20.05.2024

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Folge 13-22 vom 01. April 2022 / FDGB-Feriendienst / Alle sind gleich, aber einige sind gleicher / Wie der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund Devisenbesitzer und Multiplikatoren aus dem Westen gegenüber einfachen Mitgliedern bevorzugte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-22 vom 01. April 2022

FDGB-Feriendienst
Alle sind gleich, aber einige sind gleicher
Wie der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund Devisenbesitzer und Multiplikatoren aus dem Westen gegenüber einfachen Mitgliedern bevorzugte
Heidrun Budde

Ist das alles für Dreischichtarbeiter? Mehr nicht für 120,00 M jährlich Mitgliedsbeitrag.“ „Im Feriendienst wird es immer schlechter.“ „Warum stagniert die Anzahl der FDGB-Reisen?“ „Wo bleiben die Ostsee und die Plätze in den FDGB-Eigenheimen?“ Groß war der Frust in der Mitgliedschaft des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) der DDR. Die Zuteilung von kostengünstigen Urlaubsplätzen durch die Abteilung Feriendienst deckte den Bedarf nicht einmal annähernd, und auf berechtigte Fragen, wie die oben zitierten, wurde nicht geantwortet. Als wenn es nicht schon wenig genug Urlaubsplätze gegeben hätte, wurden viele von diesen auch noch den einfachen FDGB-Mitgliedern in der DDR vorenthalten. Die Akten zeigen heute auf, dass die Gewerkschaft gute Gründe hatte, das Vergabeverfahren nicht öffentlich zu machen, denn es hätte einen Sturm der Entrüstung gegeben. 

Ausländische Sportler

1986 gingen den damals rund 9,6 Millionen Mitgliedern beispielsweise Urlaubsplätze in den besten Heimen für die Absicherung diverser internationaler Sportveranstaltungen verloren wie Weltcup Rennschlitten, Internationale Oberhofer Skispiele, Europäische Dreibahntournee, Internationales Damenskirennen, Internationaler Pokalsprunglauf und Internationale Ostseeregatta in Warnemünde. Die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) erhielt in Oberhof 1500 Plätze für die Weltmeisterschaften im Sportschießen. Die angereisten Sportler sollten nur mit den besten Eindrücken in ihre Heimat zurückkehren. 

Ähnlich wurde mit ausländischen Studenten verfahren. Auch sie wurden mit Ferienplätzen des FDGB versorgt, und das sogar kostenlos. Zur Finanzierung ist in den Akten zu lesen: „Die Ausgleichbeträge für Ferienreisen, die an Studenten bereitgestellt werden, sind wie bisher zu gewähren (Beschluß S 394/63 vom 28.5.1963).“ Diese ausländischen Gäste auf Zeit berichteten nach ihrer Rückkehr ganz sicher begeistert und begeisternd vom schönen Urlaub in der DDR.

Ausländische Studenten

Am 24. Februar 1960 wurde das FDGB-Urlauberschiff „Völkerfreundschaft“ als „Repräsentant der sozialistischen Entwicklung unseres Arbeiter- und Bauern-Staates“ auf die Reise geschickt. Es sollte „der Arbeiterklasse und allen anderen Werktätigen Westdeutschlands … einen tiefen Eindruck“ vermitteln. Doch die Akten belegen heute, dass sich der FDGB dieses Schiff und das am 15. April 1961 in Dienst gestellte zweite Urlauberschiff „Fritz Heckert“ gar nicht leisten konnte. 

Bereits am 12. Dezember 1960 fasste die Abteilung Feriendienst den Beschluss, die „Völkerfreundschaft“ zu verchartern, für 25 Tage an Reso Stockholm, vermerkt als „Feriendienstorganisation der schwedischen Gewerkschaft“. Und 35 Tage sollte das Schiff für den Transport der europäischen Teilnehmer am Weltkongress der Röntgenologen nach Montreal und New York fahren. Zur Rechtfertigung der Entscheidung ist zu lesen: „Die Vercharterung … ist von großer politischer Bedeutung. Die schwedischen Arbeiter haben das Schiff gebaut. Bisher sind damit Kapitalisten auf Geschäfts- und Urlaubsreise gegangen. Jetzt wollen die schwedischen Gewerkschafter über ihr Reisebüro ,Reso‘ die Möglichkeit für Urlaubsreisen … haben.“ Der tatsächliche Grund, der nebenbei erwähnt wird, war allerdings ein anderer: „Beide Vercharterungen bringen westliche Valuta ein. 1961 kann damit mehr als die Hälfte der Ausgaben in westlicher Valuta für alle Reisen … gedeckt werden.“

Am 1. Januar 1964 gab es eine einschneidende Änderung. Beide Schiffe wurden dem FDGB wegen fehlender Wirtschaftlichkeit entzogen und dem VEB Deutsche Seereederei Rostock (DSR) „zur alleinigen Verwaltung“ übergeben. Die offizielle Bezeichnung „FDGB-Urlauberschiff“ durfte allerdings nicht geändert werden, obwohl die Vercharterung gegen Westgeld immer mehr in den Vordergrund rückte. 

