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Folge 10-22 vom 11. März 2022 / Rauschmittel / Mit Risiken und Nebenwirkungen / Die Regierung plant die Freigabe von Cannabis – Der freie Verkauf des potentiellen Suchtmittels bleibt aber höchst umstritten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-22 vom 11. März 2022

Rauschmittel
Mit Risiken und Nebenwirkungen
Die Regierung plant die Freigabe von Cannabis – Der freie Verkauf des potentiellen Suchtmittels bleibt aber höchst umstritten
Dagmar Jestrzemski

Die neue Bundesregierung will den Verkauf und den Konsum von limitierten Mengen Cannabis für Erwachsene „für den Freizeitgebrauch“ legalisieren. Zur Begründung heißt es, die jahrzehntelange Verbotspolitik sei gescheitert, der Konsum von Cannabis „weit verbreitet“. Cannabis sei längst als Wochenend- und Feierabenddroge etabliert. 

Weiter wird argumentiert, dass auf dem Schwarzmarkt zunehmend Produkte in Umlauf seien, die mit gefährlichen Substanzen gestreckt sind und einen gefährlich hohen Anteil an THC (Tetrahydrocannabinol) enthalten, also derjenigen psychoaktiven Substanz der Hanfpflanze (Cannabis), die eine berauschende Wirkung hat. 

Durch „Transparenz“ im Handel mit dem angeblich nicht süchtig machenden Rauschgift solle der Schwarzmarkt ausgetrocknet werden. Beabsichtigt ist eine kontrollierte Abgabe von maximal 15 Gramm Cannabis von geprüfter Qualität „zu Genusszwecken“ an Erwachsene ab 18 Jahren in lizenzierten Geschäften. So werde die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet. 

Nach Schätzungen könnte der Fiskus durch den Wegfall der Strafverfolgung und durch Steuereinnahmen über 2,39 Milliarden Euro zusätzlich verfügen. Zwar ist Kiffen schon heute straffrei, der Handel, Kauf und Besitz von Cannabis sind aber illegal. In Berlin werden bis zu 15 Gramm als Eigenbedarf toleriert. Medizinalhanf kann in Deutschland schwerkranken Menschen schon seit 2017 verordnet werden.

Es gibt jedoch erhebliche Zweifel an der Idee, dass der organisierten Kriminalität derart die Geschäftsgrundlage entzogen werden kann. Das Beispiel Amsterdam zeigt im Gegenteil, dass die Drogenmafia durch eine lizenzierte legale Abgabe von Cannabis nicht wirksam zurückgedrängt werden kann. Im europäischen Drogenumschlagplatz Nummer 1 wurden der illegale Anbau und Handel sowie Drogenschmuggel und Vertrieb durch diese Maßnahme sogar gestärkt. 

Lieber lenkt die neue Bundesregierung den Blick auf Kanada, wo der legale Anbau, Weiterverarbeitung, Großhandel und Vertrieb in staatlich lizenzierten Stellen 2018 gleichzeitig startete. Allerdings existiert auch in Kanada nach wie vor ein Schwarzmarkt, da die Cannabis-Nutzer dort mehr und billigere Produkte bekommen als in den Läden. Das genau ist die Befürchtung vieler Kritiker des umstrittenen Vorhabens der Regierung. 

Fadenscheinige Argumente dafür

Tatsächlich finden es viele „ganz normale“ Bürger okay, wenn sie selbst oder andere gelegentlich am Feierabend „zur Entspannung“ einen Joint rauchen. Doch eine Mehrheit von 58 Prozent spricht sich gegen die geplante Legalisierung von Cannabis aus. Laut einer Befragung im Jahr 2018 hatten acht Prozent der Jugendlichen und 23 Prozent der jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert. Regelmäßiges Haschischrauchen, also häufiger als zehnmal in den letzten zehn Monaten, gaben 1,6 Prozent der Jugendlichen und 6,9 Prozent der jungen Erwachsenen an.

