27.04.2024

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Folge 09-22 vom 04. März 2022 / Der Wochenrückblick / Als es morgens Nacht wurde / Wie eine ganze Epoche an nur einem Tag endete, und wer das aber nicht wissen will

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-22 vom 04. März 2022

Der Wochenrückblick
Als es morgens Nacht wurde
Wie eine ganze Epoche an nur einem Tag endete, und wer das aber nicht wissen will
Hans Heckel

Kalt erwischt“ ist noch lau ausgedrückt. Putins Angriff hat uns brutal aus dem Bett geschleudert, in dem wir vom Frieden in Europa, diplomatischen Lösungen und der Magie von Gespräch und Verständigung träumten. Rumms, das war’s. Krieg, Sirenen, Bomben, Tod – und die Schwelle zum Atomkrieg.

Nicht einmal der Mann hat das kommen sehen, der es von Amts wegen als erster Deutscher hätte erkennen müssen. Bruno Kahl, der Chef unseres Auslandsgeheimdienstes BND war ausgerechnet gerade in Kiew, als es losging. Wohl, um von seinen ukrainischen Kollegen zu erfahren, was sich da eigentlich zusammenbraute. Erst verpasste Kahl seine eigene Evakuierung und dann wurde er am Kriegstag 2 von einem BND-Spezialkommando gen Polen herausgeschafft.

Kahl ist ein Musterbeispiel dafür, wie in Deutschland in jüngerer Zeit Posten besetzt wurden. Er steht seit 2016 an der Spitze der Spione. Doch während seine Vorgänger den größten Teil ihres Berufslebens im Geflecht des deutschen Geheimdienst-Apparats verbracht hatten, bevor sie die Führung des Auslandsdienstes übernahmen, hatte Kahl vor seinem Karrieresprung nicht die leiseste Berührung mit diesen Gefilden.

Aber er war ein enger Vertrauter von Wolfgang Schäuble, folgte ihm als Zuarbeiter  von der Leitung der CDU/CSU-Faktion ins Innen- und schließlich ins Finanzministerium. Zum Schluss war er dort als Ministerialdirektor Leiter der Abteilung für Privatisierungen, Beteiligungen und Bundesimmobilien. Und dann eben BND-Chef – warum auch nicht? Wir stellen diese Frage, um eine andere umgehen zu können, nämlich: Warum? Wer sich diese Frage stellt, dem kreisen so klebrige Antworten durch den Kopf wie „Versorgungsposten“ oder „Dank für treue Dienste“. In den Medien wurde Kahl nach seiner überraschenden Ernennung als „verschwiegen, loyal und fleißig“ beschrieben. Genau das haben wir gemeint.

Noch wichtiger als eine funktionierende Auslandsaufklärung ist in Kriegszeiten das Funktionieren der Militärführung. Da sitzt seit Kurzem Verteidigungsministerin Christine Lambrecht drauf. Und was zeichnet den bisherigen Werdegang der Sozialdemokratin vor dem Hintergrund ihrer jetzigen Tätigkeit ganz besonders aus? Sie ahnen es: Nämlich, dass sie sich bislang nie auch nur in einer einzigen Funktion mit Verteidigungspolitik beschäftigt hat. Schon seit 1998 im Bundestag, hat Lambrecht nicht einen Tag im Verteidigungsausschuss gesessen. Das Militärische liege ihr nicht so, soll sie gesagt haben. Wer ihren verknitterten Gesichtsausdruck gesehen hat, als sie auf einem Panzer posierte, glaubt ihr das aufs Wort. 

Nachdem sie 2019 erst einmal das Justizressort bekommen hatte, wollte Lambrecht im Herbst ja auch eigentlich Innenministerin werden. Den Posten bekam aber Nancy Faeser (selbstredend auch eine vorzügliche Wahl!) – da war Genossin Lambrecht auf einmal über, was schon wegen der Frauenquote nicht sein durfte. Also warf ihr Kanzler Scholz die Landesverteidigung vor die Füße.

Im Hause angekommen holte sie sich alte Getreue nach, die sich ebenso wenig für Verteidigung erwärmen können wie sie, und bildete mit ihnen eine Art Wagenburg aus lauter Fachfremden, wie aus dem Flurfunk des Ministeriums nach außen drang. Lambrechts wichtigste Anliegen seien Sachen wie der „Kampf gegen Rechts“ in der Bundeswehr oder die Ernennung weiblicher Generäle.

