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Folge 11-22 vom 18. März 2022 / Heilkunst / Medizin, die krank macht / Zahlreiche Pharmaskandale der jüngeren Vergangenheit mahnen zur Vorsicht, selbst wenn Politik, Wissenschaft und Arzneimittel-Hersteller ein Präparat unisono für unbedenklich erklären

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-22 vom 18. März 2022

Heilkunst
Medizin, die krank macht
Zahlreiche Pharmaskandale der jüngeren Vergangenheit mahnen zur Vorsicht, selbst wenn Politik, Wissenschaft und Arzneimittel-Hersteller ein Präparat unisono für unbedenklich erklären
Wolfgang Kaufmann

Seit Ausrufung der Corona-Pandemie ist permanent von Vertrauen die Rede: Vertrauen in die Politik und deren Maßnahmen, Vertrauen in die Wissenschaft und Vertrauen in die Corona-Vakzine. Doch Letzteres erfordert natürlich auch Vertrauen in die Hersteller der Impfstoffe. Dieses Vertrauen aufzubringen fällt indes schwer, wenn man sich die endlose Kette von Pharmaskandalen in der Vergangenheit vor Augen führt.

So gibt es weltweit Tausende von Menschen mit schweren Missbildungen der Gliedmaßen, deren Mütter zwischen 1957 und 1961 während der Schwangerschaft das thalidomidhaltige Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan eingenommen hatten. Die hohe Zahl der Geschädigten resultiert daher, dass sowohl die Herstellerfirma Grünenthal in Stolberg bei Aachen als auch die Behörden viel zu spät auf die alarmierenden Berichte über Kinder mit verstümmelten Gliedmaßen reagiert haben.

Die Liste der Medikamente, welche schon zu schweren gesundheitlichen Schäden führten, weil die Produzenten es an der nötigen Sorgfalt fehlen ließen, ist erschreckend lang. Hierfür nur einige typische Beispiele: Das Antirheumatikum und Schmerzmittel Coxigon von Eli Lilly and Company sorgte 1982 für schwere allergische Reaktionen und Hunderte von Toten. Die Blutdrucksenker Posicor von Hoffmann-La Roche und Cerate von Asta Medica verursachten 1998 lebensbedrohliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. 

20 Milliarden Doller Schadenersatz

2001 musste die Bayer AG den Cholesterinsenker Lipobay wegen tödlicher Nebenwirkungen vom Markt nehmen. 2004 zog der Konzern Merck Sharp & Dohme (MSD) das kardiovaskulär toxische Schmerzmittel Vioxx zurück. Und 2008 stellte sich heraus, dass die Abspeckpille Acomplia von Sanofi-Aventis die Suizid-Neigung förderte. Als noch riskanter erwiesen sich die Appetitzügler und Diätmittel Menocil von Cilag Chemie und Phen-Fen von Wyeth. Letztgenannter Konzern musste deshalb ab 1998 mehr als 20 Milliarden US-Dollar Schadenersatz zahlen. Das war der bislang teuerste Haftungsfall in der Geschichte der Pharmaindustrie. 

Dass es immer wieder zu solchen Skandalen kommen konnte, resultierte auch aus dem Versagen von Aufsichtsbehörden wie der U.S. Food and Drug Administration (FDA) und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). So war die FDA in der Vergangenheit manchmal mehr daran interessiert, einem neuen Mittel zur Marktzulassung zu verhelfen, als sich mit dem Problem der Nebenwirkungen auseinanderzusetzen. Wobei die Pharmafirmen oft auch alle Register zogen, um die Behörden zu täuschen – so beispielsweise durch die Manipulation klinischer Studien oder das Verschweigen von brisanten Fakten. 

