26.04.2024

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Folge 08-22 vom 25. Februar 2022 / Der Wochenrückblick / Immer schneller / Wie Putin seinen Handstreich genießt, und wie sich Deutschland dem Graben nähert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-22 vom 25. Februar 2022

Der Wochenrückblick
Immer schneller
Wie Putin seinen Handstreich genießt, und wie sich Deutschland dem Graben nähert
Hans Heckel

Man stelle sich das mal vor, und zwar mitten im Europa unserer Zeit: Da reißt eine große Übermacht ein Gebiet aus einem kleinen Land mit Hilfe lokaler Separatisten gewaltsam heraus. Angeblich, um den Separatisten bei der Erlangung ihres Selbstbestimmungsrechts zu helfen. Und dann erkennt die große Übermacht das entrissene Gebiet auch noch als „unabhängigen Staat“ an, wo in Wahrheit kaum mehr entstanden ist als ein wackeliges Gebilde, das von dubiosen Gestalten dominiert wird. Völkerrecht? Drauf gepfiffen!

Wie soll die freie Welt auf so einen Vorgang reagieren? Na, das ist doch wohl klar, oder? Nun, vielleicht auch nicht. Es kommt ganz darauf an, ob das Gebiet Lugansk oder Donezk heißt oder – Kosovo. Große Übermächte, auch Großmächte genannt, pflegen einen bemerkenswert elastischen Umgang mit dem, was wir so andachtsvoll Völkerrecht nennen. Es kommt immer darauf an, wie ihre eigene Interessenlage gerade sortiert ist. Zu dieser Geschmeidigkeit gehört es, dass man zutiefst empört ist (oder tut), wenn eine Konkurrenzmacht die gleiche Elastizität an den Tag legt, die man eigentlich für sich allein reserviert wähnte. Wer lässt sich schon gern vom Fluch seiner bösen Tat einholen?

Wladimir Putin genießt seinen Schlag in vollen Zügen. Haben Sie ihn gesehen, wie er da saß, nachdem er die Unterschrift unter die Anerkennung dieser seltsamen „Volksrepubliken“ durch Russland unterzeichnet hatte? Er rieb sich die Hände, grinste diebisch zur Seite und rutschte vor Freude mit dem Hintern auf dem Stuhl hin und her – wie ein Kind, das beim „Mensch ärgere Dich nicht“ gerade eine gegnerische Figur kurz vor deren Zieleinlauf rausgeschossen und zurück auf Anfang gekickt hat.

Im Westen rang man nach einer „Antwort“ auf den Moskauer Handstreich – und hatte auch sofort eine gefunden: Nord Stream 2 sei erst einmal auf Eis gelegt, hat unser Kanzler verkündet. Immerhin, damit kann US-Präsident Biden wenigstens einen Erfolg vorweisen. Glücklicherweise verliert Olaf Scholz aus Rücksicht auf den US-Verbündeten kein Wort über die umfangreichen Ölimporte der USA aus Russland. Er will, so heißt es aus Kreisen, die es wissen müssen, in der Krise die transatlantischen Beziehungen nicht gefährden. Netter Mann, so stellen wir uns das vor: Wenn die Deutschen russisches Gas einführen, ist das ein Thema, über das alle reden müssen, weil so ein Handel die Bündnissolidarität untergräbt. Wenn die Amerikaner dagegen Putins Öl kaufen, geht das niemanden etwas an. Wir wollen schließlich höflich bleiben innerhalb des westlichen Bündnisses.

Es ist eben alles eine Frage des Blickwinkels, und der ist bei uns ein ganz anderer als in den USA, wo man auf „nationale Interessen“ und die Energiesicherheit des eigenen Landes starrt. Wie rückständig! Wir haben weit Wichtigeres im Auge: Als sich am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz rund 30 deutsche Industriekapitäne zum Essen versammelten, haben nicht mal ganz linke Kritiker geunkt, dass die „Rüstungslobby“ das internationale Treffen gebrauche, um – ja was wohl? – Lobbyismus bei den vielen angereisten Regierungsvertretern zu betreiben.

