20.05.2024

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Folge 13-22 vom 01. April 2022 / Stimmungsbilder zum Ukrainekrieg / „Die Ukraine ist nur Opfer“ / Die Meinungen der Königsberger gehen auseinander, doch in allem sind sich alle einig: Sie sind gegen den Krieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-22 vom 01. April 2022

Stimmungsbilder zum Ukrainekrieg
„Die Ukraine ist nur Opfer“
Die Meinungen der Königsberger gehen auseinander, doch in allem sind sich alle einig: Sie sind gegen den Krieg

Krieg, Militärübungen, Sanktionen, geschlossene Geschäfte und leer gefegte Regale bei bestimmten Waren in den Läden: Das Königsberger Gebiet ist aufgrund seiner Exklavenlage nicht nur geostrategisch von Bedeutung, es ist auch besonders von den verschärften Sanktionen des Westens betroffen. 

Dennoch unterstützen etwa 60 Prozent der russischen Bevölkerung weiterhin Putin und rechtfertigen seinen Angriff auf die Ukraine. Was Bürger in Königsberg über den Krieg und die möglichen Folgen denken, erfuhr die PAZ von einigen Königsberger Bewohnern, die namentlich nicht genannt werden möchten.





Die 74 Jahre alte N. , eine deutschsprachige Geschäftsfrau, gebürtig aus Moldau stammend, die seit 45 Jahren im Gebiet wohnt, geht besonders auf die Rolle der deutschen Presse ein: 

„Niemand will den Krieg, die Russen am wenigsten (beziehungsweise die ehemaligen Sowjetbürger), die im Zweiten Weltkrieg die meisten Opfer gebracht haben. Wir hatten aber keine andere Wahl mehr gehabt. Der Krieg ist ja nicht erst Ende Februar 2022 begonnen worden, sondern vor acht Jahren in Donbass und Lugansk – darüber spricht keiner. Warum der Krieg angefangen wurde, fragt im Westen überhaupt keiner – Ihr habt totale Propaganda und keine Pressefreiheit. Wenn Sie in ihre politischen Talk-Shows nur Berater von Selenskyj und ukrainische Botschafter in Deutschland einladen und überhaupt keine Journalisten oder Politikwissenschaftler von der russischen Seite oder russischsprachige oder russlandfreundliche Journalisten, dann kann man doch keine objektiven Berichte bei Euch erwarten. 

Außerdem wurden die russischen Medien abgeschaltet – warum eigentlich? Russland hat keinen Krieg mit der EU. Und in Deutschland heute nur BBC, CNN und ukrainische Berichte. Geht es noch? Wir sind alle schockiert, was aus Deutschland geworden ist.

Putin ist immer sehr deutschfreundlich gewesen, seine Frau, seine Kinder sprechen genauso wie er wunderbar Deutsch. Wie dumm muss man sein, um mit so einem Präsidenten alles, diplomatische Beziehungen, Handel und kulturellen Austausch, zu vermasseln! Ah, ich habe ja vergessen – Deutschland wird ja nicht aus Berlin regiert, sondern aus Washington. Egal was über uns gesagt wird – unser Land wird aus dem Kreml regiert.“ 





Die 77-jährige deutschsprachige Reiseleiterin M. ist gebürtige Ukrainerin, und wohnt seit 50 Jahren in Königsberg. Sie kritisiert die ukrainische Regierung: 

„Wenn ich mit meiner Schwester in der Ukraine telefoniere, kann ich nur den Kopf schütteln, welche Gehirnwäsche die dort verpasst bekommen. Sie meint, dass die russischen Gefangenen die Ukraine nach dem Krieg wieder aufbauen werden, genauso wie die deutschen Gefangenen nach dem Zweiten Weltkrieg es bereits gemacht haben. Wir haben Kriegszustände innerhalb der Familie.





