24.04.2024

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Folge 08-22 vom 25. Februar 2022 / Fastelovend / „Wenn man Fastnacht nicht tanzt, gerät der Flachs nicht“ / In Ostpreußen beging man die fünfte Jahreszeit mit dem Bügel und dem Bügeltanz, Brummtopfliedern und traditionellen Fastnachtsgerichten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-22 vom 25. Februar 2022

Fastelovend
„Wenn man Fastnacht nicht tanzt, gerät der Flachs nicht“
In Ostpreußen beging man die fünfte Jahreszeit mit dem Bügel und dem Bügeltanz, Brummtopfliedern und traditionellen Fastnachtsgerichten
Eduard Riemann

Auch in Ostpreußen ist in alter Zeit die Fastnacht in ausgelassener Fröhlichkeit gefeiert worden. Nur war in unserer Heimat das Fastnachtsbrauchtum im Allgemeinen schon vor mehr als einem Jahrhundert ausgestorben, und wenn man vor dem Kriege in manchen Orten noch an einem Abend im Gasthaus oder bei einem Bauern zum Tanz zusammenkam oder das Gesinde unter sich seine „Fastnachtsgill“ feierte, so war das nur noch ein schwacher Abglanz des lustigen Treibens, das einst in den Dörfern Ostpreußens zu „Fasteloawend“ oder „Foasnachte“, wie es auf Plattdeutsch hieß, geherrscht hatte. Im Ermland kannte man noch allgemein die Redensart: „Wenn man Fastnacht nicht tanzt, gerät der Flachs nicht.“ 

In alter Zeit feierte die ganze Dorfgemeinschaft die Fastnacht, und zwar nicht nur an einem Abend, sondern zwei bis drei Tage oder meistens sogar eine ganze Woche lang. Der Höhepunkt war der Umzug durchs Dorf mit dem Bügel und der Bügeltanz im Krug. Am ersten Tage zogen die jungen Leute von Haus zu Haus, tanzten mit den Töchtern und sammelten Geld, Speck und Wurst für den Fastnachtstanz am kommenden Abend. Am nächsten Tage wurde der Bügel hergerichtet. Er war kreisrund und wurde grün beflochten und mit „Linien“, das heißt mit bunten Bändern, geschmückt. Am Abend war die große „Fastnachtsgill“ im Krug oder bei einem Bauern, wo man tanzte und das Eingesammelte verzehrte. 

Bügeltanz im Krug

Spät abends begann dann der „Bügeltanz“. Der „Bügelmeister“ oder „Gillmeister“, der den Bügel trug, machte in der Mitte der tanzenden Paare nach den Klängen der Musik eigentümliche Tanzbewegungen und sprang auch selbst durch den Bügel. Dann warf er plötzlich den Bügel über eins der tanzenden Mädchen, meistens zuerst über das Mädchen, das den Bügel geflochten hatte. Das Mädel musste darauf ein „Bügelgeld“ – früher war das ein Taler – entrichten, wofür es als Gegengabe in manchen Orten einen süßen Schnaps bekam. Dann musste der Bursche sein Mädel aus dem Bügel heben, und je höher sie dabei sprang, desto höher sollte der Flachs wachsen. Wenn sie aber am Bügel hängen blieb, so sollte ihr das Schande bringen. Dann würde sie im nächsten Jahr „Kloatsch utrichte“, das heißt ein Kind bekommen. In gleicher Weise wurden dann auch die Mädchen der anderen tanzenden Paare gebügelt. An manchen Orten wurde der Bügel zunächst über das Mädel allein und dann über Bursch und Mädel zugleich geworfen. 