Keine Rüstung, keine Energie

Nein, nennenswerte mediale Erregung rief allein die Entdeckung hervor, dass an dem Treffen keine Frauen beteiligt gewesen waren. Ja, das sind unsere wirklichen Probleme, von denen wir uns nicht abbringen lassen, selbst wenn die Welt einem möglicherweise apokalyptischen Desaster entgegentrudeln sollte, wonach es glücklicherweise noch nicht aussieht. Aber wenn es schon passieren sollte, dann bitte geschlechtergerecht gegendert. Putin wird sich seinen Teil gedacht haben, sofern er von dem Gehühner über die fehlende Frauenquote auf dem Lobbyisten-Bankett überhaupt erfahren hat.

Vielleicht löst sich das Problem mit den deutschen Rüstungskonzernen auf verblüffend einfache Weise. Nachdem wir die Bundeswehr als Abnehmer für deutsche Waffentechnik auf einen kümmerlichen Rest zusammengeschrumpft haben, ist für die hiesigen Rüstungsschmieden das Auslandsgeschäft noch überlebenswichtiger geworden. 

Dem will die Ampel-Regierung nun aber energisch einen Riegel vorschieben. Außenministerin Baerbock pocht auf weit strengere Kontrollen für bundesrepublikanische Rüstungsexporte. Bei den amerikanischen, russischen, chinesischen und anderen Konkurrenten der deutschen Waffenindustrie wird die Berliner Strenge große Genugtuung hervorrufen, sie können die deutschen Marktanteile ja übernehmen.

Das jedoch lässt uns kalt, denn wir wollen schließlich Vorbilder sein und vor allem ein Vorreiter, dem anderen – in Ehrfurcht erstarrend vor unserer moralischen Überlegenheit – beschämt folgen werden. Irgendwann. Vielleicht. Waffen können wir bis auf Weiteres ja im Ausland kaufen.

So wie Energie, auch da sind wir bekanntlich globale Vorreiter, dem die übrigen Nationen schon bald hinterher traben werden. Ganz bestimmt. Oder sollte man ehrlicherweise sagen: Hoffentlich lieber nicht?

Ob und wie sich das Ende der Pipeline Nord Stream 2 auf unsere Energieversorgung im kommenden Winter 2022/23 auswirken wird, wissen wir noch nicht. Trotzdem sind wir eifrig bemüht, unseren Strombedarf steil nach oben zu treiben. Selbst die Stahlindustrie soll auf Strombetrieb umgestellt werden. Allein das ThyssenKrupp-Werk in Duisburg benötigt dann viereinhalb Mal so viel Strom wie ganz Hamburg. Mal sehen, wo der dann herkommt.

Na, ist doch klar: Aus französischen Atom- und polnischen Kohlekraftwerken. Ja, aber was, wenn die unserem „Vorbild“ tatsächlich hinterherlaufen und ebenfalls von Knall auf Fall „dekarbonisieren“? Daran hatte offenbar niemand so richtig gedacht. Doch erleichtert stellen wir fest, dass die Nachbarn nicht daran denken, dem leuchtenden deutschen Klimaschutz-Idol nachzueifern. So sind wir noch mal davongekommen.

Dass wir diesen Winter nicht einmal frieren müssen, wenn die Russen das Gas über Nacht ganz abstellen, führen Experten übrigens auf den Klimawandel zurück: Der habe uns den milden Winter beschert, der unsere Gasreserven geschont hat. Wenn dieser Wandel menschgemacht ist, müssen wir den „altem Umweltsäuen“ also richtig dankbar sein, oder nicht?

Fassen wir zusammen: Unsere pazifistische Moral können wir uns nur leisten, weil die Amis, die größten Waffenexporteure der Welt, unsere Sicherheit garantieren, wie es heißt. Unsere vorbildliche Klimapolitik funktioniert nur, weil unsere Nachbarn auf Kohle und Atom setzen. Erkennen Sie das Muster? Auch der Sozialismus konnte nur funktionieren, solange es genügend Kapitalisten gab, die hinreichend Kapital zur Verfügung gestellt haben, damit es weiterging. Indes: Irgendwann ist der rote Treck trotzdem im Graben der Geschichte gelandet. Und wir werden immer schneller.