In einer „Präsidiumsvorlage“ des Bundesvorstandes des FDGB vom 14. April 1967 ist zu lesen, wer nun bevorzugt mit den angeblichen FDGB-Urlauberschiffen die Weltmeere bereisen sollte: 

„Die Fahrgastschiffe sind zur Erzielung eines hohen volkswirtschaftlichen Nutzeffektes nach folgender Reihenfolge zu verchartern: an Interessenten aus kapitalistischen Ländern gegen kapitalistische Währungen; an Interessenten aus sozialistischen Ländern gegen transferable Rubel und gegen jugoslawische Verrechnungswährung; an Interessenten aus der DDR (FDGB und Reisebüro).“

West-Touristen mit harter Währung waren am meisten willkommen, und diese bevorzugten Gäste konnten dann nach der Reise von ihren unvergesslichen Eindrücken auf dem „sozialistischen Traumschiff“ berichten. 

„Sozialtouristik“

Ferienplätze wurden auch für eine sogenannte Sozialtouristik für Urlauber aus kapitalistischen Ländern zur Verfügung gestellt. Die Heime „Maxim Gorki“ in Oberhof und „Frieden“ in Heringsdorf wurden dafür ganzjährig für die zahlenden FDGB-Mitglieder blockiert. In der Präsidiumsvorlage vom 14. April 1967 ist zu lesen: „Zur Durchführung der Sozialtouristik sind Vereinbarungen mit den Gewerkschaften und Organisationen nachstehender Länder (Frankreich, Holland, Skandinavien, England, Luxemburg, Österreich, Italien) abzuschließen.“ Für 1968 weisen die Akten „1500 Reisen der Sozialtouristik für Urlauber aus kapitalistischen Ländern“ aus. 

In einem gesonderten Beschluss des FDGB-Bundesvorstandes vom 23. Januar 1967 (S 24/67 mit dem Vermerk „Vertraulich“) wurden die bundesdeutschen Gewerkschafter versorgt: „Für die Urlaubsaufenthalte westdeutscher Gewerkschafter werden folgende FDGB-Erholungsheime zur Verfügung gestellt: a) ,Gesundbrunn‘ in Plau am See, Bezirk Schwerin mit 36 Betten vom 14.4.–26.10.1967 = 14 x; b) ,Ernst Thälmann‘ Haus 1 in Bad Schandau, Bezirk Dresden mit 42 Betten vom 18.5.–5.10.67 = 10 x.“

Gäste des FDGB-Bundesvorstands

Einen wahren Traumurlaub konnten Gäste aus dem westlichen Ausland in der DDR erleben, wenn sie auf Einladung des FDGB-Bundesvorstandes anreisten. In einer Präsidiumsvorlage vom 5. März 1963 ist zu lesen, dass „350 Gewerkschaftsfunktionäre aus kapitalistischen Ländern“ einzuladen waren. Diese 350 Gäste nächtigten kostenlos in den besten Heimen, und damit es ihnen auch so richtig gut ging, bekamen sie sogar noch ein wöchentliches Taschengeld von 50 D-Mark, leitende ausländische Kader gar 100 D-Mark. „Außerdem werden 30,00 DM pro Person für Wein anlässlich der Begrüßung und der Verabschiedung, für Postkarten und Briefmarken und für die Reiseverpflegung zur Verfügung gestellt. Für die kulturelle Betreuung stehen täglich 5,00 DM pro Person zur Verfügung.“

Diese hofierten West-Gäste – ob nun Sportler, Studenten, Nutznießer der „Sozialtouristik“ oder die eingeladenen Besucher des Bundesvorstandes des FDGB – sie alle waren nützliche „Botschafter“ des SED-Regimes. Aufgrund ihrer persönlichen Vorteile vermittelten sie der internationalen Öffentlichkeit ein geschöntes Weltbild vom „Sozialismus“ in der DDR, und genau das war neben der Einnahme von Devisen wichtig, viel wichtiger als die Versorgung der einfachen, zahlenden Mitglieder des FDGB.

Das Lügengebäude des SED-Staates brach 1989 zusammen, aber der verklärte Rückblick der damaligen West-Besucher ist noch häufig anzutreffen. Ausreichend Bereitschaft, einen kritischen Rückblick auf diesen Teil der deutsch-deutschen Vergangenheit zu wagen, gibt es weder im Osten noch im Westen.





Freier Deutscher Gewerkschaftsbund

9,6

Millionen Mitglieder hatte der FDGB 1986.

0,1359

Millionen Ferienplätze bot der FDGB 1984 an.

550

Millionen Mark steuerte die DDR 1989 zur Finanzierung des FDGB-Feriendienstes bei.