20.05.2024

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Folge 11-22 vom 18. März 2022 / Politik / Ein abermaliger Weckruf an eine geforderte Nation / Der Ukraine-Krieg erinnert die Deutschen einmal mehr daran, dass sie sich ihre Weltabgewandtheit nicht mehr leisten können

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-22 vom 18. März 2022

Politik
Ein abermaliger Weckruf an eine geforderte Nation
Der Ukraine-Krieg erinnert die Deutschen einmal mehr daran, dass sie sich ihre Weltabgewandtheit nicht mehr leisten können
René Nehring

Der russisch-ukrainische Krieg ist der dritte Ernstfall, mit dem die deutsche Politik innerhalb der letzten zwei Jahre konfrontiert wurde – und der dritte Ernstfall, auf den sie nicht ansatzweise angemessen vorbereitet war. 

Als sich zu Beginn des Jahres 2020 das Coronavirus um die Welt ausbreitete, hatte Deutschland nicht einmal ein paar Schutzmasken, sondern musste diese ad hoc zu überteuerten Preisen in China beschaffen. Im vergangenen Sommer waren die Verantwortungsträger vor Ort trotz konkreter Warnungen der Wetterdienste nicht in der Lage, die Menschen an Ahr, Prüm und Kyll vor einem Jahrhunderthochwasser zu retten. Und während im Herbst 2021 die „Ampel“-Koalitionäre ihr „Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ aushandelten und am Ende stolz ihren Koalitionsvertrag präsentierten, in dem es um nichts Geringeres als die Rettung der Erde ging, bekam hierzulande niemand etwas davon mit, dass weiter östlich der Aufmarsch zum größten Landkrieg in Europa seit 1945 begann. 

Selbst als der Angriff der Russen auf die Ukraine unmittelbar bevorstand und die US-Amerikaner längst detailliert vor einer Invasion warnten, war das für die deutsche Politik kaum ein Thema, verkündete die Außenministerin noch stolz, die deutschen Botschaften im Ausland künftig ganz in den „Kampf gegen den Klimawandel“ stellen zu wollen. Zur traurigen Wahrheit der tieferen Ursachen des im Osten tobenden Krieges gehört auch, dass der russische Präsident Putin glaubte, ihn sich leisten zu können, weil er die Europäer nicht fürchten musste. 

Diese Ignoranz gegenüber offensichtlichen Gefahren ist keineswegs neu. Geht man nur ein paar Jahre weiter zurück, stößt man unweigerlich auf die Migrationskrise von 2015. Auch hier war die deutsche Politik nicht vorbereitet, obwohl schon in den Jahren zuvor allwöchentlich Bilder von überladenen Booten auf dem Mittelmeer und vollgepferchten LKW-Anhängern auf dem Balkan in den Nachrichten zu sehen waren. 

Zentralmacht Europas 

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Verantwortlichen stets damit durchkamen. Weil die Deutschen ihren 1989/90 begonnenen Traum vom ewigen Frieden einfach weiterträumen und nicht wahrhaben wollten, dass die Welt um sie herum längst nicht mehr so friedlich war, wie es in ihrem nur von Verbündeten umgegebenen Land den Anschein hatte. Zur Kanzlerschaft Angela Merkels, die die Deutschen 16 Jahre lang mit ruhiger Hand tätschelte, gehört auch die Vorgeschichte, dass ihre Partei zu Oppositionszeiten den Wählern allerlei Zumutungen ankündigte – und prompt eine sichergeglaubte Wahl verlor. Deshalb hielt sie, nachdem sie an die Macht gelangt war, die Deutschen stets von großen Zumutungen fern – und wer schlau war, tat es ihr nach. Bis die Katas-trophen an die eigene Haustür klopften. 

Dass Deutschland nun zum wiederholten Mal auf eine fundamentale Krise nicht vorbereitet war, ist ein abermaliger Weckruf. Es ist der Weckruf an eine Nation, die sich in den Jahrzehnten der Teilung daran gewöhnt hat, in Nibelungentreue der jeweiligen Hegemonialmacht zu folgen, und dabei verlernt hat, nicht nur eigene Interessen zu formulieren, sondern auch einen Blick für die Interessen Anderer zu haben. Und es ist der Weckruf an eine Nation, die in den vergangenen dreißig Jahren kaum begriffen hat, dass sie im Zuge des Zusammenwachsens zwischen Ost und West längst zur Zentralmacht Europas geworden ist. 

Diese Rolle haben die Deutschen nicht gesucht, sie ist ihnen eher durch ihre geographische Lage und ihre ökonomische Stärke zugefallen. Gleichwohl müssen sie sich den mit dieser Rolle verbundenen Aufgaben stellen. Jeder Konflikt, egal ob in der Mitte oder an der Peripherie des Kontinents, stellt eine Herausforderung an die deutsche Politik dar. Duckt sie sich weg, wird sie früher oder später die Konsequenzen dafür tragen müssen – in Form von finanziellen „Rettungspaketen“ oder der nächsten Flüchtlingswelle.