08.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 07-22 vom 18. Februar 2022 / Kolumne / Keine Wahl

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-22 vom 18. Februar 2022

Kolumne
Keine Wahl
Vera Lengsfeld

Als ich noch Bundestagsabgeordnete war, waren die Bundespräsidenten-Wahlen so etwas wie ein politischer Höhepunkt. Ich habe tatsächlich erlebt, dass die Delegierten etwas zu entscheiden hatten, auch wenn das heute nur noch schwer vorstellbar ist. Ich erinnere mich an Johannes Raus enttäuschtes Gesicht auf der Tribüne des Reichstags, als er Roman Herzog bei der Abstimmung unterlag. 

Damals war die SPD in der Opposition und stellte selbstverständlich einen eigenen Kandidaten auf. In den Medien und in der Union hatte es im Vorfeld heftige Debatten gegeben, als deren Ergebnis der Favorit von Bundeskanzler Helmut Kohl, der sächsische Innenminister Steffen Heitmann, zurückgezogen und durch Herzog ersetzt wurde. Rau schaffte es beim zweiten Anlauf, als Herzog nicht mehr antrat. 

Spannung kam auch auf, als Joachim Gauck von SPD und Grünen gegen den Kandidaten von Union und FDP aufgestellt wurde. Ich gehörte damals zu den Mitbegründerinnen von „Christdemokraten für Gauck“, weil ich die Hoffnung hatte, dass er ein Präsident der Bürger werden würde. „Gebt die Wahl frei“ – dieser Slogan der Gauck-Anhänger überzeugte mich. Dafür wurde ich von Teilen der Partei als Verräterin angesehen. Gauck unterlag dem glücklosen Christian Wulff, der vorzeitig aus dem Amt scheiden musste. 

Das hinderte die Union nicht, ihn bei der nächsten Wahl als ihren Kandidaten aufzustellen. Gauck wurde nicht der Präsident der Bürger, sondern des politischen Establishments. Eine Tradition, die der alte und neue Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fortsetzt. Beide Amtsinhaber fielen durch spalterische Attacken gegen die unbotmäßige Bevölkerung auf. Gauck denunzierte die neuen Bundesländer als „Dunkeldeutschland“, Steinmeier bewarb linksradikale Musikgruppen und behauptete, Spaziergänge hätten ihre Unschuld verloren, weil Regierungskritiker, denen neuerdings ihr verfassungsmäßiges Recht auf Demonstrationen versagt wird, stattdessen still spazieren gehen. Wer gegen die Demokratie sei, habe ihn zum Gegner, formulierte Steinmeier. Wobei er mit Demokratie Gehorsam gegenüber der Regierung meint.