20.05.2024

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Folge 10-22 vom 11. März 2022 / Für Sie gelesen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-22 vom 11. März 2022

Für Sie gelesen

Geschichte der Spionage 

Jürgen W. Schmidt ist der produktivste Geheimdiensthistoriker Deutschlands. Er legte bislang elf Monographien, Aufsatzbände und Quelleneditionen zum Thema Geheime Nachrichtendienste vor. Nun erschien der zwölfte Band mit dem Titel „Spionage, Chiffren und chemische Kampfstoffe. Fallstudien und Dokumente aus 220 Jahren Geheimdienstgeschichte“. Dieser besteht aus drei Hauptteilen, wobei fünf der insgesamt 20 Beiträge von Schmidts Fachkollegen Mario Kandil, Hilmar-Detlef Brückner, Wojciech Skóra und Helmut Roewer stammen.

Eingangs geht es um Spionage beziehungsweise deren Abwehr, die Biographien von zwei Agenten namens Heinrich Pfeiffer und Wolfgang Gans Edler Herr zu Putlitz, die Aufklärung von Terrorakten sowie ein spektakuläres Kommandounternehmen der Wehrmacht zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Der Zweck des Letzteren bestand darin, die Giftgasvorräte im Chemiewerk Dyhernfurth nordwestlich von Breslau zu vernichten, bevor sie in die Hände der Roten Armee fielen. Das gelang auch, allerdings konnten sowjetische Geheimdienstler die unbeschädigten Anlagen zur Tabun- und Sarin-Produktion sicherstellen, was maßgeblich mit dazu beitrug, dass die UdSSR ihren Rückstand auf dem Gebiet der Chemiewaffenentwicklung aufzuholen vermochte. 

Ansonsten reicht die zeitliche und inhaltliche Bandbreite des ersten Teils vom Attentatsversuch auf Napoleon Bonaparte mittels einer „Höllenmaschine“ am 24. Dezember 1800, der durch den ebenso genialen wie brutalen Polizeiminister Joseph Fouché aufgeklärt wurde, bis hin zu markanten Fällen ausländischer Spionage in Russland zwischen 1990 und 2020.

Im anschließenden zweiten Teil werden die Themen Chiffrierung und Dechiffrierung behandelt. Ein Aufsatz widmet sich dabei dem Gebrauch von Verschlüsselungssystemen seitens der preußischen Innenverwaltung im Regierungsbezirk Bromberg. Danach kommt die Entzifferung britischer und französischer Marine-Depeschen zur Sprache, bevor dann von einem Coup des US-Geheimdienstes Central Intelligence Agency aus dem Jahre 1980 berichtet wird. Damals vermochte es die CIA, den KGB-Chiffrierexperten Viktor Schejmow in den Westen zu schmuggeln, ohne dass der sowjetische Geheimdienst dies verhindern konnte.

Teil Drei des Buches besteht aus einer Sammlung von bisher unpublizierten Dokumenten zur Geheimdienstgeschichte – beginnend mit dem Bericht eines österreichisch-ungarischen Offiziers über russische Kriegsschiffe im Hafen von Dschibuti vom Februar 1905 und endend mit einigen Lagemeldungen, welche Auskunft über die Tätigkeit der deutschen Funkaufklärung an der Ostfront Ende 1944 geben.

Ansonsten ist Schmidts Buch auch insofern eine Fundgrube, als es auf 30 Seiten eine kritische Analyse aller Neuerscheinungen auf dem Gebiet der Geheimdienstgeschichte während der Jahre von 2016 bis 2020 bietet.

Wolfgang Kaufmann

Jürgen W. Schmidt (Hrsg.): „Spionage, Chiffren und chemische Kampfstoffe. Fallstudien aus 220 Jahren Geheimdienstgeschichte“, Verlag Dr. Köster, Berlin 2021, gebunden, 415 Seiten, 29,95 Euro