28.03.2024

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Folge 07-22 vom 18. Februar 2022 / Erinnerungen / Damals, als die Winter noch weiß waren / Das Stettiner Umland war das wahre Winterparadies

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-22 vom 18. Februar 2022

Erinnerungen
Damals, als die Winter noch weiß waren
Das Stettiner Umland war das wahre Winterparadies
Brigitte Klesczewsky

Um die Natur und das Klima hat man sich damals keine Sorgen gemacht. Im Sommer gab es oft hitzefrei in der Schule, der Winter brachte immer genug Schnee zum Rodeln und Skilaufen, festgefrorene Seen zum Schlittschuhlaufen und wunderschöne Eiszapfen, die an den Türen und Fenstern hingen. So manches Kind brach sich einen Eiszapfen zum Lutschen ab. Am Morgen hatte der Frost Eisblumen auf die Fensterscheiben gezaubert. Das forderte geradezu auf, ein Loch zum Herausgucken in die Scheibe zu hauchen.

Es soll von Winterfreuden besonders aus dem Großraum Stettin, Wald-Dievenow an der Ostsee und um Karnkewitz in Hinterpommern berichtet werden. Für die Stettiner waren der Eckerberger Wald und ein Abhang mit Buckel am Glam­becksee die Rodelparadiese. Dieser See fror meistens nur am Rand zu. Die Buchheide wurde von den Städtern häufig zum Skiwandern aufgesucht. Wenn es der Zufall wollte, ließen sich die Skiläufer gern von den vom Einkauf heimkehrenden Bauern im Pferdeschlitten von der Försterei Hökendorf bis zur Kreuzung Kolow- Binow-Podejuch mitnehmen oder hochziehen. 

Auch für die Stettin-Hökendorfer war die Buchheide und besonders der Kuhberg, eine Koppel des Dohrnschen Gutes hinter der Mittelmühle das Ziel für Winterbegeisterte. Zum Schlittschuhlaufen lud die Wendtsche Kiesgrube Anfänger auf ihrem See ein. Der Rötpfuhl dagegen zeigte schon Paarläufer und Pirouetten drehende Schlittschuhläufer. Mindestens einmal im Jahr zog eine Rodelschlittenkette durch diesen Ort an der Buchheide. Ein Pferdeschlitten des Gutes Dohrn oder eines Bauern beförderte die Rodler vom Denkmal bis zum Buchheiderand.

Hinterpommern hat Heinrich Eugen von Zitzewitz treffend gemalt. Auf seinem Bild fallen Schneeflocken auf einen Bauernhof, auf dem ein Pferdeschlitten vor dem Bauernhaus einfährt und ein Schneemann fröhlich seine Karottennase zeigt. Der heimkehrende Bauer wird von seinem Hund laut bellend begrüßt. Dieses Bild hängt in unserem Wohnzimmer.

Im Winter fanden bis Mitte des Krieges auch Jagden in Hinterpommern statt. Dabei sollen die Schneeballschlachten nicht unerwähnt bleiben, die oft nach der Schule auf dem Heimweg stattfanden. Schnellballwerfen war auf dem Schulhof verboten.

Eine Woche vor Fastnacht rüsteten die Mädchen und Jungen etwa bis zwölf Jahren zur jährlichen Hamstertour. Die Mädchen wandten viel Zeit für ihre Verkleidung auf, um ja nicht erkannt zu werden. Die Jungen dagegen zogen sorgloser mit einem Beutel für die Gaben durchs Dorf. Mit den allbekannten Versen erbaten sie sich eine süße oder schmackhafte Gabe.

Winterereignisse

Der Winter 1928/1929 war extrem kalt. Von diesem Winter wurde oft von der damaligen Elterngeneration den Kindern berichtet. Schon zu Beginn der zweiten Neujahrswoche 1929 zeigte das Thermometer elf Grad Kälte, am 3. Februar 

21 Grad und am 10. Februar 25 Grad minus. Und diese Kälte hielt an. Die Ostsee hatte schon so manchen Kälteeinbruch erlebt, dieser aber schlug alle Rekorde.

Im September 1933 war der Stapellauf des Eisbrechers „Stettin“. Er wurde zum Flaggschiff der Stettiner Eisbrecher-Flotte, deren Aufgabe es war, die Fahrrinne auf der Oder zwischen Stettin und der Ostsee vom Eis zu befreien, es aufzubrechen. Sie nahmen auch größere Schiffe in Schlepp. Im März 1945 brachte der Eisbrecher „Stettin“ 500 Flüchtlinge nach Kiel und hatte noch ein manövrierunfähiges Schiff mit Flüchtlingen zu ziehen. Der Eisbrecher „Stettin“ hat heute seinen Liegeplatz im Museumshafen in Hamburg-Övelgönne und unternimmt im Sommer Fahrten (www.dampf-eisbrecher-stettin.de).

Im Winter 1939 fuhren wir mit dem Auto nach Wald-Dievenow an der Ostsee, um die gefrorenen Eiswellen am Strand zu bewundern und zu beklettern. Der zweite Weltkrieg beengte mehr und mehr unser Leben, führte zur Verknappung von Lebensmitteln, Kleidung und auch Heizmaterial. Im Winter 1941 hatten wir wegen des Kohlemangels Kohleferien. 

Zum Winter 1942 wurden die Skier für die Wehrmacht eingesammelt. Im Januar 1945 wurde die Bevölkerung von Hökendorf, es waren hauptsächlich Frauen, Mädchen und Jungen, die nicht als Luftwaffenhelfer im Einsatz waren, zum Panzergraben-Schippen eingesetzt. Pioniere der Wehrmacht mussten den gefrorenen Boden aufsprengen. 

Die Konfirmation in Hökendorf wurde auf den 18. Februar 1945 vorverlegt. Es war die letzte, große Feier in der Dorfkirche. Zu dieser Zeit zogen Trecks aus Hinterpommern und Ostpreußen durch den Ort. Die Autobahn bei Hökendorf war zur Rollbahn fürs Militär geworden.

Den letzten Winter 1945/46 in Pommern verlebte ein Teil meiner Familie in Greifswald. Meine Brüder entdeckten den Schalterraum der dortigen Hauptpost als wärmsten Raum und hielten sich dort am Nachmittag auf. Wir lernten die Härte des Winters kennen, denn das Heizmaterial war knapp und elektrischen Strom gab es nur stundenweise.

Alles ist Geschichte, doch was bleibt ist die Erinnerung an „richtige Winter“ in der Heimat.