Männliche Befragte nahmen die Droge häufiger als weibliche. Damit sind die Konsumentenzahlen auf dem Höchststand seit 1993. Den gelegentlichen Cannabiskonsum von Menschen zwischen 

18 und 64 Jahren schätzt der Deutsche Hanfverband auf mindestens 3,7 Millionen oder 7,1 Prozent der Bevölkerung. Niemand hat jedoch einen Überblick über das soziale Umfeld der Konsumenten, und die Erfahrungen mit dem angeblich harmlosen „Stoff“ sind durchaus sehr unterschiedlich. Seltsamerweise aber fehlt eine Sammlung von einschlägigen Erfahrungsberichten. 

Die Regierung will erst nach der Legalisierung von Cannabis „wissenschaftliche Modellprojekte“ durchführen, um die Auswirkung auf die Gesellschaft zu überprüfen. Den Abgeordneten werden also wichtige Hintergrundinformationen vor der Abstimmung im Bundestag fehlen. Bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses im Juni 2021 plädierten die meisten Experten für eine lizenzierte legale Abgabe von Cannabis, weil damit eine Entkriminalisierung der Konsumenten und mehr Verbraucherschutz erreicht würden. Mediziner äußerten jedoch Bedenken. Sie befürchten unter anderem eine Zunahme der Suchtproblematik. 

Die Sorge, dass Cannabis zur Einstiegsdroge für harte illegale Rauschmittel wie Kokain und Heroin werden könnte, weisen die Befürworter der Legalisierung jedoch zurück: Diese Behauptung sei schon vor Jahrzehnten widerlegt worden. Neuere Untersuchungen hierzu fehlen jedoch. Dass sich mehr junge Menschen durch das Rauchen von Joints auch an das Rauchen von Zigaretten gewöhnen könnten, spielt bei den bisherigen Diskussionen kaum eine Rolle. Man ahnt, dass die Entscheidung für dieses Vorhaben unter dem Verweis auf „Chancen und Risiken“ als „alternativlos“ gilt. Hoffnungen auf bessere Geschäfte machen sich jetzt Firmen, die schon eine Lizenz für den Anbau von medizinischem Hanf von der staatlichen Cannabisagentur haben.

Mehr „Bekiffte“ am Steuer

Auf dem Deutschen Ärztetag am 1. und 2. November 2021 wurde unter anderem vor den möglichen Folgen der legalen Abgabe von Cannabis für die medizinische Versorgung gewarnt. Aus mehreren Ländern würden Hinweise vorliegen, dass es danach zu einem Anstieg des Konsums von Cannabis sowie zu einer Zunahme cannabisbedingter Notaufnahmen komme. Auch zeige sich in diesen Ländern ein erhöhter psychiatrischer Behandlungsbedarf. Besonders gefährdet seien Jugendliche. Wer früh Hasch raucht, erhöhe sein Risiko für psychische Störungen. 

Wenn schon eine Freigabe des Handels mit Cannabisprodukten erfolgen soll, dann nur an Erwachsene ab 21 Jahren. Der Behauptung „74.000 Tote jährlich durch Alkohol, 0 Tote durch Cannabis“ kann im Übrigen nur deshalb nicht widersprochen werden, da auch hierzu keine verwertbaren Untersuchungen vorliegen. Eine im November letzten Jahres veröffentlichte Studie aus Kanada ergab jedoch, dass Cannabis-Konsumenten im Vergleich mit Menschen, die nie Cannabis konsumieren, ein fast doppelt so hohes Risiko haben, einen Herzinfarkt zu erleiden.

Laut Polizeigewerkschaft ist eine Kontrolle des Cannabis-Handels reines Wunschdenken. Trotz des Verbots, sich nach dem Konsum von Drogen ans Steuer zu setzen, sei mit einer Zunahme von Autofahrern unter Drogeneinfluss zu rechnen. Dadurch würden mehr Menschen unverschuldet zu Schaden oder gar zu Tode kommen. Der Nachweis kann jedoch nicht durch einen Atemtest erfolgen, sondern nur durch eine Blutuntersuchung oder eine Urinprobe. Dafür sind Polizisten aber weder ausgebildet noch zuständig. So werden also in Zukunft bei routinemäßigen Verkehrskontrollen bekiffte, aber in ihrem Verhalten momentan unauffällige Autofahrer kaum erkannt und herausgefischt werden können.