23.04.2024

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Folge 08-22 vom 25. Februar 2022 / Verlagsgeschichte / Der Oberschlesier Wilhelm Goldmann war ein Verleger mit Herz und Seele / Vor 100 Jahren gründete er seinen eigenen Verlag in Leipzig – Neubeginn nach dem Krieg 1950 in München – Die Vermarktung von Edgar-Wallace-Krimis brachte den Durchbruch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-22 vom 25. Februar 2022

Verlagsgeschichte
Der Oberschlesier Wilhelm Goldmann war ein Verleger mit Herz und Seele
Vor 100 Jahren gründete er seinen eigenen Verlag in Leipzig – Neubeginn nach dem Krieg 1950 in München – Die Vermarktung von Edgar-Wallace-Krimis brachte den Durchbruch
Manuela Rosenthal-Kappi

Mit Fug und Recht gilt Wilhelm Goldmann als einer der erfolgreichsten Verleger der Nachkriegszeit. Aus kleinen Verhältnissen stammend gelang es ihm, in wirtschaftlich schwieriger Zeit ein Verlagshaus zu gründen, das bis heute, obwohl mittlerweile im Konzern Penguin Random House aufgegangen, zu einem der wichtigsten deutschen Buchverlage gehört.

Eigentlich wollte Goldmann Kunstmaler werden, doch der vor 125 Jahren, am 25. Februar 1897, im oberschlesischen Baumgarten, Kreis Falkenberg, geborene Sohn eines Dorfschullehrers und Kantors absolvierte nach dem Besuch der Bürgerschule und des Gymnasiums in Brieg zunächst eine Buchhändlerlehre in der dort ansässigen Buchhandlung Hugo Süßmann. Als ausgelernter Buchhandelsgehilfe ging er nach Dresden zur Hofbuchhandlung H. Burdach, wo er allerdings nur wenige Monate blieb, da er 1917 zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg eingezogen wurde. 

Aus dem Krieg zurückgekehrt wurde er Privatsekretär bei Hofrat Walther Keller in der renommierten Franckh’schen Verlagsbuchhandlung in Stuttgart. Auf dessen Betreiben hin ging Goldmann als Verlagsvertreter für große deutsche Verlage, darunter Rowohlt, Thieme und Kiepenheuer, auf Reisen. So kam er mit Buchhändlern in Breslau, Dresden, Görlitz, Linz, Prag und Salzburg in Kontakt. Ab 1921 übernahm er darüber hinaus die Auslandsvertretung für mehr als 25 Verlage. Seine Dienstreisen führten ihn in die Tschechoslowakei sowie nach Österreich, Dänemark und Schweden. Die Verbindung zu den Kunden der Verlage, die Buchhandlungen, sah er als wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Verlegertätigkeit. Der Grundstein seiner eigenen Unternehmerkarriere war somit gelegt.

„In jugendlichem Leichtsinn“

Den Schritt in die Selbstständigkeit wagte Goldmann nur ein Jahr später. „Mir erschien nun – trotz aller Inflationsschwierigkeiten – die eigene Verlagstätigkeit aussichtsreich, und so gründete ich in jugendlichem Leichtsinn im Frühjahr 1922 den Wilhelm Goldmann Verlag in Leipzig“, schrieb der Verleger anlässlich des 40-jährigen Bestehens seines Unternehmens in seinen Erinnerungen.

Am 21. Juni 1922 erfolgte die Eintragung des Goldmann Verlags in das Handelsregister. Ganz seinen eigenen Interessen entsprechend erschienen zuerst Kunst- und Bildbände sowie Holzschnittmappen. Erst 1924 gab der Verleger den ersten Roman heraus. Das Debüt gab Emil Droonbergs Abenteuerroman „Das Gold der Nebelberge“, das Goldmann in „blinder Kartonage“ anbot, wie er den weichen Kartonumschlag ohne Aufschrift nannte. Diese Einbandart war ein Vorläufer der späteren Goldmann-Taschenbücher. 

Ende 1925 gelang es Goldmann, den bis dahin in Deutschland noch unbekannten Edgar Wallace, mit dem er sich freundschaftlich verbunden fühlte, für seinen Verlag zu gewinnen. Zunächst erschienen die Afrika-Bücher „15 Jahre bei den Kannibalen in Zentralafrika“ und „Bosambo von Monrovia“ des englischen Schriftstellers in der Übersetzung von Richard Küas, der einst Bezirksamtmann in der deutschen Kolonie Togo war.

