20.05.2024

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Folge 11-22 vom 18. März 2022 / Kolumne / Was für das „C“ spricht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-22 vom 18. März 2022

Kolumne
Was für das „C“ spricht
Florian Stumfall

Auch nach der Ära Merkel scheint es in weiten Teilen der CDU das Bedürfnis zu geben, alle noch verbliebenen kennzeichnenden Merkmale der Partei zu tilgen und weiter in einem bunten Taumel der Beliebigkeit zu versinken. Zeitgeist anstelle von Überzeugung, Angleichung anstatt Treue und die lustvolle Hingabe einer Tradition an die Unwägbarkeit der Kapriolen zeitgemäßen Schwachsinns – das scheint dort zu herrschen, wo es früher einmal Richtschnur und Regelwerk gegeben hat. Die Entwicklung des Zuspruchs der Wähler gibt Zeugnis davon. Man ist versucht zu sagen: Gut, viel geht da nicht mehr zugrunde, bei dieser ausgehöhlten und kraftlosen Gruppierung, daher ist der Schaden nicht sehr groß. 

Doch eine neue parteiinterne Bewegung lässt aufhorchen, auch wenn man meint, den Abschluss des geistigen Niedergangs schon erlebt und erlitten zu haben. Innerhalb der CDU werden Stimmen laut, welche die Abschaffung des „C“ im Parteinamen fordern. Das wäre also der endgültige Abschied von den eigenen Wurzeln und dem Anspruch, bürgerlichen Wählern in Deutschland eine politische Heimstatt zu bieten. Diese Forderung kann aufstellen, wer die Partei endgültig schrumpfen lassen will, bis ihre Größe im taktischen Kalkül der Kräfte zu vernachlässigen ist. Oder aber, wer immer danach ruft, hat nie begriffen, was der Sinn ist, der dieser Namensgebung zugrunde liegt, und welche Weltsicht diese darstellt. Es ist also an der Zeit, an den Urgrund zu erinnern – denen, die ihn ablehnen, zum Vorwurf, allen, die darauf gebaut hatten, zum schmerzlichen Trost.

Christliches Menschenbild

Das Bekenntnis zu christlichen Grundsätzen in der Politik bedeutet zweierlei: die Anerkennung des christlichen Menschenbildes, profan auch das empirische genannt, und, zweitens, die Befolgung der christlichen Ethik im Handeln, so wie sie in den Zehn Geboten zusammengefasst ist. Was es nicht bedeutet, sind Forderungen an den einzelnen Parteigänger in dem Sinne, dass von ihm persönliche Frömmigkeit verlangt würde oder auch nur, dass er einer Kirche angehöre. Deshalb gibt es auch keine „christliche Politik“ – eine grundsätzliche Unterscheidung zum Islam übrigens.

Was also die empirische Anthropologie angeht, so beschreibt sie den Menschen als ein, wie Nicolai Hartmann gesagt hat, „spezialisiertes Mängelwesen“. In unserm Zusammenhang ist dabei unerheblich, dass sich Mängel des Menschen etwa darin zeigen, dass er ohne Maschine nicht fliegen kann, sondern in seiner geistigen wie ethischen Fehlerhaftigkeit. Die Empirie zeigt, dass jeder Mensch diesen Einschränkungen unterliegt.

Auf die Politik bezogen bedeutet das die Einsicht, dass man mit fehlerhaften Menschen keinen fehlerlosen Staat organisieren kann. Hier tut sich die unüberwindliche Kluft gegenüber allen Ideologien auf, die versuchen, hier und mit den Mitteln dieser Welt ein Paradies zu schaffen. Die Schwierigkeiten, auf die man naturgemäß stößt, werden auf eine fintenreiche Art erklärt. Der Mensch, so heißt es, sei grundsätzlich fehlerfrei, durch einzelne Exemplare oder Gruppen derzeit aber pervertiert, was das Ganze gefährde. Wenn man also die auswürfigen Teile entfernte, dann hätte man die irdische Vollkommenheit.

Klar wird dieses theoretische Konzept, wenn man dem Kind einen Namen gibt. Die Vernichtung der Juden, so proklamierten die Nationalsozialisten, führe zur Gesundung des arischen Volkskörpers. Das sind die Rassen-Sozialisten. Oder aber die Klassen-Sozialisten: Sie sagten, treulich nach Marx, es müssten nur die Kapitalisten abgeschafft werden, dann stehe dem glücklichen Endzustand der Menschheit nichts mehr im Wege. Egal ob auf der einen Seite oder der anderen, das System ist gleich: ein ideales Menschenbild, die Feststellung der aktuellen Störung, die Schuldzuweisung an eine Minderheit und deren Auslöschung. Nur die Kriterien unterscheiden sich nach Rasse und Klasse. Gleich bei beiden ist wiederum, dass für das irdische Paradies bedenkenlos Millionen Menschen in den Tod geschickt werden.

Wer dem empirischen, also christlichen Menschenbild anhängt, ist bereits im Ansatz gegen derlei schreckliche Irrwege gefeit. Die Überzeugung nämlich lautet: Auf empirischem Weg ist zu erkennen, dass alle Menschen fehlerhaft sind, und das christliche Element liefert dazu die Erklärung: Der Mensch ist ein Geschöpf und er ist nicht vollkommen erschaffen, denn die Vollkommenheit liegt bei Gott.

Christliche Ethik

Das zweite Momentum, wozu das „C“ in einem Parteinamen verpflichtet, ist die christliche Ethik. Diese ist weitaus gründlicher in das europäische Geistesleben eingedrungen als die Anthropologie, die sich aus derselben Quelle speist. Sie prägt in bestimmendem Umfang alle Rechtskörper europäischer oder europäisch geprägter Staaten, vor allem im Strafrecht. Die Übereinstimmung ist so groß, dass das Herkommen der Rechtsauffassung aus dem Dekalog weitgehend vergessen ist. Die Prägung ist so unbestritten geworden, dass es auch für Atheisten im Normalfall selbstverständlich ist, Normen anzuerkennen, deren christlicher Ursprung längst vergessen sein mag.

Dies also ist das geistige Erbe, auf das sich zu berufen für manche Leute in der CDU überflüssig und störend geworden zu sein scheint. Unklar bleibt indes, was sie bei Ausmerzung des „C“ an dessen Stelle setzen wollen. Jede Partei braucht einen ethischen Kern. Wer diesen also wegwirft, steht vor dem Problem, ob er sich bei anderen Anleihen nehmen oder etwas ganz Neues erfinden will. Dies dürfte außerordentlich schwierig sein, zumal ein solcher geistiger Neuerwerb auch noch auf die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder angewiesen wäre.

So dürfte die CDU im Bedarfsfall das tun, was sie bisher schon getan hat, nämlich auf dem Markt der politischen Moden zum Einkaufen gehen und Dinge anzusammeln, von denen sie glaubt, dass sie dem Publikum gefallen. Die Folgen aus einem solchen Geschäftsmodell sind auch schon bekannt: geistige Auszehrung, schwindende Kraft und der Verlust nicht nur von Mehrheiten, sondern ebenso der Fähigkeit, überhaupt eine eigene Politik zu treiben.