26.04.2024

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Folge 07-22 vom 18. Februar 2022 / Sicherheitspolitik / Die Gefahr eines Krieges im Osten scheint vorerst abgewendet / Letzte Meldungen verkünden einen Abzug der russischen Truppen aus der Krisenregion. Der Fortgang des Konflikts ist nicht vorherzusagen. Vorsicht ist vor allem im Hinblick auf die Propaganda aller Seiten geboten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-22 vom 18. Februar 2022

Sicherheitspolitik
Die Gefahr eines Krieges im Osten scheint vorerst abgewendet
Letzte Meldungen verkünden einen Abzug der russischen Truppen aus der Krisenregion. Der Fortgang des Konflikts ist nicht vorherzusagen. Vorsicht ist vor allem im Hinblick auf die Propaganda aller Seiten geboten
René Nehring

Noch ist nicht sicher, wie die bedrohliche Zuspitzung an der russisch-ukrainischen Grenze am Ende ausgehen wird. Nachdem es in den vergangenen Tagen wiederholt Berichte über einen unmittelbar bevorstehenden Angriff Russlands auf die Ukraine gab und die Regierungen der USA und Deutschlands ihre Staatsbürger in der Krisenregion sogar aufforderten, diese zu verlassen, gab es am Dienstag dieser Woche plötzlich die Meldung über einen Abzug russischer Truppen von der gemeinsamen Grenze. 

Offenbar hat die Pendeldiplomatie verschiedener Regierungen in den vergangenen Tagen Wirkung gezeigt. So telefonierten Anfang der Woche US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin miteinander. Bundeskanzler Olaf Scholz reiste zunächst am Montag nach Kiew, am Dienstag dann nach Moskau. Bei aller gebotenen Vorsicht sieht es also so aus, als könnte ein Krieg im Osten Europas vermieden werden. 

Das erste Opfer ist die Wahrheit

Wie der seit 2014 schwelende Konflikt langfristig ausgehen wird, weiß indes niemand. Gleichwohl – oder gerade deshalb – ist es immer wieder geboten, die Entwicklungen kritisch zu analysieren und dabei die Aussagen der Kriegsparteien ebenso zu hinterfragen wie deren Interpretation in den Medien. In jedem kalten oder heißen Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer. Zur Mahnung sei daran erinnert, wie US-Dienste 2001 ihren eigenen, über alle Lager hinweg angesehenen Ex-General und Außenminister Colin Powell ins offene Messer laufen ließen, als sie ihn vor der UNO falsche Beweise über angebliche irakische Massenvernichtungswaffen präsentieren ließen. Und in Russland rief Präsident Putin nach der Geiselnahme von Beslan im September 2004 ein Programm „zur Verbesserung des russischen Ansehens im Ausland“ ins Leben.

Auch im aktuellen Konflikt wird die Öffentlichkeit von allen Seiten mit Informationen und Desinformationen übersäht, die schwer zu bewerten sind. So warnten Vertreter der US-Regierung und der CIA vor wenigen Tagen die Verbündeten vor einem Angriff Moskaus auf die Ukraine noch in dieser Woche. Dabei sagten sie unter anderem, dass ihnen Erkenntnisse über konkrete Routen und Aufgaben russischer Einheiten für die Invasion vorlägen, und nannten als Datum für den Beginn der Invasion den 16. Februar. Dass dies höchst unplausibel ist, ergibt sich nicht nur daraus, dass die US-Amerikaner keinerlei Beweise vorlegten, sondern auch aus dem Umstand, dass im fernen Peking gerade die olympischen Winterspiele stattfinden – und ein kriegerischer Akt Russlands während der Spiele eine beispiellose Brüskierung seines strategischen Partners China wäre. 

Auch sonst gibt es in diesem Konflikt Punkte, die zu hinterfragen wären. So wird in den Medien seit Wochen darüber berichtet, wieviel russische Soldaten in der Krisenregion aufmarschiert sind. Die Rede ist von 100.000 Mann im eigenen Grenzgebiet sowie seit Beginn eines Manövers mit Weißrussland weitere 30.000 Soldaten in dem nördlichen Nachbarland der Ukraine. Über die Kontingente anderer Armeen hören wir wenig. Die Preußische Allgemeine Zeitung erfuhr aus Sicherheitskreisen, dass die Ukraine rund 125.000 Mann im Donbass stationiert haben soll. 

Interessenlagen

Zu den Auffälligkeiten, über die kaum jemand spricht, gehören auch die Forderungen aus dem In- und Ausland, endlich die Ostseepipeline Nord Stream 2 einzustellen. Denn wenn das Projekt tatsächlich eingestellt würde, müssten Deutschland und andere europäische Länder mangels Alternativen ihr Öl und Gas weiterhin in Russland einkaufen – nur dass die Rohstoffe dann nicht mehr durch die Ostsee flössen, sondern durch die Ukraine und Polen. Woran sich jedoch keiner der Nord Stream-Kritiker stört. 

Mindestens ebenso bedenkenswert ist der Umstand, dass die US-Amerikaner parallel zu ihrer jahrelangen Kritik an der europäischen Abhängigkeit von russischen Rohstoffen keine Probleme damit hatten, die eigenen Importe aus dem „Reich des Bösen“ zu steigern. So ist Russland inzwischen zweitgrößter Erdöl-Lieferant der ernergiehungrigen USA.    

Auf jeden Fall war die Bundesregierung bislang gut beraten, in dem Konflikt zurückhaltend zu bleiben. Albern hingegen war die Lieferung von 5000 Helmen an die Ukraine – über die sich allenfalls die militärischen Führer vor Ort totlachen – und ein lächerliches Pullover-Bild, das der Kanzler im Flieger nach Washington von sich schießen ließ. 

Wie es in dem Konflikt mittel- und langfristig weitergeht, weiß freilich niemand. Am Sonntag, den 20. Februar, enden nicht nur die Spiele von Peking, sondern auch das russische Manöver in Weißrussland. Dann wird sich zeigen, ob Moskau seine Truppen abzieht – oder tatsächlich den Konflikt forciert. Das jüngste Gerücht über die Entwicklung der nächsten Tage lieferten britische Sicherheitskreise, die berichteten, dass ihnen ein Plan zugespielt worden sei, nach dem russische Kräfte in die Ukraine eindringen sollen, um im in Kiew eine Moskau-freundliche Regierung zu installieren. 

Ein kluger Ratgeber mit Blick auf all die Meldungen dieser Tage ist indes die 1784 von dem Königsberger Immanuel Kant zum Leitspruch der Aufklärung erhobene Forderung: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“