Den Durchbruch brachten dem frisch gebackenen Verleger allerdings erst die Kriminalromane von Wallace. Zunächst erschienen 1926 „Die Bande des Schreckens“ und „Der rote Kreis“, gefolgt von „Der Hexer“ zwei Jahre später. Letzterer erreichte nicht zuletzt durch Max Reinhardts Inszenierung des Krimis am Deutschen Theater in Berlin große Popularität. Das Buch wurde zum Bestseller. Zum zehnjährigen Bestehen seines Verlags im Jahr 1932 konnte Goldmann bereits auf eine stolze Erfolgsgeschichte zurückblicken. 

„Der Hexer“ wurde ein Bestseller

Eine scharfe Zäsur brachte der Zweite Weltkrieg, als am 4. Dezember 1943 das Verlagshaus am Leipziger Roßplatz nach einem Bombenangriff in Flammen aufging. Zwar wurde die Buchproduktion in Prag und in Italien fortgesetzt, doch musste Goldmann im Sommer 1944 wieder in den Krieg ziehen. Wegen kritischer Äußerungen gegen das NS-Regime verhaftete ihn die Gestapo am 12. Februar 1944. Einer Verurteilung konnte er sich wenige Tage vor Kriegsende durch die Flucht entziehen, doch bald darauf verhafteten ihn die Sowjets nach einer Denunziation wegen angeblicher Herausgabe faschistischer Bücher. Diesmal konnte er sich seiner Verurteilung nicht entziehen, und so saß er vier Jahre Haft in einem Arbeitslager ab.

Nach seiner Freilassung nach Leipzig verließ Goldmann die gerade gegründete DDR und ließ sich in Bayern nieder, wo er am 4. Juli 1950 mit München als neuem Verlagsort im „Börsenblatt des deutschen Buchhandels“ inserierte. Nun stand Goldmanns Erfolg nichts mehr im Wege. Im Sommer 1950 erschienen die ersten Goldmann-Taschenbücher zu einem Ladenpreis von 2,20 D-Mark. Ein Jahr später gab der Verleger neben der Krimi-Reihe weitere heraus wie die erfolgreiche Gelbe Reihe mit Klassikern und allgemeiner Belletristik. Später kam die Reihe „Goldmanns Weltraum“ hinzu, eine der wichtigsten Science-Fiction-Reihen im Taschenbuch. Goldmann gab daneben auch Kunstbücher und Atlanten als gebundene Ausgaben heraus, wie auch Werkausgaben von Honoré de Balzac und Guy de Maupassant.

1970 waren Goldmann Taschenbücher in einer Gesamtauflage von mehr als 100 Millionen Exemplaren erschienen, darunter 1373 Titel in der Gelben Reihe, 112 in  der Reihe Weltraum, 32 in der Reihe Abenteuer und 1148 in der Krimi-Reihe. Zu den Autoren gehörten deutschsprachigen Erfolgsautoren wie Heinz G. Konsalik und Marie Luise Fischer. 1977 wurde der Goldmann Verlag an die Verlagsgruppe Bertelsmann verkauft. Das Programm wurde internationaler ausgerichtet. Zeitgenössische Schriftsteller, darunter Walter Kempowski, Stefan Heym und die anspruchsvollen Sachbuchautoren Sebastian Haffner, Carlo Schmid und Henry Kissinger veröffentlichten bei Goldmann.

In einem „Spiegel“-Artikel vom 23. März 1969, in dem von dem Versuch junger Mitarbeiter berichtet wird, bei Goldmann einen Betriebsrat zu gründen, wird der Verlagschef von Mitarbeitern als „schrulliger Patriarch mit grundgutem Herz“ beschrieben, der sich selbst jedoch eher als „joviale Vaterfigur“ gesehen habe, der an seinen Prinzipien festhielt, unter anderem an seiner tiefen Abneigung gegenüber linken Ideologien. 

Goldmann ist es gelungen, mit zielstrebiger Tatkraft und unternehmerischem Weitblick einen der größten deutschsprachigen Verlage zu schaffen. Am 24. April 1974 verstarb der Verleger in seinem Schweizer Altersruhesitz in Wollerau.