Das Ende der Tri-Tra-Trullala-Republik

Dann kam der Krieg, und Lambrecht sieht auf einmal aus wie eine Karikatur jener links-ideologischen Tri-Tra-Trullala-Republik, die am 24. Februar 2022 von der Weltgeschichte begraben wurde, als es früh am Morgen Nacht wurde über Europa. Plötzlich dreht sich alles um „das Militärische“, um Sieg oder Niederlage an der Front, statt um die weltanschauliche Verdächtigung der Truppe oder die Frauenquote.

Mittlerweile herrscht ziemlicher Stunk im Verteidigungsministerium. Verblüffenderweise machen die hohen und höchsten Offiziere aus ihrem Herzen auch keine Mördergrube mehr und lassen ihrem Frust freien Lauf. Dilettantismus sei das, was sich an der Spitze des Hauses zutrage. Und nun soll Lambrecht auch noch einen Giganten-Etat von zusätzlichen 100 Milliarden Euro sinnvoll verplanen. 

Der 100-Milliarden-Beschluss ist irgendwie beides: Ein großer Befreiungsschlag und eine panische Flucht nach vorn ebenso. Was am Ende dabei herauskommt, liegt ganz zentral am Verteidigungsminister. Was das wohl werden wird? Lambrechts Steckenpferd „Kampf gegen Rechts“ hat durch die jüngsten Ereignisse einen besonders tiefen Kratzer abbekommen, auch wenn sich die mediale Öffentlichkeit große Mühe gibt, diesen Punkt nicht tiefer zu betrachten. Womit hat Putin seinen Angriff noch gerechtfertigt? Er wolle die Ukraine „entnazifizieren“, die „Nazis“, die in Kiew regierten, davonjagen. Offenbar hat der Kreml-Herr mitbekommen, dass man im Westen unter dem Vorwand, es gehe schließlich gegen „Nazis“, seinem Gegner zusetzen kann wie man will. 

Zu seinem Pech hat Putin den Antifa-Bogen mit seinem perfiden Vorwand derart überspannt, dass er gebrochen ist. Zumal mit Wolodymyr Selenskyi ausgerechnet ein Mann jüdischen Glaubens an der Spitze des angeblichen „Nazi-Regimes von Kiew“ steht. Da geht dann selbst der Dümmste nicht mehr mit und lernt: „Nazi“ bedeutet heute nicht mehr als „der Gegner, den ich maximal beschimpfen will“. Ein Anwurf also, der so hohl ist wie eine taube Nuss. Nur ekliger.

Wo wir gerade bei Vorwänden sind: Putin lässt die Demonstranten, die sich in Moskau und zahllosen anderen Städten Russlands mutig gegen seinen Krieg stellen, mit der Begründung verhaften, sie verstießen gegen die Pandemie-Regeln – alles „Nazis“ und „Corona-Leugner“. Dazu sagen wir jetzt mal nichts. 

Ja, wir wurden aus den Betten geschleudert, die Landung war hart. Obwohl: Mehr als 40 Millionen Ukrainer, die jetzt täglich Tod und Verstümmelung ins Auge sehen, hätten unsere Sorgen liebend gerne. Oder seine, also die von Karl Lauterbach. Der klammert sich immer noch an seine Bettdecke. Lauterbachs erster Kommentar zum Ukraine-Krieg dürfte in die Geschichte eingehen. 

Gegenüber Euronews sagte der deutsche Gesundheitsminister: „Die Welt hat wirklich Besseres zu tun, als sich mit den Großmachtphantasien von Putin zu beschäftigen. Wir müssen den Klimawandel bekämpfen, wir müssen die Pandemie bekämpfen, wir müssen neue Pandemien verhindern.“

Aufschlussreich, wie der Minister die Bereiche „wirklich“ (Klimarettung, Weltbedrohung durch Omikron) und „Phantasie“ (Ukraine-Krieg) zuordnet. Da sieht man die ganze Verwirrung jener zu Ende gegangenen Epoche noch einmal vor sich aufgeblättert. Um diese Epoche ist es „wirklich“ nicht schade, entsetzlich nur, dass ihr Ende auf eine so furchtbare Weise gekommen ist, die sich niemand vorstellen mochte, die einen jeden bis ins Mark erschüttern muss.