Im Kreis Rastenburg und im südöstlichen Teil des Kreises Bartenstein trat zu dem Bügelmeister noch eine „Bügeldame“, die nach den Mädchen die Männer bügelte. Diese Sitte scheint aber erst im Laufe des 19. Jahrhunderts aufgekommen zu sein. In alter Zeit wurden nur die Mädchen gebügelt. Im selben Gebiet gab es auch noch einen oder mehrere „Zutänzer“ („Todanzersch“). Dort tanzten nicht alle Paare um den Bügelmeister, sondern der Zutänzer holte ein Mädel und tanzte mit ihm einige Runden. Wenn sie gerade an dem Stuhl in der Mitte vorbeikamen, auf dem der Geldeinsammler mit einem Teller und einer Schnapsflasche saß, warf der Bügelmeister den Bügel über das Mädel. Dann musste sie ihr Bügelgeld entrichten, bekam einen Schnaps und wurde von dem Zutänzer aus dem Bügel gehoben und auf den Platz gebracht. Dem Zutänzer entsprach beim Bügeln der Männer eine „Zutänzerin“. Der Bügeltanz, zu dem auch eine besondere Melodie gehörte, war ursprünglich über ganz Ostpreußen verbreitet und in vielen Orten des evangelischen Teils noch vor dem Kriege in Übung. 

Am nächsten Vormittag wurde mit dem Bügel ein Umzug durch das ganze Dorf gemacht. An der Spitze des Zuges gingen die Musikanten und der Bügelmeister, der einen Strauß mit „Linten“ an der Brust und einen hohen Hut auf dem Kopf trug. In jedem Hause wurde eingekehrt. Der Bügelmeister bügelte die Hausfrau oder die Töchter und bekam dafür Speck, Wurst und andere Lebensmittel, die am Abend im Krug beim Tanz verzehrt wurden. Das war der übliche Verlauf der Fastnachtsfeiern, von dem es allerdings in manchen Orten auch Abweichungen gab. 

Brummtopfumzug

Ein Fastnachtsbrauch im Kerngebiet Ostpreußens, vor allem in den Landschaften Natangen, Barten und Ermland, war auch der Brummtopfumzug, der in anderen Gegenden auch um die Weihnachtszeit, meistens mit den Sternsingern und den Heiligen Drei Königen zusammen, auftrat. Ungefähr drei Personen gehörten dazu, die durch Larven oder beliebige Verkleidung unkenntlich gemacht waren. Sie zogen an den Abenden vor Fastnacht von Haus zu Haus, sangen das Brummtopflied und zupften dazu den Brummtopf. Dies war ein hölzernes Tönnchen – häufig auch nur noch ein Blechgefäß – ohne Böden, das an beiden Enden mit Kalbsfell bespannt war. Eine Schnur aus Pferdehaaren ging innen von der Mitte des einen Fells zur Mitte des anderen und kam als dünner, pferdeschweifähnlicher Quast heraus. Während ein Mann den Brummtopf gegen den Bauch oder die Wand hielt, zupfte ein anderer in zeitlich gleichen Abständen mit beiden Händen abwechselnd an diesem Haarbusch, der von Zeit zu Zeit aus einer Flasche mit Aschenwasser begossen werden musste. Das „Brummtopflied“ – so wurde es auch allgemein im Volke genannt – war in seiner Grundform überall das gleiche und hatte nur eine Menge von Spielformen entwickelt. Verhältnismäßig rein erhalten ist dies in Pettelkau, Kreis Braunsberg, gesungene Lied: 

„Wir kommen herein mit hellem Schein ohne allen Spott. / Einen schönen, guten Abend den geb euch Gott. / Wir wünschen dem Herrn einen gedeckten Tisch, / auf allen vier Ecken ein’n gebratenen Fisch. / Und in der Mitte eine Kanne mit Wein, / dass er mit der Frau kann lustig sein. / Wir wünschen der Frau eine goldene Kron, / aufs nächste Jahr einen jungen Sohn. / Wir wünschen dem Knecht einen gesatteltem Schimmel, / dass er kann reiten bis in den Himmel. / Wir wünschen dem Mittelknecht eine Häcksellad’, / dass er kann schneiden früh und spat. / Wir wünschen dem Jungen eine Geißel in die Hand, / dass er kann treiben die Schweine aufs Land. / Wir wünschen der Magd einen roten Rock, / aufs andere Jahr einen Ziegenbock. / Wir wünschen der Mittelmagd einen Besen in die Hand, / dass sie kann fegen die Stube blank.“ 

