Wer in der DDR als FDJ- oder SED-Mitglied die marxistische Lehre in Zweifel zog, musste vor einem Tribunal Reue ablegen. „Kritik und Selbstkritik“ hieß dieses Buß-Ritual, bei dem man sich seiner „Schuld“ bewusst werden sollte.
Die Berliner Schaubühne geht da subtiler vor. Wer dort gegen den herrschenden Zeitgeist verstößt, kommt in den Genuss eines Einzelcoachings, das einem die „falsche“ weltanschauliche Gesinnung vor Augen führt. So geschehen mit einem Schauspieler namens Robert Beyer. Auf Facebook hatte er darüber sinniert, dass der Kolonialismus nicht nur zu Unterdrückung geführt, sondern auch Fortschritt gebracht hätte. Ohne die Einwanderer aus Europa, so fragt er, hätten dann „die ,Indianer‘ uns von den Nazis befreit?“
Dass er den inzwischen auf dem Index der linken Subkultur stehenden Begriff „Indianer“ verwendete, war schlimm genug. Dass er aber indigene Völker nicht für fortschrittsfähig halte, sah die Schaubühne als Zeichen einer rassistischen Gesinnung an. Sofort ging sie mit einer Pressemeldung an die Öffentlichkeit und distanzierte sich von dem Facebook-Eintrag, der sonst völlig unbeachtet geblieben wäre.
Darüber hinaus kündigte das Theater an, dass Beyer sich entschlossen habe, an einem „Einzelcoaching zum Thema Rassismus und Diversität teilzunehmen“. Wahrscheinlich war dazu sanfter Druck nötig, sonst hätte man das Ensemblemitglied wohl gefeuert. Offenbar haben bei Beyer frühere Umerziehungsmaßnahmen nicht gefruchtet, denn die Schaubühne befinde sich „in den letzten Monaten in einem intensiven Diversitäts- und Antidiskriminierungsprozess mit Vorträgen, Workshops, Coachings, Problemanalysen und vielem mehr“.
Wer es mit solchen „Lern- und Reflexionsangeboten“ übertreibt, muss sich nicht wundern, wenn das Pendel irgendwann einmal zurückschlägt. Dafür wird ein Schauspieler nun mundtot gemacht.