Am ersten Sonntag der vorösterlichen Fastenzeit hat im Jahre 1522 der Drucker und Verleger Christoph Froschauer das Fasten gebrochen, und zwar mit Fastnachtschüechli (Fettgebackenes) und scharfer Rauchwurst.
Hinter verschlossener Tür hat wohl so mancher gegen das Fastengebot, das im 4. Jahrhundert auf 40 Tage festgelegt wurde, verstoßen. Doch das sogenannte Froschauer Wurstessen wollte bewusst gegen die kirchlichen Gebote verstoßen, wollte nur die Bibel als Grundlage des christlichen Glaubens zulassen und hat letztlich eine ähnlich einschneidende Wirkung für die Reformation in der Schweiz und die reformierte Kirche gehabt wie Martin Luthers Thesenanschlag auf die Reformation in Deutschland.
Froschauer gehörte zu den Anhängern Huldrych Zwinglis. Er druckte nicht nur dessen Predigten und theologischen Schriften, sondern auch Zwinglis Zürcher Bibelübersetzung.
Zwingli war ein Reformator und stritt sich viel – auch mit Martin Luther. Als Theologe stellte Zwingli die Bibel, das Wort Gottes, über alles. Für ihn hatte allein die Bibel Autorität, allein ihr Wort bringe den Menschen das Evangelium, also die frohe Botschaft.
Der Reformator Zwingli
1519 wurde er als Stadtpfarrer nach Zürich berufen. Hier legte Zwingli seinen Predigten fortlaufend Bibeltext zugrunde und bezog sich nicht auf Perikopen (Bibeltexte zur Lesung im Gottesdienst). Er etablierte seine Auslegungen und die Stellung der Bibel als Wort Gottes nicht nur im geistlichen, sondern auch im weltlichen Leben.
Den Fastenbruch der illustren Gesellschaft, den Froschauer mit der anstrengenden Arbeit zu begründen versuchte, ein Buch für Erasmus von Rotterdam nach Frankfurt zu bringen, verurteilte der Zürcher Rat zwar und ordnete eine Untersuchung des Verstoßes sowie ein theologisches Gutachten an, rechtliche Folgen für die Beteiligten hatte der Verstoß gegen das Abstinenzverbot jedoch nicht. Der Rat von Zürich und nicht die Kirche verurteilte den Fastenbruch. „Geradezu revolutionär bzw. reformatorisch hochbrisant war aber seine Entscheidung als weltliche Behörde, in der Fastenfrage nur noch gelten zu lassen, was die Bibel dazu erlaubt bzw. verbietet“, heißt es auf der Internetseite der Zürcher reformierten Gemeinde.
Die Bibel wird Maßstab
Im April 1522 veröffentlichte Zwingli die Schrift „Die freie Wahl der Speisen“, in der er sein evangelisches Freiheitsverständnis formulierte: Christenmenschen seien von allen menschlichen Geboten und Ordnungen freigestellt, sie müssen nicht befolgt werden. Das Fastengebot habe keine Autorität der Bibel hinter sich, deshalb müsse es nicht befolgt werden. Allerdings dürfen Christenmenschen auf ihre Freiheit verzichten, denn sie müssen ihre Erkenntnis nicht jederzeit durchsetzen.
Zwingli selbst ist an dem besagten Tag zwar im Froschauer Haus, doch soll er keine Wurst gegessen haben.
1523 wurde das Fastengebot aufgehoben. Der Züricher Rat hat für das kirchenpolitische Handeln die Bibel als einzige Grundlage angenommen. Die gesamte Tradition der katholischen Kirche hatte damit keine Gesetzesgrundlage mehr.