19.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 12-22 vom 25. März 2022 / Otto John / Verräter oder Opfer einer Entführung?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-22 vom 25. März 2022

Otto John
Verräter oder Opfer einer Entführung?

Die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts brachte viele Figuren hervor, die in den Wirrungen der Zeiten wiederholt zwischen die Fronten gerieten – und darin untergingen. Eine von ihnen ist Otto John, Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, erster Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz – und Gegenstand eines der größten Skandale in der deutschen Nachkriegsgeschichte. 

Am 19. März 1909 in Marburg geboren, wuchs John in der Weimarer Republik in Wiesbaden auf und studierte in Frankfurt am Main Rechtswissenschaften. Nach Staatsexamen und Dissertation wurde er Mitarbeiter in der Rechtsabteilung der Lufthansa. Deren Leiter war Klaus Bonhoeffer, Bruder des Theologen und NS-Kritikers Dietrich Bonhoeffer. Über diese Kontakte fand John mit seinem Bruder Hans früh zu Widerstandskreisen gegen den Nationalsozialismus. Nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 wurden beide John-Brüder vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Während Hans noch wenige Tage vor Kriegsende hingerichtet wurde, gelang Otto die Flucht nach England, wo er unter Sefton Delmer für den vom britischen Foreign Office betriebenen „Soldatensender Calais“ arbeitete.

Nach dem Krieg arbeitete John zunächst für die britische Militärverwaltung und war unter anderem Zeuge der Anklage bei den Nürnberger Prozessen und 1949 beim Prozess gegen Generalfeldmarschall Erich von Manstein. 1950 dann wurde John erster Präsident des neugegründeten Bundesamts für Verfassungsschutz. 

Am Abend des 20. Juli 1954 verschwand John im Rahmen der ersten Gedenkveranstaltung für das Attentat auf Hitler im (West-)Berliner Bendler-Block unter nie restlos geklärten Umständen. Zwar erklärte er auf einer Pressekonferenz in Ost-Berlin am 11. August, dass er freiwillig die Seiten gewechselt habe, da er mit der Westbindung und Remilitarisierung der Bundesrepublik unter Adenauer nicht einverstanden sei. Doch gab er nach einer Flucht nach West-Berlin am 12. Dezember 1955 an, in den Osten entführt worden zu sein. Während der Bundesgerichtshof John keinen Glauben schenkte und ihn am 22. Dezember 1956 wegen Landesverrats zu vier Jahren Zuchthaus verurteilte, neigen jüngste Forschungsarbeiten dazu, seiner Darstellung Glauben zu schenken. 

Otto Jahn starb am 26. März 1997 in Innsbruck, wo er nach seiner Entlassung zurückgezogen mit seiner Frau gelebt hatte. neh