20.05.2024

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Folge 11-22 vom 18. März 2022 / Energieversorgung / Banger Blick auf den nächsten Winter / „Ohne Denkverbote“: Immer mehr Stimmen plädieren für eine Kurskorrektur bei der Braunkohle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-22 vom 18. März 2022

Energieversorgung
Banger Blick auf den nächsten Winter
„Ohne Denkverbote“: Immer mehr Stimmen plädieren für eine Kurskorrektur bei der Braunkohle

Gas und Erdöl aus Russland sind für Brandenburg die wichtigsten Importgüter. Allein die PCK-Raffinerie in Schwedt verarbeitet pro Tag rund 220.000 Fass (je 159 Liter) russisches Rohöl. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 lag der Tagesverbrauch in Deutschland durchschnittlich bei rund 2,13 Millionen Fass Erdöl.

Die Schwedter Raffinerie versorgt zu 95 Prozent die Länder Berlin und Brandenburg sowie große Regionen östlich von Oder und Neiße mit Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin für die Luftfahrt. Trotz dieser großen Bedeutung russischer Energielieferungen sieht Brandenburgs Wirtschafts- und Energieminister Jörg Steinbach (SPD) die Versorgung auch bei einem kurzfristigen Lieferstopp aus Russland gesichert. Gegenüber dem Sender rbb sagte Steinbach, auch bei einem Ausfall russischer Gas- und Öllieferungen „werden die Lichter nicht ausgehen“. Nach Angaben des Ministers hat Deutschland im Ölbereich für 90 Tage Reserven, im Kohlebereich bis Mitte Mai. 

Lediglich im Gasbereich sind laut Steinbach die Lager nur zu 26 Prozent gefüllt. Im Fall von Versorgungsschwierigkeiten würde laut dem Wirtschaftsminister zunächst die Bevölkerung mit Energie versorgt und erst danach die freie Wirtschaft. Steinbach warnte jedoch, das werde möglicherweise nicht ohne Engpässe und kurzzeitige Versorgungsunterbrechungen ablaufen.

Abschaltung überdenken

Nicht angesprochen, geschweige denn beantwortet ist damit allerdings die Frage nach der Höhe der Energiekosten. Nach Angaben der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg machen die Preise für Benzin, Diesel und Gas den Firmen, die sehr energieintensiv produzieren wie etwa im Maschinenbau oder in der chemischen Industrie, immer mehr zu schaffen.

Besonders hart trifft die derzeitige Situation Spediteure, so Burkhard Rhein, Abteilungsleiter für Energiepolitik der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg. Für die Ernährungsbranche kommen zu den sehr hohen Energiepreisen auch noch steigende Weizenpreise als Belastung.

Der Wissenschaftler Felix Müsgens von der BTU Cottbus-Senftenberg sprach sich angesichts der neuen Lage dafür aus, die Sicherheitsbereitschaft von Kraftwerken zu verlängern. Müsgens, Inhaber eines Lehrstuhls für Energiewirtschaft, stellt den Ausstieg aus der Kohleverstromung nicht grundsätzlich in Frage, er plädiert aber dafür, die Kohle-Ausstiegsszenarien für die Jahre 2030 oder 2038 ohne Denkverbote zu prüfen. Mit Blick auf die Lausitz schlug er ganz konkret vor, die für den kommenden Oktober geplante Abschaltung des Blocks F im Kohlekraftwerk Jänschwalde auf jeden Fall zu überdenken. Aus Sicht des Lausitzer Energieexperten „ist jetzt der Blick auf den kommenden Winter wichtig“.

Ministerpräsident Dietmar Woidke erklärte im Deutschlandfunk, er sehe in der heimischen Braunkohle eine Möglichkeit, „die Abhängigkeit von importiertem Öl zu nehmen“. Skeptisch zeigte sich Woidke, wie bei einem früheren Ausstieg aus der Braunkohle die Lücke in der Energieversorgung gefüllt werden könne. Laut Woidke müssten dann zusätzliche Gaskraftwerke einspringen: „Wir reden nicht über zwei oder vier, sondern über 50 bis 80.“ Er warnte, die zusätzlichen Gaskraftwerke würden dann die Abhängigkeit Deutschlands von importiertem Gas nochmals zusätzlich erhöhen. N.H.