20.05.2024

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Folge 10-22 vom 11. März 2022 / Operation Northwoods / Wie die US-Militärführung einen Angriff auf Kuba rechtfertigen wollte / Terrorakte unter falscher Flagge sollten den Vorwand für das Zuschlagen der US-Streitkräfte liefern. Vor 60 Jahren präsentierten die Joint Chiefs of Staff ihrem Präsidenten einen entsprechenden Plan

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-22 vom 11. März 2022

Operation Northwoods
Wie die US-Militärführung einen Angriff auf Kuba rechtfertigen wollte
Terrorakte unter falscher Flagge sollten den Vorwand für das Zuschlagen der US-Streitkräfte liefern. Vor 60 Jahren präsentierten die Joint Chiefs of Staff ihrem Präsidenten einen entsprechenden Plan
Wolfgang Kaufmann

Nach dem Scheitern der vom US-Auslandsgeheimdienst Central Intelligence Agency (CIA) initiierten Invasion von Exilkubanern in der Schweinebucht im April 1961 suchte die Führung in Washington unter Präsident John F. Kennedy nach alternativen Möglichkeiten, um auf der Insel einen Regime Change durchzuführen. Hierfür initiierte Kennedy ein Komitee unter der Leitung seines Bruders Robert, das im November 1961 die Geheimoperation Mongoose beschloss. Die stand unter der Leitung von Brigadier General Edward Lansdale und verfolgte das Ziel, Castro zu ermorden und ein den USA genehmeres Regime auf der Zuckerrohrinsel zu installieren. 

Es herrschte im Komitee Konsens, dass bei direkten militärischen Aktionen der Vereinigten Staaten gegenüber Kuba es ratsam war, der eigenen Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit gravierende Vorwände zu präsentieren. Deshalb ersuchte Lansdale die Joint Chiefs of Staff (JCS) am 5. März 1962 um die Übersendung einer „kurzen, aber genauen Beschreibung von Vorwänden …, die eine Rechtfertigung für eine militärische Intervention der USA in Kuba liefern würden“.

„Gut koordinierte Zwischenfälle“

In Reaktion hierauf übermittelten die JCS am 13. März 1962 die erbetene Auflistung unter dem Titel „Justification for Military Intervention in Cuba“. Sie trug die Unterschrift des Vorsitzenden der JCS, General Lyman Lemnitzer, und wurde sowohl dem Verteidigungsminister, Robert McNamara, als auch dem Präsidenten vorgelegt. Darin empfahlen die Stabschefs der Teilstreitkräfte samt der Nationalgarde zahlreiche „false flag operations“, Unternehmen unter falscher Flagge. Militärische Kommandotrupps oder CIA-Agenten sollten nicht nur kubanische Attacken auf die Streitkräfte der Vereinigten Staaten vortäuschen, sondern ebenso Terrorakte gegen zivile Schiffe und Flugzeuge der USA unter falscher Flagge verüben, um Kuba zu diskreditieren und eine scheinbare Legitimation für vorgebliche Gegenschläge zu erlangen.

Im Einzelnen enthalten das Schreiben und dessen Anhänge fast zwei Dutzend Ideen hinsichtlich der Inszenierung von „gut koordinierten Zwischenfällen“. Thematisiert werden unter anderem die diversen Möglichkeiten, den fälschlichen Eindruck zu erwecken, dass Castros Militär Angriffe auf die seit 1903 von den USA genutzte Guantanamo Bay Naval Base gestartet oder Schiffe auf dem Weg dahin versenkt hätte. Dem folgen dann Sätze wie: „Wir könnten eine scheinbare Terrorkampagne der kubanischen Kommunisten in Miami und anderen Städten in Florida oder sogar in Washington entfachen … Wir könnten ein Boot voller kubanischer Flüchtlinge auf den Weg nach Florida versenken (tatsächlich oder vorgeblich).“ Anschließend heißt es, Angriffe durch Militärmaschinen scheinbar kubanischer Herkunft würden sicher „für zusätzliche Provokationen sorgen … brauchbare Nachbildungen von MIG-Kampfflugzeugen ließen sich in etwa drei Monaten fabrizieren“.

In diesem Zusammenhang wird unter Punkt 8 ausgeführt: „Es wäre möglich, einen Vorfall zu inszenieren, bei dem ein ,kubanisches‘ Flugzeug eine zivile Chartermaschine auf dem Weg von den USA nach Jamaika, Guatemala, Panama oder Venezuela angreift und abschießt.“ Als Passagiere kämen dabei idealerweise amerikanische Studenten auf einem Urlaubsflug in Frage. Dabei sollte der Tod der Insassen der Maschine vorgetäuscht werden, indem man eine ferngesteuerte unbemannte Kopie des zivilen Flugzeugs nach fingierten Notrufen über dem offenen Meer abstürzen lässt.

Außerdem erwogen die Staatschefs, kubanische Attacken gegen benachbarte karibische Staaten wie Haiti, Guatemala, Nicaragua oder die Dominikanische Republik „zu simulieren“. So zum Beispiel in Form von nächtlichen Luftangriffen „kubanischer“ Bomber auf Flugplätze der Streitkräfte der Dominikanischen Republik. „Diese könnten durch ,kubanische‘ Funksprüche sowie ,kubanische‘ Waffenlieferungen … an die kommunistische Guerilla-Bewegung im Lande … ergänzt werden.“

Die JCS ließen sich nicht beirren

Wie aus einer Aktennotiz von Lansdale mit dem Titel „Meeting with the President, 16 March 1962“ hervorgeht, lehnte Kennedy die Vorschläge an jenem Tage ab. „Der Präsident sagte unverblümt, dass wir nicht über den Einsatz militärischer Gewalt diskutierten, dass General Lemnitzer die USA in Berlin oder anderswo derart engagiert finden könnte, dass er nicht in der Lage wäre, die in Betracht gezogenen vier Divisionen in Kuba einzusetzen.“ Dem schloss sich McNamara unmittelbar darauf an. Kennedy argumentierte also nicht ethisch-moralisch gegen die Vorschläge. Er kritisierte nicht etwa das Handeln unter falscher Flagge, sondern die Bindung von seines Erachtens zu vielen Truppen.  

Trotz Lemnitzers zwischenzeitlicher Abschiebung nach Europa planten die Joint Chiefs of Staff 1963 nochmals „false flag operations“ gegen das Castro-Regime. Nun sollte ein kubanischer Angriff auf Jamaika oder Trinidad-Tobago vorgetäuscht werden, um Hilferufe an die Adresse der USA zu provozieren. Doch Kennedy war nach wie vor nicht bereit, diese Ideen der Militärführung aufzugreifen.





Kurzbiographien

Robert F. Kennedy wurde nach der Wahl seines älteren Bruders zum Präsidenten im Jahre 1960 US-Justizminister und einer dessen engsten Berater.

Edward Lansdale hat in beiden Indochinakriegen Erfahrungen in der Führung asymmetrischer Kriege gesammelt. 1957 bis 1963 arbeitete er im Pentagon.

Der vormalige Präsident der Ford Motor Company und spätere Weltbankpräsident Robert McNamara war von 1961 bis 1968 Verteidigungsminister der USA.