20.05.2024

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Folge 11-22 vom 18. März 2022 / Großbritannien / Der Ukraine-Krieg hat Johnson gerettet / Niemand spricht mehr über „Partygate“ – Der britische Premier ist nun außenpolitisch gefordert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-22 vom 18. März 2022

Großbritannien
Der Ukraine-Krieg hat Johnson gerettet
Niemand spricht mehr über „Partygate“ – Der britische Premier ist nun außenpolitisch gefordert
Claudia Hansen

Noch vor vier Wochen erschien es extrem zweifelhaft, dass Boris Johnson das sogenannte „Partygate“ politisch überleben würde. Wütende Rücktrittsforderungen prasselten auf den britischen Premierminister ein, nachdem immer mehr Geschichten über vermutliche Lockdown-Verstöße in der Downing Street 10 bekannt wurden. Inzwischen interessiert sich kaum noch jemand dafür.

Der Ukrainekrieg hat eine weltpolitische Wende gebracht und alles andere in den Hintergrund gerückt. Johnson ist nun außenpolitisch an vorderer westlicher Front dabei. Pro Tag führt er ein, zwei oder drei Telefonate mit anderen Staats- und Regierungschefs, mit US-Präsident Joe Biden, mit Emmanuel Macron und Olaf Scholz, mit den Skandinaviern und Balten. Mit dem Kiewer Präsidenten Selenskyj telefonierte er mitten in der Nacht. Massive Finanz- und Wirtschaftssanktionen gegen Russland sollen dazu beitragen, „dass Putin scheitert“, so Johnson.

Das Vereinigte Königreich hat der 

Ukraine Waffen zur Verfügung gestellt. Schon vor der russischen Invasion hatten die Briten rund 2000 Panzerabwehrraketen geliefert, bis Mitte März transportierten sie weitere 1650 an die ukrainische Grenze. Außerdem lieferten sie kleinere Feuerwaffen, Schutzausrüstungen und Medikamente, teilte Verteidigungsminister Ben Wallace mit. Zudem haben die Briten mehr Truppen in baltische NATO-Staaten und nach Osteuropa verlegt. London betont, dass der britische Auslandsgeheimdienst MI6 zu den ersten gehörte, der vor Wladimir Putins Truppenaufmarsch gewarnt habe. Johnson beansprucht, dass Großbritannien – gerade nach dem Brexit – eine außenpolitische Führungsrolle im Westen einnehme.

Die Opposition hat ihre Angriffe auf Johnson wegen der „Partygate“-Affäre fast vollständig eingestellt. Labour-Chef Keir Starmer wollte nicht einmal mehr seine Rücktrittsforderung wiederholen. Einige Tory-Abgeordnete, etwa der schottische Regionalchef Douglas Ross, haben ihre Briefe zurückgezogen, mit denen sie zuvor ein Misstrauensvotum gegen Johnson in Gang setzen wollten. „Mitten in einer internationalen Krise ist nicht die Zeit, um über Rücktritte zu diskutieren“, sagte Ross. Das werde jetzt alles auf Pause gestellt.

Wenn es derzeit Kritik an der Regierung Johnson gibt, dann richtet sie sich zum Beispiel gegen die zu langsame Vergabe von Visa für Kriegsflüchtlinge. Während Polen schon mehr als eine Million und andere Mitteleuropäer Hunderttausende Flüchtlinge aus der Ukraine genommen haben, hat Großbritanien bislang nur für etwas mehr als 3000 Visa für Familienzusammenführungen ausgegeben. Eine totale Öffnung der Grenze wird es mit Innenministerin Priti Patel aber nicht geben.

Kritisiert wurde von Labour auch, dass die Londoner Regierung die russischen Oligarchen in London mit Samthandschuhen angefasst habe. Diese Kritik ist allerdings verstummt, seit die Johnson-Regierung sogar Roman Abramowitsch, den berühmtesten aller russischen Milliardäre in London und Besitzer des FC Chelsea, mit einem Sanktionsbann belegt hat. Sein gesamtes Vermögen in Großbritannien wurde eingefroren. Johnsons Regierung hat damit signalisiert, dass sie hart durchgreifen will.

Durch den Ukrainekrieg hat Johnson eine Rolle gefunden, die er vermutlich an seinem Idol Winston Churchill misst. Von dessen historischer Statur ist er wohl noch weit entfernt, aber der Druck von außen schweißt im Inneren zusammen. Wie lange der Burgfrieden hält, ist ungewiss. In ein paar Wochen wird die Metro­politan Police ihren Bericht über die Partys in Downing Street vorlegen. Dann könnte Johnson eine Geldstrafe drohen. Eher unwahrscheinlich ist, dass es deswegen zur großen parteiinternen Revolte kommen wird.