23.04.2024

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Folge 08-22 vom 25. Februar 2022 / Flüssigerdgas / Eine flüssige Alternative zu russischem Erdgas? / Anlieferung über Terminals in Belgien, Frankreich und den Niederlanden – Deutschland bleibt wegen fehlender eigener Anlandestellen abhängig

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-22 vom 25. Februar 2022

Flüssigerdgas
Eine flüssige Alternative zu russischem Erdgas?
Anlieferung über Terminals in Belgien, Frankreich und den Niederlanden – Deutschland bleibt wegen fehlender eigener Anlandestellen abhängig
Wolfgang Kaufmann

Die Energieversorgung der Bundesrepublik basiert in wesentlichem Maße auf Erdgas, von dem aktuell mehr als 80 Milliarden Kubikmeter pro Jahr verbraucht werden. Diese decken rund ein Fünftel des deutschen Energiebedarfs. 

55 Prozent des benötigten Erdgases kommen dabei aus Russland – dementsprechend abhängig ist unser Land von den Lieferungen des Staatskonzerns Gazprom. 

Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise werden daher nun die Stimmen lauter, welche zum verstärkten Import von Liquefied Natural Gas (LNG beziehungsweise Flüssigerdgas) raten. Dabei handelt es sich um gereinigtes und auf Temperaturen von unter minus 161 Grad Celsius abgekühltes Erdgas. Durch diesen Prozess nimmt das Volumen um das 600-fache ab, wodurch LNG auch in isolierten Behältern transportiert werden kann, was Pipelines entbehrlich macht.

Das Flüssigerdgas kommt in aller Regel mit speziellen Schiffen zum Empfänger, der es dann wieder erwärmt und nach der Regasifizierung in das Gasnetz einspeist. In Europa gibt es insgesamt 37 Terminals zur Abfertigung von LNG-Tankern, über die immerhin 40 Prozent des Gasbedarfes auf unserem Kontinent gedeckt werden. Und momentan ist auch genügend Flüssigerdgas verfügbar. Das liegt zum einen an neuen Fördermethoden wie dem Fracking, zum anderen steigen zunehmend mehr Förderländer in das LNG-Geschäft ein. 

USA liefern teures Flüssigerdgas

Derzeit steht das Golf-Emirat Katar an der Spitze der weltweit größten Exporteure von Flüssigerdgas. Darüber hinaus werfen Australien und die USA nun verstärkt LNG auf den Markt. Die Vereinigten Staaten sind gerade dabei, ihre Exportinfrastruktur auszuweiten, um bis 2024 Katar vom Platz Eins der LNG-Lieferanten zu verdrängen. Dies resultiert nicht zuletzt daraus, dass durch die Intensivierung der Förderung von Schiefergas das Angebot an Erdgas in den USA den einheimischen Bedarf um zehn Prozent übersteigt. 

Dabei müssen die Vereinigten Staaten aber noch ihre Kapazitäten für die Kühlung von Erdgas zu LNG aufstocken. Dennoch exportieren sie aktuell mehr Flüssigerdgas als je zuvor und profitieren so von den reduzierten russischen Lieferungen. Daran wird sich vermutlich auch nichts ändern, solange die Gaspreise in Europa aufgrund des gegenwärtigen Mangels so hoch liegen, dass das eigentlich recht teure LNG mit dem normalen Erdgas aus der Pipeline konkurrieren kann.

Zurzeit sind jeweils immer 30 LNG-Tanker nach Europa unterwegs, um das Defizit bei den Gaslieferungen aus Russland auszugleichen. Allerdings legt nicht eines der Schiffe in Deutschland an, weil es keine LNG-Terminals in der Bundesrepublik gibt. Diese ist darauf angewiesen, dass die Nachbarstaaten die Tanker mit dem Flüssigerdgas abfertigen. Das geschieht in der Regel in Zeebrügge (Belgien), Dunkerque (Frankreich) und der Maasvlakte bei Rotterdam (Niederlande) sowie neuerdings auch im zur Republik Polen gehörenden Swinemünde [Świnoujście].

Angesichts der derzeitigen Versorgungsunsicherheit befürwortet Bundeskanzler Olaf Scholz nun aber den Bau von LNG-Terminals in Brunsbüttel und Stade. Allerdings verzögert sich die Errichtung der erstgenannten Anlage wegen des Widerstandes vonseiten der „Klimaschützer“ auf unabsehbare Dauer. Und auch in Stade sieht die Projektgesellschaft Hanseatic Energy Hub gravierende Probleme: „Derzeit ist Deutschland als Standort für ein Importterminal nicht wettbewerbsfähig. Es fehlt ein Regelwerk, das Investoren Sicherheit gibt.“ Doch selbst wenn dieses unwahrscheinlicherweise demnächst vorläge, käme es zu spät. Deutschland hätte schon vor über zehn Jahren Flüssiggasterminals statt einer direkten Pipeline nach Russland bauen sollen, bemängelt die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Claudia Kemfert. 

Zudem gibt der Energieexperte Hans-Wilhelm Schiffer von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zu bedenken: „Die russischen Lieferungen an Erdgas sind so erheblich, sodass sowohl die Kapazitäten an LNG-Importterminals, als auch die aus anderen Erdgas-Exportstaaten via LNG bereit zu stellenden Erdgasmengen kaum hinreichend wären, um einen Komplettausfall der russischen Lieferungen zu ersetzen.“ 

Verknappung ist unvermeidbar

Und tatsächlich steigt die Nachfrage nach dem Flüssigerdgas auch in den energiehungrigen Industriestaaten des Fernen Ostens wie Japan und Südkorea, wohin keine Pipelines führen. Das dürfte trotz des Ausbaus der Lieferkapazitäten seitens der Förderländer alsbald zu Verknappungen und Preisanstiegen führen. Insofern ist LNG für die Bundesrepublik keine brauchbare Alternative zum russischen Erdgas.