20.05.2024

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Folge 11-22 vom 18. März 2022 / Kolumne / Hauptbahnhof

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-22 vom 18. März 2022

Kolumne
Hauptbahnhof
Vera Lengsfeld

Wer jetzt auf Berlins Hauptbahnhof kommt, ist mitten im Ukraine-Konflikt. Die gefühlte absolute Mehrheit sind ukrainische Frauen und Kinder. Wenige ältere Männer darunter. Man sieht, dass die Flüchtlingshilfe eine der letzten gut funktionierenden Institutionen Deutschlands ist. Der ganze Bahnhof wurde mit Absperrbändern gegliedert. Die Menschen werden durch die Korridore geschleust. Schilder weisen darauf hin, wo man zu essen bekommt, wo das Stillzelt ist, wo der Bereich für Kinder, bestens ausgestattet mit Spielzeug, wo man sich registrieren muss oder Gratis-Fahrkarten bekommt. 

Zahlreiche Helfer sind emsig dabei, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Nur nachts muss manchmal die Polizei gerufen werden, weil Männer versuchen, Frauen zu überreden, mit ihnen zu kommen. Natürlich lassen sich lange Schlangen nicht vermeiden, besonders an der Fahrkartenausgabe. Ich selbst war nach Nürnberg unterwegs. Meine DB-App hatte mir ein Ticket für etwas über 13 Euro angeboten. Ein Schnäppchen, dem ich nicht widerstehen konnte. Auch die Warnung, dass eine hohe Auslastung erwartet würde, schreckte mich nicht ab. Auf dem Bahnsteig sah ich dann, dass vier Fünftel der Passagiere Ukrainerinnen war. Habe ich deshalb so eine günstige Fahrkarte bekommen? Die Frauen mit ihren Kindern wollten nach Leipzig, wie ich erfuhr. Sie kamen aus Kiew und Odessa, aber mehr war nicht zu erfahren. Sie waren sehr erschöpft und schliefen schnell ein, nachdem ich versprochen hatte, sie in Leipzig zu wecken.

Wie ich später hörte, mussten die Frauen in sächsischen Flüchtlingsunterkünften die ernüchternde Erfahrung machen, dass sie in Heime gesteckt wurden, in denen Syrer, oder was sich dafür ausgegeben hat, wohnten. Flüchtling ist Flüchtling, haben sich die Bürokraten wahrscheinlich gedacht. Das ging nicht gut. Schon am nächsten Tag wollten die Ukrainerinnen nicht mehr bleiben. Man entschloss sich aber stattdessen, die Männer zu verlegen. Anders als die syrischen Männer wollen die meisten Ukrainerinnen so schnell wie möglich in die Heimat zurück.