Sehr häufig schloss sich hieran noch ein Schlussteil, der in den einzelnen Gegenden sehr verschieden war. In Sieslack, Kreis Preußisch Eylau, lautete er: 

„… Wir wünschen der Frau ein Messer in die Hand, / dass sie kann schneiden den Speck so lang. / Ach, Frauchen, schneiden sie nicht den Speck zu knapp, / sonst schneiden sie sich alle Finger ab. / Und als wir sie hörten mit den Schlüsseln klingeln, / da dachten wir, sie woll’ uns eine Bratwurst bringen. / Aber nein, aber nein, das tat sie nicht, / sie brachte uns nur ein Linsengericht. / Wir wünschen der Tochter eine goldene Pfann, / und das andere Jahr einen buckligen Mann.“ 

In jüngerer Zeit traten neben dieses alte Brummtopflied oder an seine Stelle auch neuere Liebeslieder, Soldaten- und Schifferlieder, gefühlvolle Kunstlieder oder sogar Schlager. Die Brummtopfleute zogen dicht vor der Fastnachtszeit herum und sammelten Gaben für den Fastnachtstanz, die später dort gemeinsam verzehrt wurden. In der Inflationszeit und den darauffolgenden Jahren wurde der Brummtopfumzug infolge der großen Arbeitslosigkeit vielfach nur noch zum bloßen Bettelbrauch, und viele Arbeitslose aus den Städten zogen in der Fastnachtszeit oder auch sonst im Winter auf die Dörfer, um Geld und Lebensmittel zu erbetteln.

Fastnachtsgerichte

Das alte Fastnachtsgericht in Ostpreußen war Schweinskopf und Meerrettich oder „Kumst’ (Sauerkohl). Im nördlichen Ostpreußen, vor allem im ländlichen Teil des Memelgebiets, aß man Schuppinnis, ein Gericht aus Erbsenbrei mit gebratenen Spirgeln und Zwiebeln und mit gekochtem Schweinefleisch. Im Ermland gab es auch ein besonderes Fastnachtsgebäck, die Schmalzkuchen, die man in der Mundart „Schmoltkielke“, „Schmalzkailche“, „Schmalzbutschke“, „Hebebutschke“ oder einfach „Butschke“ nannte. Der Teig wurde aus Weizenmehl, Milch, Eiern, Hefe und Zucker (manchmal auch mit Rosinen) angerührt, und die rund oder länglich geformten, kleinen Kuchen wurden dann in der Pfanne in Öl oder Fett gebacken. Im evangelischen Gebiet kannte man diese Schmalzkuchen nicht. In der letzten Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg hatten auch die Pfannkuchen als Fastnachtsgebäck hier und dort bei der Landbevölkerung Eingang gefunden. Sie wurden aber allgemein noch als etwas Neumodisches und Fremdes empfunden, das aus den größeren Städten aufs Land verpflanzt worden war. 

Zu den Fastnachtsbelustigungen gehörte auch das Schaukeln auf der Scheune, das in den Kreisen Heiligenbeil und Preußisch Eylau früher überall im Schwange war. In den Kreisen Rastenburg, Bar-tenstein und Heilsberg war es dagegen nur vereinzelt üblich. Die Schaukel stellte man aus Dungflechten, Sielen oder Ketten her. Ebenso wie durch das Springen beim Fastnachtstanz glaubte man auch hierdurch das Wachstum der Flachses beeinflussen zu können. Je höher man schaukelte, desto höher sollte der Flachs wachsen. Im Kreis Heilsberg wurde Fastnacht meistens gewaschen. In Kobeln, Kreis Heilsberg, sagte man: „Damit der Puckel sommerüber nicht krumm wird.“ Anderswo hieß es aber gerade, man dürfe nicht Fastnacht waschen. In einzelnen geschlossenen Gebieten des Kreises Preußisch Eylau fuhr man Fastnacht ebenso wie am Lichtmesstage spazieren, damit der Flachs gut wuchs. 

