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Folge 08-22 vom 25. Februar 2022 / Geschichte / Ein faszinierend furchtbares Bild / Die kanadische Historikerin Margaret Macmillan zeigt in einer Studie, wie Kriege in der Menschheitsgeschichte auch zu Erfolgen führten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-22 vom 25. Februar 2022

Geschichte
Ein faszinierend furchtbares Bild
Die kanadische Historikerin Margaret Macmillan zeigt in einer Studie, wie Kriege in der Menschheitsgeschichte auch zu Erfolgen führten
Dirk Klose

Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Diese berühmte Diktion des altgriechischen Philosophen Heraklit stimmt offensichtlich noch immer. Kriege, das zeigt die kanadische Historikerin Margaret Macmillan in ihrer weit gefassten Studie „krieg. Wie Konflikte die Menschheit prägten“, zerstören und forcieren ebenso technische und kulturelle Höchstleistungen. Es lohnt sich zu leben und genauso lohnt es sich, für das Vaterland, für eine Idee zu sterben. Durch Jahrtausende, so Macmillans lapidares Fazit, „gaben die Menschen ihr Bestes, um sich gegenseitig umzubringen“. 

Kriege durchziehen die Menschheitsgeschichte. Die Autorin zeigt dies an Beispielen, die von der Antike bis zum Islamischen Staat und Afghanistan reichen, was ein faszinierend-furchtbares Bild ergibt. In neun Kapiteln unterteilt sie ihre Darstellung, nennt die unterschiedlichsten (oft vorgeschobenen) Gründe, zeigt die immer schrecklicheren Mittel der Kriegsführung auf, geht besonders auf den „industrialisierten Krieg“ unserer Tage (Masseneinsatz von Menschen und Material) ein, analysiert weiter, wie Gesellschaften ihre Soldaten zu „Kriegern“ geformt haben, lenkt den Blick auf die „Heimatfront“, als spätestens seit 1939 immer mehr auch das zivile Hinterland zur „Front“ wurde, und zeigt abschließend, wie Kunst und Kultur Kriege ebenso oft verherrlicht wie verdammt haben. 

Das Ganze könnte trübsinnig stimmen, wenn nicht zu allen Zeiten die Schrecken des Krieges immer auch angespornt hätten, Kriege abzuschaffen (Bertha von Suttners „Die Waffen nieder!“), seine Gräuel und Entmenschlichung zumindest einzudämmen (Rotes Kreuz, Genfer und Haager Abmachungen). Krieg und Gesellschaft, wiederholt die Autorin eine alte Erkenntnis, hängen zusammen, ja bedingen einander. Sie sagt das so: „Der Nationalismus lieferte die Leidenschaft für den Krieg, die industrielle Revolution die Instrumente und der soziale Wandel die Kampftruppen und die Unterstützung der Kriegsanstrengung durch Zivilisten.“

Warum heute ein solches Buch, mag man fragen, wo man ohnehin wieder einen drohenden Krieg vor der Haustür hat? Gerade weil Krieg – etwas milder: Streit – den Gesellschaften gleichsam innewohnt, muss man sich an frühere Schrecken von Kriegen immer wieder erinnern. Zu einem heute – technisch leicht möglichen –  atomar geführten Krieg darf es um den Preis der Selbstvernichtung nicht kommen. Noch einmal die Autorin: „Es ist jetzt nicht die Zeit, den Blick von etwas abzuwenden, das wir abscheulich finden mögen. Wir müssen über den Krieg nachdenken –mehr als je zuvor.“ 

Margaret Macmillan: „Krieg. Wie Konflikte die Menschheit prägten“, Propyläen Verlag, Berlin 2021, gebunden, 382 Seiten, 30 Euro