19.05.2024

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Folge 12-22 vom 25. März 2022 / Leitartikel / Staat auf Kante

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-22 vom 25. März 2022

Leitartikel
Staat auf Kante
René Nehring

Es gibt nicht viel, was der deutschen Politik in diesen Tagen gelingt. Wo man auch hinschaut, sind nicht nur zum Fremdschämen agierende Politiker zu sehen, sondern vor allem auch Mängel an Personal, Material und sonstigen Ressourcen. 

Es liegt ja nicht nur die deutsche Sicherheitspolitik in Trümmern, die nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ die eigenen Streitkräfte so weit herunterwirtschaftete, dass diese zur Landesverteidigung nicht mehr fähig und noch nicht einmal mehr in der Lage sind, einer bedrohten Nation wenigstens ein paar veraltete Waffen zu überlassen. 

Auch der Sozialstaat kann die ihm gestellten Aufgaben nicht mehr erfüllen. So hat Deutschland, das 2015/16 noch weit über anderthalb Millionen Immigranten aufnehmen konnte, heute Mühe, ein paar hunderttausend Ukrainern wenigstens eine angemessene Notunterkunft zu geben. Der Grund: Anders als von Politik und öffentlich-rechtlichen Medien suggeriert, fand die große Mehrheit der damals zu uns Gekommenen nicht in den Arbeitsmarkt und ist somit bis heute Empfänger üppiger Sozialleistungen. In der Folge sind nun, da sich eine weitere Flüchtlingswelle auf Deutschland zubewegt, die Aufnahmekapazitäten ausgereizt und die zuständigen Behörden überfordert. 

Desolat ist auch die Lage der öffentlichen Finanzen. Jahrzehntelang haben Politiker fast aller Parteien nicht nur den Sozialsektor im eigenen Land mit Milliardenbeträgen gefüttert, sondern mit Dauersubventionen sowie fragwürdigen Rettungspaketen für finanziell schwache Staaten der Eurozone auch dafür gesorgt, dass diese ihre eigenen Haushalte nie in Ordnung bringen mussten und (zum Beispiel bei den Renten) ihren Bürgern sogar üppigere Sozialleistungen ermöglichen können als Deutschland.  

Gepäppelt werden in Deutschland hingegen mit üppigen Subventionen und staatlichen Verordnungen gegen etablierte Wirtschaftszweige seit Jahren Branchen wie die Erneuerbaren Energien und die Elektromobilität. Deshalb können es sich diese leisten, den Bürgern ihre Produkte und Leistungen zu deutlich höheren Preisen zu liefern als die bisherigen Anbieter. Im Ergebnis zahlen die Deutschen den teuersten Strom der Welt, und auch die Kosten für die Mobilität kennen nur eine Richtung – nach oben. 

Parallel zur Unterstützung ineffektiver Wirtschaftsbereiche hat die Politik in den letzten rund 25 Jahren leistungsfähige und effektive Branchen wie die Kernenergie und die Automobilwirtschaft entweder trockengelegt oder an die Leine gelegt. Zu den überteuerten Preisen kommt so, dass vieles in diesem Land ganz praktisch einfach nicht mehr funktioniert, weil es auf Maßstäbe wie Qualität, Profit und Effizienz schon lange nicht mehr ankommt. 

Immense Probleme zeichnen sich auch in der Agrarpolitik ab: Während die Europäische Union jahrzehntelang Prämien für die Stilllegung von Anbauflächen zahlte, ging die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe dramatisch zurück: von 904.000 Mitte der 1970er Jahre in der alten Bundesrepublik auf nur noch 263.000 im vereinten Deutschland Ende 2020. Das war – zumindest für die Versorgungssicherheit der Verbraucher – solange kein Problem, wie auf den internationalen Agrarmärkten Getreide und Kartoffeln, Fleisch- und Milchprodukte eingekauft werden konnten. Wenn nun mit der Ukraine einer der weltweit größten Erzeuger von Weizen ausfällt, drohen den Verbrauchern nun wahlweise eine Lebensmittelknappheit und/oder ein dramatischer Anstieg der Lebensmittelpreise. 

Diese und ähnliche Beispiele beschreiben keine Naturereignisse, sondern die Folgen einer Politik, die angesichts einer langen Friedenszeit und eines langen ökonomischen Aufschwungs glaubte, die Grundlagen dieses Erfolgs ignorieren und stattdessen ideologische Projekte verfolgen zu können. Heute zeigt sich, dass Deutschland in vielen Bereichen von der Substanz lebt. Und es zeigt sich, dass die von Kanzler Scholz angekündigte „Zeitenwende“ nicht nur auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik fällig ist.