„Wenn du in Berlin Russisch sprichst, musst du jetzt aufpassen, dass du keine auf die Fresse kriegst.“ Diese Drohung verbreitet sich derzeit vielfach in den sozialen Medien.
Auch wenn seit dem Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges die meisten Menschen mit russischem Pass hierzulande in der Regel unbehelligt bleiben, so deutet sich doch der Trend an, ihnen kein Gehör mehr zu schenken. Mütter berichten, dass ihre Kinder in der Schule Anfeindungen ausgesetzt sind, sie von Klassenaktivitäten ausgeschlossen werden, selbst wenn sie ein deutsches Elternteil haben und für den Krieg in der Ukraine rein gar nichts können. Nachrichten von eingeschlagenen oder beschmierten Fensterscheiben russischer Geschäfte kommen nicht nur aus Deutschland, auch in Frankreich, Spanien und anderswo wird gegen Russen mobil gemacht.
Das Leid der Menschen im Krieg in der Ukraine, der zweifellos von Russland ausgeht und Wladimir Putin persönlich anzulasten ist, bestimmt tagtäglich unsere Nachrichten. Irrationale Anfeindungen gegen alles Russische könnten auch die ukrainischen Flüchtlinge treffen, die Schutz verdienen. Etwa 30 bis 50 Prozent der Ukrainer sprechen auch heute noch Russisch trotz der vielen Bemühungen der verschiedenen Regierungen, die Sprache zu verdrängen.
Wie kann es sein, dass in einem demokratischen Land wie Deutschland, das seit Jahrzehnten jeder noch so kleinen Minderheit Schutz gewährt, nun russische Menschen, die hier als gute Nachbarn leben, Steuern zahlen und in der Regel die Gesetze achten, nun Angst davor haben müssen, für die Taten eines knapp 2000 Kilometer entfernten Regierungschefs in Haftung genommen werden?
Die Freiheitsrechte unserer Gesellschaft gelten auch für Russen.