Ein typisches Exempel hierfür ist das Vorgehen von MSD im Falle von Vioxx. Firmeninterne Analysen, die auf eine Zunahme der Sterblichkeitsrate durch das Medikament hindeuteten, wurden unter Verschluss genommen und der FDA sogar auf deren direkte Nachfrage hin vorenthalten. 2015 veröffentlichte die EMA eine Liste von 52 bereits im Umlauf befindlichen Medikamenten, von deren Einsatz sie nunmehr abriet, weil sich nachträglich herausgestellt hatte, dass die Zulassungsstudien schwere Mängel aufwiesen.

Außerdem wäre da noch die Verletzung ethischer Mindeststandards. Die Hälfte aller Medikamentenstudien findet heute in unterentwickelten sowie manchmal auch diktatorisch regierten Ländern statt, in denen man es mit den Informationspflichten weniger genau nehmen muss und kaum Schadenersatzklagen drohen. So testete GlaxoSmithKline 2003 einen Hepatitis-Impfstoff an nepalesischen Soldaten, die oftmals Analphabeten waren und das ihren vorgelegte Aufklärungsmaterial nicht lesen konnten.

Mit Schmiergeld „motiviert“

In viele Skandale waren auch die heutigen Hersteller von Corona-Impfstoffen Pfizer, Johnson & Johnson und AstraZeneca verwickelt. Pfizer hatte 1996 sein Antibiotikum Trovan an Kindern in Nigeria getestet – mit einer Genehmigung der korrupten Militärregierung des Landes und tödlichen Folgen für manche der Versuchspersonen. Des Weiteren vertrieb Pfizer zwölf Jahre lang das „Antidepressivum“ Edronax, welches keinerlei Wirksamkeit aufwies. Das flog nur deshalb lange Zeit nicht auf, weil das Unternehmen sieben klinische Studien zurückhielt, die ein verheerendes Bild von dem Medikament zeichneten.

AstraZeneca wiederum musste 2006 seine Thrombinhemmer Exanta und Melagatrin wegen Leberschädlichkeit zurückziehen. Ebenso verkaufte der schwedisch-britische Konzern den Cholesterinsenker Crestor, bevor die notwendigen Langzeitstudien abgeschlossen waren. Und dann wäre da noch der überteuerte Magensäureblocker Nexium, für dessen Verschreibung AstraZeneca 30.000 deutsche Ärzte mit Bonuszahlungen belohnte.

Auf Bestechung setzte ebenso der Konzern Johnson & Johnson, um sein Schizophrenie-Medikament Risperdal und das Herzmittel Natrecor unter die Leute zu bringen. Mit Schmiergeld „motivierte“ Apotheker schwatzten diese Pharmazeutika Menschen auf, welche sie überhaupt nicht hätten nehmen dürfen. 

Eine weitere unlautere Werbetechnik der Pharmaunternehmen bestand im sogenannten Off-Label Marketing. So lautet die Bezeichnung für die systematische „Ermunterung“ von Ärzten, ein Medikament außerhalb des von den Zulassungsbehörden genehmigten Einsatzbereiches zu verordnen. Beispielsweise pries Pfizer seine Arthritis-Arznei Bextra auch als Schmerzmittel zur postoperativen Anwendung an, obwohl diese bekanntermaßen zu einem erhöhten Thromboserisiko und weiteren gefährlichen Nebenwirkungen führte. Mit derartigen Praktiken standen Pfizer und Johnson & Johnson, welche für ihr Vorgehen jeweils mehr als zwei Milliarden US-Dollar Strafe zahlen mussten, allerdings nicht allein.

Wie Untersuchungen von Kriminologen und entsprechende Statistiken zeigen, begingen Pharmakonzerne in der Vergangenheit im Schnitt drei Mal so viele Rechtsverstöße wie Firmen anderer Branchen, wobei Bestechung und betrügerische Werbung stets eine besonders große Rolle spielten. Dies lässt vermuten, dass es auch heute nicht immer mit rechten Dingen zugeht, wenn Politiker, Wissenschaftler und Vertreter der Ärzteschaft den Nutzen von Präparaten beschwören.