleger für Handelsschiffe und Fischereiboote. 1857 wurden in diesem Teil des Hafens die Packhäuser abgerissen, um mit den davor gebauten Arkaden den Unterbau für eine Kranbahn zu schaffen. 

Auf den Waggons gelangte die Schiffsfracht zu den dahinterliegenden Zollschuppen. 1913 wurde die Promenade vor dem Arkadengang verbreitert. Es entstand eine genietete Spundwand, der heutige Anleger des Theaterschiffs. In den letzten Jahren hatte sich die Rückwand der Arkaden immer mehr nach vorn in Richtung Weser geneigt, und es zeigten sich Risse in den Rundbögen. 

Vor der Stabilisierung des Fundaments wurden die Bolzen und Muttern aus der Rückverankerung der Stützwand entfernt, die in den 1960er Jahren bis unter die Straße tiefer angelegt worden war. Die darunterliegenden Sandschichten wurden bis 2,70 Meter tief aufgegraben. Mit Unterstützung von ehrenamtlichen Helfern legten die Grabungsteams Holzpfahlgründungen einer früheren Schiffsanlegestelle frei und durchsuchten den aufgeschütteten, mit mittelalterlichem Hausmüll durchmischten Sand. Dabei kam eine unerwartet reichhaltige Ausbeute an Fundstücken ans Tageslicht. 

Viele Gegenstände dürften versehentlich in die Weser oder in eine Kloake gefallen sein. Das Gros der Objekte wird dem 14. und 15. Jahrhundert zugeordnet. Zahlreiche Gegenstände erzählen vom Handel und Wandel in der Hansestadt und von Fernreisen, die aus geschäftlichen und religiösen Gründen unternommen wurden. Aus dem Besitz von Händlern und Kaufleuten stammen einige für die Hansezeit typische Nierendolche, Warenplomben, Siegelstempel, Schreibwerkzeuge und Waagschalen. Die bisher bestimmten Silbermünzen wurden in Frankreich, Münster und Osnabrück geprägt. Gürtelschnallen, Schmuck und eine Schleiernadel gehörten zur Frauentracht. Zahlreiche Kalfaterklammern, Netzsenker aus Blei und Ton, Angelhaken sowie eine Reuse aus Weidengeflecht sind Relikte der Schifffahrt und der Fischerei. 

Zu den herausragenden Funden zählen über 20 Pilgerzeichen aus Aachen, Köln, Trier und dem brandenburgischen Wilsnack. Die kleinen Plaketten aus Zinn und Blei wurden in den Wallfahrtsorten verkauft und von den Pilgern am Hut oder an der Kleidung getragen. Es sind seltene Überreste der Hochkonjunktur spätmittelalterlicher Frömmigkeit in der damals römisch-katholischen Bischofsstadt Bremen.