19.05.2024

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Folge 12-22 vom 25. März 2022 / Fluchtwelle / „Wie 2015 – nur ohne den Staat“ / Berlin schlägt Alarm wegen Überlastung – Scharfe Kritik an Nancy Faesers Bundesinnenministerium

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-22 vom 25. März 2022

Fluchtwelle
„Wie 2015 – nur ohne den Staat“
Berlin schlägt Alarm wegen Überlastung – Scharfe Kritik an Nancy Faesers Bundesinnenministerium
Norman Hanert

Tag für Tag kommen im Schnitt etwa 10.000 Flüchtlinge aus der Ukraine in Berlin an. Die deutsche Hauptstadt ist mit dieser Situation ganz offensichtlich überlastet. Vor allem aus den Berliner Bezirken kommen nun Warnungen, dass die Ämter unter der Belastung zusammenbrechen.

Gegenüber dem rbb-„Inforadio“ sagte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey bereits am 14. März, dass sich bis dahin schon insgesamt 28.000 Menschen aus der Ukraine bei den Sozialämtern der Bezirke angemeldet hätten. Viele der Kriegsflüchtlinge kommen in Berlin mittellos an, sodass für sie die Beantragung von Sozialhilfe überlebensnotwendig ist. Die Sozialämter sind wiederum auf solche hohen Zahlen überhaupt nicht eingerichtet. 

In Neukölln ist der Andrang hilfsbedürftiger Ukrainer sogar so groß, dass das Sozialamt vorübergehend seine reguläre Arbeit, etwa die Hilfe für Obdachlose oder bei der Grundsicherung, aussetzen musste. „Wir schaffen es einfach nicht“, so eine Bezirksmitarbeiterin gegenüber dem Sender rbb. Neuköllns Sozialstadtrat Falko Liecke wählte eine noch drastischere Formulierung: „Wir saufen ab.“ 

„Müssen doch wissen, wer kommt“

Der CDU-Politiker kritisierte auch die Informationspolitik des Senats und fehlende Strukturen. Liecke sagte: „Wir werden überschüttet mit Fragen, die wir nicht beantworten können. Zum Aufenthaltsrecht, zur Leistungsgewährung, zu Kita- und Schulplätzen und Sprachkursen, zur sozialen Komponente.“ Giffey und ihre Sozialsenatorin Katja Kipping (Linkspartei) haben inzwischen vorgeschlagen, die Auszahlung von sozialen Hilfsleistungen für die Flüchtlinge auf die Jobcenter zu verlagern. Der Schritt würde nicht nur die Sozialämter der Bezirke von Arbeit entlasten, die Aufgabe würde über die Jobcenter faktisch auf den Bund übergehen.

Der Generalsekretär der Bundes-CDU, Mario Czaja, hat dem Bund inzwischen vorgeworfen, Berlin und die vielen ehrenamtlichen Helfer mit der Aufnahme von ukrainischen Kriegsflüchtlingen allein zu lassen. Czaja, der auch Präsident des Deutschen Roten Kreuzes in Berlin ist, sagte: „Die Ehrenamtlichen sagen mir, sie erleben eine Situation wie 2015 – nur ohne den Staat.“ Einen Vorwurf macht er insbesondere dem Bundesinnenministerium unter der Führung von Nancy Faeser (SPD). Laut Czaja überlässt das Ministerium die Arbeit der Erstaufnahme der Ukraine-Flüchtlinge den freiwilligen Helfern.

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz warf Faeser zudem vor, dass weiterhin zu viele aus der Ukraine geflüchtete Menschen unregistriert nach Deutschland kämen. „Wir müssen doch wissen, wer kommt“, so Merz. Gegenüber dem „Tagesspiegel“ sagte der CDU-Chef weiter: „Ob da zum Beispiel Menschen einreisen, die keine ukrainischen Staatsbürger sind. Ob verdeckt Asylbewerber darunter sind. Und wir müssen sicherstellen, dass Frauen und Kinder, die hier Schutz suchen, nicht von Straftätern mitgenommen werden.“

Inzwischen kommen nicht nur aus Berlin, sondern aus Landkreisen und Kommunen in ganz Deutschland Rufe nach mehr Engagement des Bundes bei der Versorgung und der Verteilung der Flüchtlinge. Bei einem Gipfelgespräch am 17. März einigten sich Bund und Länder zumindest darauf, dass der Bund die gerechte Verteilung ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland in die Hand nehmen wird und auch „personell und materiell“ Hilfe bei der Registrierung leisten wird. Allerdings will die Bundesregierung erst am 7. April beschließen, inwiefern sich der Bund an den finanziellen Belastungen beteiligt.

Weiter große Versprechen gemacht

Ungeachtet der jetzt schon gewaltigen Probleme und dieser zögerlichen Haltung der Ampel-Koalition sicherte die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan (SPD), eine unbegrenzte Aufnahmebereitschaft zu: „Deutschland wird allen Menschen Schutz bieten, die aus der Ukraine zu uns fliehen“, so die in Moskau geborene Staatsministerin gegenüber der Funke-Mediengruppe.

Ob Deutschland diese Zusage tatsächlich einhalten kann, bleibt abzuwarten. Nach Erkenntnissen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind inzwischen zehn Millionen Ukrainer auf der Flucht, knapp 3,4 Millionen von ihnen haben das Land verlassen. Der polnische Grenzschutz geht davon aus, dass seit dem 24. Februar bereits mehr als zwei Millionen Menschen allein nach Polen geflüchtet sind. 

Inzwischen kommt aber auch Polen an die Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit. Viele Aufnahmezentren und Notquartiere für Flüchtlinge in polnischen Städten sind mittlerweile überfüllt. Zudem kommen nun immer öfter auch Ukrainer über die polnisch-ukrainische Grenze, die keine Verwandten oder Bekannten in Polen haben. Insbesondere Berlin wird sich infolge dessen darauf einrichten müssen, dass in den kommenden Wochen weiterhin Tag für Tag zehntausend Kriegsflüchtlinge in der Stadt ankommen werden.