28.03.2024

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Folge 08-22 vom 25. Februar 2022 / Rheinland / Kölle Alaaf im Fußballstadion / Am 28. Februar ist Rosenmontag – Kölner Karneval läuft in Pandemie-Zeiten weniger auf vollen Touren als vor leeren Toren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-22 vom 25. Februar 2022

Rheinland
Kölle Alaaf im Fußballstadion
Am 28. Februar ist Rosenmontag – Kölner Karneval läuft in Pandemie-Zeiten weniger auf vollen Touren als vor leeren Toren
Siegfried Schmidtke

D’r Zoch kütt – Der Zug kommt. Gemeint ist der Rosenmontagszug in Köln, das wohl größte Karnevalsereignis in Deutschland. Ein Höhepunkt des rheinischen Straßenkarnevals – normalerweise.

Früher standen über eine Million Besucher auf den Straßen, mehr als 10.000 Narren nahmen zu Fuß, auf Pferden und auf den eigens für diesen Tag hergestellten Motiv-Wagen teil. Mit Holz, Draht und Pappmaschee wurden „Persi­flage-Wagen“ gebaut, die aktuelle Themen aufgreifen und – meist parodierend – darstellen. Ganz Köln stand am Rosenmontag Kopf. So war es früher.

Dann kam Corona. So fiel im vergangenen Jahr der Rosenmontagszug der Pandemie zum Opfer. Um das Seelenleid der Karnevalisten zu mindern, arrangierte das Festkomitee Kölner Karneval (FK, nicht „FKK“ abgekürzt!) einen Miniatur-Umzug des „Hänneschen“-Puppentheaters vor dem Karnevalsmuseum. Ohne Publikum – aber immerhin mit Fernseh-Übertragung wie in Vor-Pandemiezeiten.

Für die Zeit des Karnevals, „Session“ genannt, wird jedes Jahr neu vom FK ein Führungstrio bestimmt: das Dreigestirn. In Anlehnung an die römische Gründung Colonias wird gern der nobel klingende lateinische Begriff „Trifolium“ verwendet. Das „Dreigestirn“, Prinz, Bauer und Jungfrau, wird traditionell von drei Männern dargestellt. Nur in den Jahren 1938 und 1939 war die Jungfrau – eine Frau.

Während der Session, die am Elften im Elften (11. November) offiziell beginnt und bis zum Aschermittwoch andauert, ist das Trifolium – jedenfalls in „normalen“ Zeiten – rund um die Uhr auf den Beinen. Ohne Pause, ohne Familienleben, mit wenig Schlaf. Weil die Session 2021 quasi ins Wasser gefallen war, blieb das letztjährige Dreigestirn auch für die aktuelle Session 2022 im Amt – recht ungewöhnlich im Kölner Karneval.

Prinz Sven (Oleff), Bauer Gereon (Glasemacher) und Jungfrau Gerdemie (Dr. Björn Braun) traten zum zweiten Mal an und hoffen für die Session 2022 auf mehr Auftritte, Bekanntheit und „Fastelovend-Jeföhl“ als im Vorjahr.

Der Sessionsauftakt im November 2021 durfte zwar wieder im Freien stattfinden, doch nicht in allen als „Schutzzone“ definierten Veranstaltungsorten konnten die Corona-Regeln eingehalten beziehungsweise kontrolliert werden. Besonders im Studentenviertel waren Corona-müde, zum Feiern aufgelegte, meist junge Menschen zu sehen, denen Abstand, Maske und die anderen Vorgaben schnurzegal zu sein schienen.

Die NRW-Landesregierung empfahl daher im Dezember 2021 den Karnevalsgesellschaften, freiwillig auf Veranstaltungen zu verzichten. Gemeint waren die öffentlichen Umzüge und Treffen auf der Straße, aber auch der sogenannte Sitzungs-Karneval in Hotels, Brauhäusern und Festsälen. Das Festkomitee spielte mit und übte Feier-Abstinenz.

