20.05.2024

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Folge 13-22 vom 01. April 2022 / Ukrainekrieg / Wie wirkungsvoll ist Putins „Dolch“? / Die Bedeutung von Russlands vermeintlichen Wunderwaffen für den Kriegsausgang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-22 vom 01. April 2022

Ukrainekrieg
Wie wirkungsvoll ist Putins „Dolch“?
Die Bedeutung von Russlands vermeintlichen Wunderwaffen für den Kriegsausgang
Lydia Conrad

Die russischen Streitkräfte verfügen über diverse konventionelle Waffen modernster Art, die gerne als „Superwaffen“ bezeichnet werden. Hierzu zählen das Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug Suchoi Su-57, der Kampfpanzer T-14, die mobile Laserkanone „Pereswet“ und drei Typen von Hyperschallraketen. Bislang wurden diese und weitere fortgeschrittene Waffensysteme fast gar nicht im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt.

Mangelhafte Ausbildung in der Luft und fehlende Kampfpanzer

Im Falle von Flugzeugen wie der Su-57 resultiert dies wohl vor allem aus der schlechten Kommunikation zwischen der Luftwaffe und den Bodentruppen, welche die Gefahr eines Abschusses durch eigene Kräfte birgt, sowie dem mangelnden Trainingszustand der russischen Piloten. Diese kommen nur auf rund 100 Flugstunden pro Jahr. Damit sind sie nicht auf die komplexe Situation im Luftraum über der Ukraine vorbereitet.

Ein ganz anderes Problem haben die Russen mit dem T-14. Von dem mit viel Vorschusslorbeer bedachten Kampfpanzer  existieren nämlich nicht 2400 Exemplare, wie noch im jahr 2015 für 2020 geplant, sondern lediglich 20 Stück, die offensichtlich geschont werden sollen. Stattdessen rollen nun alte T-72, T-80 und T-90-Panzer von teilweise noch sowjetischer Bauart an die Front.

Ähnlich sah es bislang bei den Raketen aus. Mit der OTR-21 „Totschka“, die auch die international geächteten Streubomben tragen kann, wurde zu einem Waffensystem gegriffen, das den technischen Stand der Jahre vor 1990 verkörpert. Und das, obwohl Russland inzwischen über die innovativen Hyperschallflugkörper 15YU „Awangard“, 3M22 „Zirkon“ und Ch-47M2 „Kinschal“ verfügt. 

Raketen des Grauens 

Einen Einschnitt bildet in diesem Zusammenhang der 18. März, denn an jenem Freitag feuerten die Streitkräfte Russlands die erste „Kinschal“ (Dolch) ab, um ein unterirdisches ukrainisches Munitionsdepot in Deljatyn bei Iwano-Frankiwsk zu zerstören. Bei der Rakete handelt es sich um eine rund eine Tonne schwere Waffe, die von MiG-31K-Abfangjägern oder Tu-22M3M-Überschallbombern gestartet wird. Danach rast sie mit angeblich 12.000 Kilometern in der Stunde auf ihr bis zu 2000 Kilometer entferntes Ziel zu. Dabei können jederzeit Kursänderungen erfolgen. 

Das Besondere an sowohl konventionell als auch nuklear bestückbaren Raketen wie der „Kinschal“ ist, dass es selbst den US-Streitkräften weitgehend unmöglich ist, sie mit den momentan existierenden Abfangsystemen vom Himmel zu holen. Das macht die „Kinschal“ für jeden Gegner hochgefährlich. 

Es wird vermutet, dass ihr Einsatz nicht zuletzt als Drohgebärde gegenüber der NATO gedacht ist. So lautet beispielsweise die Einschätzung von Christoph Mölling von der Gesellschaft für Auswärtige Politik. Bislang hatte Russlands Präsident Putin stets behauptet, sein Land benötige die Hyperschallraketen nur, um mögliche Aggressoren von einem Erstschlag gegen sein Territorium abzuhalten. 

Allerdings werden „Kinschal“, „Zirkon“ und „Awangard“ vermutlich nicht ewig den Nimbus der „Wunderwaffe“ behalten, denn ihre hohe Geschwindigkeit begrenzt nicht nur ihre Manövrierfähigkeit, sondern führt auch zu einer extremen Aufheizung ihrer Außenhülle, woraus sich Möglichkeiten für neuartige Ortungs- und Abwehrsysteme ergeben.

„Putins Höllensonne“

Bereits jetzt ziemlich verwundbar sind zwei andere Kampfmittel der russischen Invasionsstreitkräfte, deren Zerstörungspotential ebenfalls sehr hoch ist. Die Rede ist von den gepanzerten Mehrfachraketenwerfern TOS-1 „Buratino“ und TOS-1A „Solnzepjok“, auch bekannt als „Putins Höllensonne“. Diese verschießen pro Salve 24 bis 30 Raketen, deren Reichweite zwischen 400 Metern und sechs Kilometern liegt. Die Wirkung der Geschosse entspricht jener einer Aerosolbombe: Beim Einschlag entsteht ein riesiger Feuerball, der eine starke Druckwelle auslöst, der dann abrupter Unterdruck folgt. Für die Menschen im Zielgebiet, dessen Fläche etwa 200 mal 400 Meter beträgt, ist das Ganze absolut tödlich, selbst wenn sie sich in Schützengräben oder Bunkern aufhalten. Wer nicht sofort verbrennt, der stirbt aufgrund innerer Verletzungen. Nach Ansicht von Militärexperten rangiert das TOS-System damit nur „eine Stufe unter der Atombombe“. Während des aufwändigen Nachladens sind die Raketenwerfer allerdings ein relativ leichtes Ziel für die aus den USA stammenden „Javelin“-Panzerabwehrraketen der ukrainischen Streitkräfte.

Mit dem Einsatz der TOS-Raketenwerfer und der konventionell bestückten „Kinschal“ scheint Russland sein nichtnukleares Potential ausgereizt zu haben. Die Frage ist daher, welche Strategie Putin und dessen Getreue wählen werden, wenn dies zu keinem Erfolg führt.