16.04.2024

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Folge 07-22 vom 18. Februar 2022 / Zweiter Weltkrieg / Als die USA Japanischstämmige in Konzentrationslager steckten / Mit dem Erlass der Civilian Exclusion Order No. 1 des Western Defense Command begann vor 80 Jahren die zweitgrößte Massenvertreibung in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-22 vom 18. Februar 2022

Zweiter Weltkrieg
Als die USA Japanischstämmige in Konzentrationslager steckten
Mit dem Erlass der Civilian Exclusion Order No. 1 des Western Defense Command begann vor 80 Jahren die zweitgrößte Massenvertreibung in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika
Wolfgang Kaufmann

Zwischen 1869 und 1924 wanderten knapp 400.000 Japaner aus ihrem Heimatland aus, um sich in den USA niederzulassen. Diese Immigranten der ersten Generation (Issei) hatten unabhängig davon, wie lange sie in Amerika lebten und wie gut sie sich integriert hatten, keinen Anspruch auf Einbürgerung. Dahingegen erhielten die in den Vereinigten Staaten geborenen Kinder (Nisei) und Enkel (Sansei) der Einwanderer der ersten Generation automatisch die US-Staatsbürgerschaft. 

Die meisten der japanischen Einwanderer und ihrer Nachkommen siedelten in den Bundesstaaten entlang der US-Westküste oder auf Hawaii und betrieben vor allem Landwirtschaft. Damit standen sie in Konkurrenz zu den weißen Farmern, welche die „Gelben“ gerne vertrieben hätten.

Auch behördlicherseits wurden die Immigranten argwöhnisch beobachtet, so beispielsweise durch die Bundespolizei FBI und die beiden Militärgeheimdienste Military Intelligence Division (MID) und Office of Naval Intelligence (ONI). Ab August 1936 begann das ONI auf Geheiß von Präsident Franklin D. Roosevelt, Listen von angeblich gefährlichen Japanischstämmigen zu erstellen, die im Falle eines Konflikts mit dem Inselreich in „Konzentrationslager“ (concentration camps) zu verbringen seien. 

Dabei gab es keinerlei Grund, an der Staatstreue der Immigranten der ersten, zweiten und dritten Generation zu zweifeln. Das geht unter anderem aus einem von Roosevelt persönlich in Auftrag gegebenen Bericht von Curtis Munson hervor, der dem Kabinett in Washington genau einen Monat vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor vorlag. Darin schrieb der Sonderbeauftragte des Außenministeriums über die japanischen Einwanderer in den USA, es herrsche „ein bemerkenswertes, sogar außergewöhnliches Maß an Loyalität unter dieser allgemein suspekten ethnischen Gruppe“. Munsons Einschätzung bestätigten wenig später auch das FBI und das ONI.

„Ein Jap ist ein Jap“

Allerdings wuchs nach der japanischen Attacke auf die US-Pazifikflotte die Angst vor einer Invasion an der Westküste der Vereinigten Staaten. Deshalb wurden die Rufe nach Maßnahmen gegen die „Japs“ im eigenen Land immer lauter. So schrieb die „Los Angeles Times“: „Eine Viper ist trotzdem eine Viper, wo immer sie aus dem Ei geschlüpft ist.“ Also sollte man die japanischen Einwanderer und deren Nachkommen „allesamt als potentielle Feinde behandeln … so lange wir uns im Krieg mit ihrer Rasse befinden.“ Genau so sah dies auch Lieutenant-General John Lesesne DeWitt, der Chef des Western Defense Command (WDC), dem die Verteidigung der US-Pazifikküste oblag: „Ein Jap ist ein Jap … Ich möchte keinen von ihnen hier haben. Sie sind gefährliche Elemente.“

Daraus resultierten Forderungen nach der Internierung aller Personen, die auch nur „einen Tropfen japanischen Blutes in sich haben“. Diesen schloss sich am 13. Februar 1942 der Unterausschuss des Kongresses für Ausländer und Sabotage an. Daraufhin autorisierte der US-Kriegsminister Henry Stimson vier Tage später DeWitt, „Evakuierungen in dem Umfang durchzuführen, den er für notwendig hält“, um wichtige Einrichtungen im Bereich des WDC zu schützen. 