Putins Ego-Krieg

Der 54-jährige Notargehilfe A., in Königsberg geboren, kann sich nicht so recht entscheiden: 

„Ich bin hin und her gerissen. Einerseits finde ich, dass es ,Putins Ego-Krieg‘ ist – er will sich auf der globalen politischen Fläche super wichtig machen. Die russische Wirtschaft ist am Ende, wir bauen keine eigenen Flugzeuge mehr, die Militärflugzeuge ja, jede Menge, aber für die Zivilbevölkerung wird zu wenig gemacht. Wir sind ein Lieferant von Öl und Gas für die ganze Welt, produziert wird aber im Land kaum. Ich verurteile den Krieg sehr. Die sogenannte russische Intelligenzija wandert aus genauso wie viele junge Menschen. Wer soll das Land aufbauen? 

Andererseits denke ich an die 90er Jahre zurück, wie schwer wir es nach dem Zerfall der UdSSR hatten – nichts zu essen, leere Regale überall, Kriminalität und so weiter. Dann glaube ich, dass wir alles schaffen – wir brauchen keine 20 Käsesorten, Artischocken und exotische Früchte aus der ganzen Welt. Wir können, wenn es sein muss, auch mit Buchweizen und Kartoffelgerichten überleben. Rohstoffe haben wir genug, wenn der Westen dermaßen gegen uns ist, dann reise ich halt nicht mehr ins Ausland. Wir überleben alles, ob der Westen ohne uns überlebt, daran zweifle ich sehr.“





Der 47-jährige, aus Moskau stämmige Geschäftsmann L., seit 30 Jahren in der Region, sieht die Ursachen im Kräftemessen zwischen dem Westen und dem Osten: 

„Alexander III. sagte bekanntlich: ,Russland hat nur zwei Verbündete: die Armee und die Marine‘. Egal, was Russland macht – gegen das Land werden Sanktionen verhängt. Wir können leider nur Stärke zeigen, damit wir geachtet werden. Ist einfach so. 

In Wirklichkeit findet der Krieg zwischen zwei Mächten statt, den USA und Russland. Die Ukraine ist nur Opfer. Es geht aber gar nicht um die Ukraine. Es geht zum größten Teil um Westeuropa. Eigentlich gegen die Bundesrepublik. Der schlimmste Albtraum der USA ist die Freundschaft der Russen und der Deutschen – das haben bereits der Erste und der Zweite Weltkrieg bewiesen. Die deutschen Innovationen und die russischen Bodenschätze bedeuten die Weltherrschaft, und dieser Platz ist seit Langem besetzt, und zwar durch die USA, die überall Kriege auf fremdem Territorium nach dem altrömischen Prinzip ,Herrsche und Teile‘ führen: Ex-Jugoslawien, Libyen, Syrien und so weiter, um sich nachher als Friedensstifter zu positionieren.“  





Der ebenfalls in Moskau geborene, aber seit 60 Jahren im Königsberger Gebiet ansässige 91 Jahre alte T. sieht das ähnlich: 

„Als militärischer Stratege a. D. kann ich nur eins sagen: Wir haben zu wenig Infos. Putin ist nicht wahnsinnig geworden. Er musste einfach reagieren und vermutlich hatte er nur ein paar Stunden, um loszulegen. Es war ein Angriff auf die Krim und die Ostukrainegebiete wie den Donbass geplant. Es existieren Dutzende Biowaffenlabore auf dem ukrainischen Territorium. Andererseits gelten die gut erprobten Methoden eines jeden Krieges beziehungsweise der Kriegspropaganda: ,Wir befinden uns in einer Friedensmission, der Gegner tut etwas Böses – der Gegner hat viel mehr Verluste als wir – wir werden bald den Krieg gewinnen, der Gegner ist so gut wie tot‘.“





Der Westen gegen Russland 

Der 42 Jahre alte Unternehmer S. sieht die Lage pessimistisch: 

„Wir haben so gut wie verloren. Ich bin gespannt, welches Ass Putin aus dem Ärmel ziehen will, um gegenüber dem Westen den Krieg in der Ukraine zu rechtfertigen. Angriff auf Russland? Amerikanische Biowaffenlabore auf ukrainischem Territorium? NATO-Erweiterung? Uns glaubt doch keiner. In den Köpfen der westlichen Bevölkerung ist es doch für Jahre eingenagelt: das ukrainische Volk ist das große Opfer, Russland ist der Aggressor, Putin ist ein Verbrecher. Seit Ende Februar gibt es die neue Weltordnung, nämlich die alte Weltordnung: Der Westen versus Russland.“