Für eingefleischte Karnevals-Jecken ein Unding: Straßenkarneval, Sitzungskarneval und auch der von den Wirten in der ganzen Stadt angebotene Kneipenkarneval waren reglementiert und mit Bußgeldern bei Zuwiderhandlung bewehrt. Die Jecken jedoch wollten wieder feiern, tanzen, schunkeln, singen. Nicht ein zweites Jahr ohne Kostüme und das heiß ersehnte „Fastelovend-Jeföhl“ durch die Wintermonate kommen.

In die Lücke, die sich durch den freiwilligen Verzicht des organisierten Karnevals auftat, stießen „private“ Veranstalter. Sie nutzten die im neuen Jahr genehmigten Lockerungen bei den Pandemie-Auflagen. Treffen mit bis zu 750 Teilnehmern in geschlossenen Räumen durften wieder stattfinden. Mit 2Gplus-Nachweis und ohne Maske am Platz. 

Die rasch und meist perfekt organisierten Sitzungen sind ein Segen für die zahlreichen Tanz-, Gesangs- und Musikgruppen, für die Büttenredner und all die Tanzmariechen, die nur oder überwiegend während der Karnevalszeit ihre Bühnenauftritte haben – und damit ihr (Zusatz-)Einkommen erzielen.

Einer der privaten Organisatoren ist Herbert Geiss. Als Inhaber des wohl größten Kostümgeschäfts im Rheinland, der Firma Deiters, darf er wieder auf gute Geschäfte durch Kostümverkauf hoffen. Denn die ausgefallene Session 2021 hat fast alle, die vom und mit dem Karneval leben, stark gebeutelt.

Die Jecken jedenfalls sind vom alternativen Angebot begeistert. Die nun „Dinnershow“ oder „Konzert“ genannten Sitzungen oft bis zum Limit ausgebucht.

Weniger begeistert war der organisierte Karneval. Im Festkomitee regte sich so etwas wie Neid auf die gut besuchten Sitzungen der privaten Konkurrenz – weil man selbst wegen der geübten Enthaltsamkeit „in die Röhre“ guckte. Von der Landesregierung erwarteten Stadt und Festkomitee deshalb klare Regeln für den Straßenkarneval von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch, den sich die Jecken nicht mehr verbieten lassen würden.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann traf schließlich mit Vertretern der Karnevalshochburgen Köln, Düsseldorf, Bonn und Aachen zusammen. Ergebnis: Die neue Corona-Schutzverordnung erlaubt Straßenkarneval in ausgewiesenen „Schutzzonen“. Für die Karnevalisten gilt die 2Gplus-Regel. Dieses Angebot – kein Lockdown wie im Vorjahr; es darf gefeiert werden – griff die Kölner Verwaltung beherzt auf und erklärte kurzerhand ganz Köln zur Schutzzone. Weil „Schutzzone“ abschreckend klingt, wählten die Stadt-Oberen den freundlicheren Begriff „Brauchtumszone“. Ab Weiberfastnacht besteht in der Brauchtumszone zudem keine Maskenpflicht mehr.

Und die Rosenmontagszüge? Bonn und Aachen verzichteten frühzeitig auf das Großereignis. Die Düsseldorfer verlegten ihren Umzug in den Mai. Das wäre undenkbar in Köln. Weil der, hier katholisch geprägte, Karneval an Aschermittwoch endet, blieb nur der Verzicht oder eine Corona-konforme Version. Die Lösung: Statt Umzug in der Stadt wird es ein „Rosenmontagsfest“ im RheinEnergieStadion des 1. FC Köln geben. Vor knapp 10.000 (erlaubten) Stadionbesuchern – Eintrittskarte für 11,11 Euro – dreht ein abgespeckter „Zoch“ mit 4700 Teilnehmern und Persiflage-Wagen eine 300 Meter lange Schleife über das Fußballfeld. Das Fernsehen überträgt wie gewohnt.

Zwar nur eine Notlösung, aber immerhin gilt: D’r Zoch kütt.