20.05.2024

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Folge 13-22 vom 01. April 2022 / Analyse / Aserbaidschan schafft Fakten in Karabach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-22 vom 01. April 2022

Analyse
Aserbaidschan schafft Fakten in Karabach
Bodo Bost

Droht dem durch den Ukrainekrieg gebundenen Russland nun eine Welle von Unruhen und Aufständen an den zahlreichen Außengrenzen seines Reiches? Zumindest die alten Brandherde im Kaukasus schwelen schon wieder.  

So beschuldigte Russland am 26. März Aserbaidschan, den nach dem Karabach-Krieg von 2020 unterzeichneten Waffenstillstand mit Armenien verletzt zu haben. Zwischenfälle zwischen armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften waren seit 2020 häufig, aber diesmal beschuldigte Moskau erstmals eine der Parteien direkt, den Waffenstillstand zu verletzen, für den Wladimir Putin der Garant ist. 

Die erneuten Spannungen zeigen, dass Putin in manchen muslimischen Ländern der ehemaligen Sowjetunion wegen seines stockenden Vormarsches in der Ukraine bereits als Schwächling gilt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch Erdogan, ohne dessen Erlaubnis Aserbeidschan keinen Schuss abgibt, die Lage ebenso einschätzt. 

„Zwischen dem 24. und 25. März haben die Streitkräfte Aserbaidschans das trilaterale Abkommen der Führer Russlands, Aserbaidschans und Armeniens ... verletzt, indem sie in das Gebiet unter der Verantwortung des russischen Kontingents zur Friedenssicherung in Bergkarabach eingedrungen sind“, kritisierte das russische Verteidigungsministerium in einer Erklärung. 

Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium widersprach der russischen Darstellung und wagte es sogar, die Russen der Lüge zu bezichtigen. Baku warf Moskau vor, illegale bewaffnete Einheiten in dem umstrittenen Gebiet zu stationieren. So hätte Aserbeidschan die Wagner-Truppe vor dem Krieg in der Ukraine nie bezeichnet. Laut Russland errichteten die aserbaidschanischen Streitkräfte einen Beobachtungsposten und führten „vier Angriffe mit Drohnen des türkischen Typs Bayraktar“ in der Nähe der Ortschaft Farukh durch. Drei Bewohner von Karabach wurden dabei getötet und 15 verletzt. Die aserbaidschanischen Streitkräfte haben entgegen der Aufforderung Moskaus das Dorf Farukh nicht verlassen. 

Das armenische Außenministerium beschuldigte das Nachbarland auch, Karabach die Gasversorgung entzogen zu haben, sodass die Bevölkerung „am Rande einer humanitären Katastrophe“ stehe. „Wir erwarten, dass das russische Friedenskontingent in Berg-Karabach klare Schritte unternimmt, um die Situation zu regeln und weitere Opfer zu verhindern“, fügte die armenische Diplomatie hinzu. 

Das Eingreifen Putins sowie ein zwischen Armenien, Aserbaidschan und Russland unterzeichnetes Waffenstillstandsabkommen vom 9. November 2020 hatten einen sechswöchigen gewaltsamen Konflikt und vielleicht einen Genozid um die Kontrolle über Bergkarabach, ein pro-armenisches Separatistengebiet, beendet. 6500 Menschen waren damals gestorben, die aserbaidschanischen Streitkräfte hatten erhebliche Gebietsgewinne erzielt und standen kurz davor, auch das von Armeniern bewohnte Herz Karabachs zu erobern. 

Fühlt sich Alijew beleidigt?

Erdogan hatte kurz vor dem Überfall Aserbeidschans auf Karabach im September 2020 einen Brudermilitärpakt mit Aserbeidschan geschlossen. Armenien war dagegen dem postsowjetischen Bündnis unter Führung Russlands treu geblieben. Trotzdem hatte Putin sechs Wochen gewartet, um seine Bündnispflicht zu erfüllen, Armenien hatte sich dagegen im Januar dieses Jahres als erstes Land an Putins Rettungsmission im Bündnisland Kasachstan beteiligt. 

Moskau hatte durch massive Waffenlieferungen an Aserbeidschan im Vorfeld ganz erheblich zu dessen Sieg gegen Armenien beigetragen, weil Eriwan von Moskau nur drittklassige Waffen bekam. Der Vater des kurdischstämmigen aserbeidschanischen Staatschefs Ilham Alijew war in Sowjetzeiten KP-Parteichef von Aserbeidschan und ein hoher KGB-Funktionär, im Gegensatz zu Putin, der nur niedrige Chargen beim KGB ausübte. Alijew war der letzte Staatschef, den Putin vor dem Überfall auf die Ukraine an seinen langen Tisch zitierte, um seine Version beider Konflikte anzuhören. 

Es könnte sein, dass ihn dies beleidigt und jetzt radikalisiert hat.