25.04.2024

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Folge 08-22 vom 25. Februar 2022 / Baukunst / Himmelsstürmer – die höchsten Kirchtürme Pommerns / Kirchtürme in Vor- und Hinterpommern präsentieren sich mit beeindruckenden Höhen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-22 vom 25. Februar 2022

Baukunst
Himmelsstürmer – die höchsten Kirchtürme Pommerns
Kirchtürme in Vor- und Hinterpommern präsentieren sich mit beeindruckenden Höhen
K.-H. Engel

Die Türme pommerscher Stadtkirchen, egal ob links oder rechts der Oder, blicken weit ins Land. Sie geben Richtung und Orientierung, topographische wie kulturell-geistliche, je nach persönlicher Befindlichkeit. Wer von einer Reise zurückkehrt, spürt beim Anblick des heimatlichen Kirchturms ein Zu-Hause-Gefühl, der eine mehr, der andere weniger, das versteht sich.  Wo aber ragen die höchsten Kirchtürme Pommerns in den Himmel?

Wer sich an das Weichbild Stralsunds erinnert, möchte meinen, die drei nicht zu übersehenden Backsteinbasiliken der alten Hansestadt kämen in die engere Wahl, allen voran die wuchtige Marienkirche. Zu Recht, denn der Wetterhahn von St. Marien dreht sich in Respekt gebietender Höhe von 104 Meter. 

Die Seefahrerkirche St. Nikolai steht dem indes kaum nach und bringt es auf 102,60 Meter. Den Jacobi-Turm hingegen bedeckt seit dem 17. Jahrhundert eine flache Barockkuppel bei eher bescheidenen 68 Metern über dem Erdboden. Davor zierte diese Kirche ebenfalls ein weit hinaufstrebender gotischer Spitzhelm, wie auf Stadtansichten von Matthäus Merian ersichtlich wird. Auch der Turm dürfte in der damaligen Epoche der „Himmelsstürmerei“ ein Hunderter gewesen sein.

Immer wieder Blitzeinschläge 

Nachdem 1549 ein Orkan den etwa 160 Meter hohen Turm der Kathedrale von Lincoln umwarf, soll der Überlieferung zufolge die Stralsunder Marienkirche das höchste Bauwerk weltweit gewesen sein. Ihr damaliger Turm erreichte sage und schreibe 151 Meter. Bis 1647 allerdings nur, denn alles hat Grenzen. In jenem Jahr schlug ein Blitz in den Turm und entfachte ein verheerendes Feuer, bei dem die Kirche schweren Schaden nahm. 

Beim Wiederaufbau beschränkte man sich sodann auf das heutige Maß. Ähnlich verfuhr man bei St. Jacobi, dessen vormaliger Spitzhelm 1662 ebenfalls von einem Blitz in Brand gesetzt wurde. So ist die Geschichte der spätmittelalterlichen Großkirchen auch eine Geschichte des Höheneifers und der Unwettergewalten. Von der Hansestadt Stralsund 30 Kilometer südostwärts schauen Reisende aus der Ferne bald auf den prächtigen Barockturm des Greifswalder Doms St. Nikolai. Er könnte so von Angesicht her einen weiteren Hunderter abgeben und den Stralsundern Konkurrenz machen. Doch er bleibt mit 96,30 Meter unter deren Maße. 

Sind St. Marien und St. Nikolai von Stralsund damit die höchsten Kirchtürme in Pommern? Nein. Der Spitzenreiter ist in Stettin, im alten Pommern also, zu suchen. Einer Kompassnadel gleich sticht der Turm der Jacobi-Kirche aus dem Häusermeer der 400.000-Einwohner zählenden Metropole an der unteren Oder. Die einstige Stettiner Hauptkirche mit seinerzeit fast 23.000 evangelischen Gemeindegliedern heißt heute Katedra Swietego Jakoba (St. Jacobi Kathedrale). Und sie markiert den Höhenrekord mit exakt 110,18 Metern. Ein wirklich beeindruckendes Bild für den, der vor ihr steht oder von den Waldeshöhen auf die Stadt blickt. Das in seinen Grundfesten ab dem 13. Jahrhundert errichtete Gotteshaus war im August 1944 von englischen Bomberstaffeln schwer zugerichtet worden. Der Wiederaufbau begann 1971. Der Turm erhielt zunächst aber nur durch ein stumpfes Walmdach seinen Abschluss. 

Doch seit 2008 reckt sich wieder ein spitzer, gotisch nachempfundener Helm, der in seiner Gestalt etwas dem aus deutscher Zeit ähnelt, weit in den Himmel. Andere pommersche Stadtkirchen östlich der Oder, etwa die als recht hoch geltende Stargarder Johanniskirche und die Marienkirche in Treptow an der Rega bleiben mit 99 beziehungsweise 90 Metern zum Teil deutlich darunter.

Höchster Kirchturm in Stettin

Wer die Stettiner Jacobikirche besucht, dem sei unbedingt auch eine Reise per Fahrstuhl auf die Aussichtsplattform empfohlen. Von dort entbietet sich ein Panoramablick auf Stadt und Odertal. 

Höchstes Bauwerk Stettins ist St. Jacobi allerdings nicht mehr. Seit einiger Zeit übertrumpfen die Glasfassaden des Hansa Towers, ein Wohn-, Büro- und Geschäftshaus, die Kathedrale um 15 Meter. 

Nicht unerwähnt bleiben soll bei der Suche nach den höchsten pommerschen Kirchen das Schicksal von St. Nikolai in der Peenestadt Anklam. Ihr spitzer und zudem kunstvoll gedrehter Turmhelm erreichte mit 103 Metern fast die Höhe der Stralsunder Marienkirche. St. Nikolai wurde bei Kampfhandlungen am 29. April 1945 schwer beschädigt und verlor dabei auch den Turm, ein Wahrzeichen der Stadt. Der Förderkreis Nikolaikirche Anklam e.V. und die Stadt kümmern sich seit Jahren um den Wiederaufbau.