Dem folgte am 19. Februar die von Präsident Roosevelt erlassene Executive Order 9066, mit der er Stimson und die diesem unterstellten militärischen Befehlshaber ermächtigte, zum „Schutz vor Spionage und Sabotage … militärische Gebiete … festzulegen, … aus denen einige oder alle Personen ausgewiesen werden können“. Daraufhin richtete DeWitt am 4. März zwei Sperrzonen ein: Das Militärische Gebiet Nr. 1, das aus der südlichen Hälfte von Arizona und der westlichen Hälfte von Kalifornien, Oregon und Washington sowie ganz Kalifornien südlich von Los Angeles bestand. Und das Militärische Gebiet Nr. 2, das den Rest des Territoriums der genannten Staaten umfasste.

Rund 112.000 Gefangene

Anschließend unterzeichnete Roosevelt am 21. März 1942 das Public Law 77-503, mit dem jedweder Verstoß von Zivilisten gegen militärische Anordnungen zur Straftat erklärt wurde. Architekt dieses Gesetzes war Colonel Karl Bendetsen, der seit dem 11. März an der Spitze der War­time Civil Control Administration (WCCA) des WDC stand. Diese Behörde sollte die Zwangsumsiedlung und Internierung der Japaner in Lagern organisieren.

Die größte Massenvertreibung in der Geschichte der USA nach der Deportation der Indianer in Reservate begann am 24. März 1942 mit dem Erlass der Civilian Exclusion Order No. 1 des WDC bezüglich der „Evakuierung“ von 227 japanischstämmigen Amerikanern von Bainbridge Island (Washington). Die Transporte dauerten bis zum August des Jahres. Dann befanden sich rund 112.000 Personen, darunter 30.000 Kinder, in den zehn War Relocation Centers der WCCA, die im März 1943 von der zivilen War Relocation Authority (WRA) abgelöst wurde. Von den Festgehaltenen besaßen etwa 80.000 die US-Staatsbürgerschaft, der Rest lebte zumeist seit zwei bis vier Jahrzehnten im Lande. 

Auf Flüchtige wurde geschossen

Die Bedingungen in den Lagern waren schlecht. Außerdem wurde bei Fluchtversuchen geschossen. Daher kam es zu zahlreichen Todesfällen. Angesichts dessen ist es durchaus angebracht, von Konzen­trationslagern zu sprechen, so wie dies auch der ehemalige US-Präsident Harry S. Truman 1961 in einem Interview tat.

Am 18. Dezember 1944 entschied der oberste Gerichtshof der USA, dass die Ausweisungen aus den militärischen Sperrgebieten rechtens seien, nicht aber die Inhaftierung von zwangsumgesiedelten US-Staatsbürgern gleich welcher Herkunft. Daraufhin setzte Roosevelt die Executive Order 9066 außer Kraft. Anschließend kamen die Lagerinsassen wieder frei. Wegen der erlittenen Schäden an Eigentum und/oder Gesundheit waren viele von ihnen aber nicht mehr in der Lage, ihr gewohntes altes Leben fortzusetzen.

Im Dezember 1982 gelangte eine von Präsident James E. Carter eingesetzte Untersuchungskommission zu dem Schluss, dass das Vorgehen gegen die japanischstämmigen Amerikaner die Folge von „Rassenvorurteilen, Kriegshysterie und einem Versagen der politischen Führung“ gewesen sei. Deshalb wurden bis Ende 1992 Entschädigungen in Höhe von insgesamt 1,6 Milliarden US-Dollar an die noch lebenden Betroffenen gezahlt.