26.04.2024

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Folge 09-22 vom 04. März 2022 / Museum / So ließ es sich früher gut leben / Das Halberstadter Schraube-Museum hat nichts mit Schrauben zu tun, ist aber trotzdem gut gezimmert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-22 vom 04. März 2022

Museum
So ließ es sich früher gut leben
Das Halberstadter Schraube-Museum hat nichts mit Schrauben zu tun, ist aber trotzdem gut gezimmert
Helga Schnehagen

Halberstadt am Nordrand des Harzes besitzt eine ganze Reihe von Sammlungen unterschiedlichster Art. Dass darunter neben dem berühmten Domschatz auch ein bedeutendes Vogelkundemuseum (Heineanum) existiert und eine Galerie von 120 Porträts berühmter Zeitgenossen des Dichters Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803), die schon Goethe bewunderte, wissen nur wenige. Noch weniger kennen das Schraube-Museum für bürgerliche Wohnkultur mit seinem Prunkstück, dem 1888 neu eingerichteten und original erhaltenen Salon. 

Spezialmuseen gibt es viele. Doch zur luxuriösen Innenausstattung bürgerlicher Wohnräume der Gründerzeit, anschauliche Zeugen der wirtschaftlichen Prosperität jener Zeit, findet man nur eine Handvoll. Dazu gehören der Standort Heynstraße 8 des Pankow Museums im Berliner Bezirk Pankow, Schloss Britz im Berliner Bezirk Neukölln oder auch die Villa Hendrichs des LVR Industriemuseums Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen.

Dass Beispiele von Innenräumen höfischer Repräsentation aus dieser Zeit noch vielfach vorhanden seien, die Existenz authentischer Wohnräume bürgerlichen Repräsentationswillens dagegen eine außergewöhnliche Seltenheit sei, betonte schon Lutz Walter in seinem Restaurierungskonzept zum Schraube-Museum. Das mag daran liegen, dass bürgerliche Wohnräume fortlaufend genutzt wurden und ihre Ausstattung früher oder später dem jeweiligen Zeitgeschmack folgte.

Nicht so das Schraube-Museum in Halberstadt, das seinen Namen Margarete Schraube verdankt, der letzten Vertreterin der alteingesessenen Halberstädter Fabrikanten- und Händlerfamilie Schraube. Obwohl die 1903 geborene Lehrerin, national erfolgreiche Schwimmerin, Turmspringerin und reiselustige Kosmopolitin eine selbstbewusste moderne Frau war, lebte sie bis zu ihrem Tod 1980 in dem elterlichen Anwesen unter Bewahrung des „musealen“ Dekors ihrer Kindheit. Ledig und kinderlos, hinterließ sie ihr Erbe der Stadt Halberstadt zur kulturellen Nutzung. 

Schulklassen bietet der Hof heute Anschauungsmaterial zum „Leben früher“. Erwachsene können in unterschiedlicher Form eine Zeitreise mit dem Hausmädchen Fräulein Clara, dem Vetter aus der Pfalz und kulinarischen Genüssen erleben. Aktuell wird noch bis zum 1. Mai in einer Sonderausstellung das Werk des aus Halberstadt stammenden Künstlers Rolf Zimmermann (1938–2016) gezeigt. In DDR-Zeiten mit Plakatentwürfen für Großbetriebe erfolgreich, zog er sich nach 1989 immer mehr in seine Malerei zurück. Eines seiner beiden Gemälde von der Altstadt Halberstadts möchte das Städtische Museum mithilfe von Spendengeldern aufkaufen.

Schraube-Museum Vogtei 48, 38820 Halberstadt, geöffnet April bis Oktober, Freitag bis Sonntag von 13 bis 17 Uhr, ab November bis 16 Uhr, Eintritt 6,50 Euro (berechtigt auch zum Eintritt ins Städtische Museum und Heineaneum). Aktuell gilt die 3G-Regel. Anmeldung Führungen: Telefon (03941) 551471, E-Mail: staedtischesmuseum@halberstadt.de. Internet: www.halberstadt.de/de/schraubemuseum.html