In Barten und im Ermland südöstlich der Allelinie achtete man darauf, dass Fastnacht nicht gesponnen wurde. Dafür wusste man viele Erklärungen, beispielsweise „sonst spinnt man Bratwurst“, „sonst spinnt man allen jungen Geburten den Hintern zu“, „sonst wächst der Flachs nicht“, „damit der Maulwurf nicht so mahlt“ und so weiter. 

In ein paar Dörfern in der Südostecke des Kreises Heiligenbeil und im Süden des Kreises Preußisch Eylau begoss man sich am Fastnachtsabend mit Wasser. Der Wasserguss ist ein vielverbreiteter Fruchtbarkeitsbrauch, der in Ostpreußen sonst bei allen möglichen Gelegenheiten und zu ganz verschiedenen Zeiten üblich war, im Frühjahr, in der Karwoche, zu Ostern, beim Beginn der Feldbestellung und besonders bei der Ernte. 

„Fleisch heraus – Fast ins Haus“

Mit dem Aschermittwoch begann im Ermland die 40-tägige Fastenzeit. Während dieser Zeit durfte kein Fleisch gegessen werden. Deshalb sagte man zu Beginn: „Fleisch heraus – Fast ins Haus“ und am zweiten Osterfeiertag, der früher die Fastenzeit beschloss: „Fast heraus – Fleisch ins Haus“. Auch sonst gab es genaue Vorschriften für das Essen. In den letzten Jahren vor der Vertreibung wurde die Fastenzeit aber nicht mehr so streng eingehalten. Man fastete nur noch in der Karwoche oder sogar nur an den drei oder den beiden letzten Tagen der Karwoche. Vor der langen Fastenzeit wollte man sich noch einmal gütlich tun. Deshalb konnte man Fastnacht kein Maß halten. „Fastnacht wird gegessen, so oft der Hund mit dem Schwanz wedelt“, hieß ein ermländisches Sprichwort. Besonders Fleisch wurde in Unmengen verzehrt. 

Der Aschermittwoch als der erste Tag der Fastenzeit war auch im Brauchtum bedeutungsvoll. An diesem Tage wurden die Fleischtöpfe mit Klunkergarn ausgebrannt oder ausgescheuert, sodass kein bisschen Fett mehr darin blieb. Meistens wurden diese Töpfe überhaupt für die ganze Zeit verwahrt.

Diese Tatsache, dass am Aschermittwoch alles Fleisch und Speck auf dem Hausboden (Söller) in einer Tonne verwahrt wurde, umschrieb der Ermländer in scherzhaften Redensarten. Er sagte: „Der Speck wird in den Wald getragen und an den Tannen aufgehängt. Zu Ostern wird er wieder heruntergeholt“, oder: „Aschermittwoch gaiht et Fleesch inne Woald.“ Es hieß auch, dass Pfannen und Töpfe, Wurst und Speck „auf den Kapellensöller getragen“ wurden. 

Im Ermland war der Aschermittwoch noch ein Feiertag. Früher wurde da überhaupt nicht gearbeitet, später auch erst von Mittag ab. Am Vormittag während des Gottesdienstes streute der Pfarrer jedem Kirchenbesucher Asche aufs Haupt. Für die Familienmitglieder, die nicht in der Kirche waren, nahm man im Gebetbuch etwas Asche mit und bestreute sie damit zu Hause. 

Die Männer blieben häufig gleich im Krug zusammen, oder sie gingen am Nachmittag oder Abend dorthin, um „die Asche abzuspülen“ oder zu „äschern“, wie man im Kreis Rößel sagte, das heißt tüchtig zu trinken. Jedenfalls musste am Aschermittwoch gefeiert werden. In manchen Orten entsann man sich noch, dass in alter Zeit zu Aschermittwoch „um die Mutz getanzt“ wurde, damit der Flachs gut wachsen sollte. Über die Form dieses Tanzes wusste man aber nichts mehr zu berichten.