19.05.2024

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Folge 13-22 vom 01. April 2022 / Königsberger Gebiet / Es begann in Juditten / Der Aufbau der Russisch-Orthodoxen Kirche im nördlichen Ostpreußen begann 1985 – Der heutige Patriarch Kyrill I. trieb ihn voran

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-22 vom 01. April 2022

Königsberger Gebiet
Es begann in Juditten
Der Aufbau der Russisch-Orthodoxen Kirche im nördlichen Ostpreußen begann 1985 – Der heutige Patriarch Kyrill I. trieb ihn voran
Bodo Bost

Der heutige Moskauer Patriarch Kyrill I. war vor seiner Berufung zum Patriarchen bis 2009 Metropolit von Königsberg und Smolensk. Er vollzog ab 1985 den imposanten Aufbau der orthodoxen Kirche in Nord-Ostpreußen, nachdem das Königsberger Gebiet offiziell 40 Jahre religionslos gewesen war.

In den Jahren 1720 bis 1730 entstand in Königsberg eine reguläre orthodoxe Gemeinde unter der Leitung von Wassilij Kwasowskij, einem Druckereibesitzer, der Bücher in polnischer, russischer und kirchenslawischer Sprache veröffentlichte. Während des Siebenjährigen Krieges, zwischen 1758 und 1762 bekam Ostpreußen den Status eines russischen Generalgouvernements, erste orthodoxe Kirchen entstanden in Ostpreußen, die jedoch wieder zugrunde gingen. Nach der Oktoberrevolution von 1917 kamen einige Dutzend russisch-orthodoxe Emigranten nach Königsberg. Priester aus Berlin und Litauen hielten für sie Gottesdienste, aber eine Gemeinde bildete sich nicht. Das blieb auch so, als die Sowjetunion 1945 den nördlichen Teil Ostpreußens besetzte und annektierte, die deutsche Bevölkerung vertrieb und mit Angehörigen aller Sowjetvölker neu besiedelte. 40 Jahre blieb das ganze Gebiet wie Albanien eines der wenigen religionslosen Gebiet Europas.

40 Jahre lang religionslos

Der Moskauer Patriarch Kyrill Gundjajew war ab 1984 Bischof von Smolensk. Am 25. Februar 1985 beschloss das Exekutivkomitee des Rates der Volksdeputierten der Stadt Königsberg, eine erste orthodoxe Gemeinschaft zu registrieren. Die Gemeinde erhielt die Ruinen der ehemaligen lutherischen Kirche in Juditten am Stadtrand von Königsberg. Die Kirche erhielt den Namen des Heiligen Nikolaus des Wundertäters und wurde innerhalb eines halben Jahres in die Smolensker Diözese der Russisch-Orthodoxen Kirche aufgenommen. 

Die Juditter Kirche, die bereits 1255 in der Zeit des Deutschen Ordens gebaut worden war, ist die älteste erhaltene Kirche der Region. Dass gerade diese Kirche zur ersten orthodoxen werden sollte, war eine klare Ansage. Seit dieser Zeit wuchs die Zahl der orthodoxen Gemeinden in der Region sprunghaft. Oft versammelten sich die Gläubigen in ehemaligen Turnhallen, Lagerhäusern und Kirchen, die für orthodoxe Gottesdienste umgebaut worden waren. Schon im Jahre 1988 wurde die orthodoxe Diözese Smolensk-Wjasemskij in Diözese Smolensk-Kaliningrad umbenannt. Seit 1993 verwaltete die Smolensker Diözese auch von Smolensk aus die Gemeinden im Königsberger Gebiet. 

1996 legte Kyrill als zuständiger Metropolit zusammen mit dem russischen Präsidenten Boris Jelzin am früheren Hansaplatz, dem heutigen Platz des Sieges, den Grundstein zur künftigen orthodoxen Christ-Erlöser-Kathedrale der Stadt. Vorher war dort das Lenin-Denkmal auf dem Gelände der einstigen Deutschen Ostmesse abgeräumt worden. Dass gerade auf diesem Platz das erste neu erbaute orthodoxe Kirchengebäude durch Architekt Oleg Kopylow in der russischen Ära der Stadt 2006 fertiggestellt wurde, zeugt von dem Denken Kyrills in geschichtlichen Dimensionen. Der deutsche protestantische Dom in Königsberg, der 1333 errichtet worden war, wurde zwar nach 1992 wegen des dort befindlichen Kant-Grabes mit deutschen Geldern wieder aufgebaut, er dient heute jedoch vorwiegend als Konzert- und Ausstellungsraum. Der Moskauer Patriarch Kyrill I. bat kurz nach seiner Amtseinführung 2009 Waldimir Putin, den Königsberger Dom, in dem sich bereits eine orthoxe Kapelle befindet, der Russisch-Orthodoxen Kirche zu übergeben, „um ihn seiner zweckgemäßen Nutzung zuzuführen“. Über den Antrag hat Putin bislang nicht entschieden.

Im Januar 2002 gab es im Königsberger Gebiet bereits 42 Gemeinden, 51 Kirchen und ein Kloster. Der Klerus bestand aus 43 Priestern und sechs Diakonen. Am 31. März 2009 beschloss der Heilige Synod unter dem neuen Patriarchen Kyrill, eine Diözese der Russisch-Orthodoxen Kirche in dem Königsberger Gebiet zu bilden. Der Vikar des Gebietes Seraphim Melkonjan, der aus der Stadt Adler am Schwarzen Meer stammt, wurde der erste russisch-orthodoxe Bischof der Königsberger Diözese mit dem Titel „für das gesamte Baltikum“. Zu diesem Zeitpunkt gab es im Königsberger Gebiet vier Dekanate mit 75 Pfarreien.

Kirchen im Besitz der ROK

Am 21. Oktober 2016 beschloss der Heilige Synod der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK), in Insterburg eine neue Diözese für den Osten und Norden des Königsberger Gebiets einzurichten. Erster orthodoxe Bischof wurde Bischof Nikolaj (Degtjarew) von Insterburg [Tchernjachowsk] und Heinrichswalde [Slawsk]. Zu dieser Diözese gehören heute 50 Kirchen und 14 Kapellen für 250.000 Gläubige. 

Orthodoxe Bischofskirche wurde in Insterburg die ehemals deutsche reformierte Kirche, die 1886 nach den Plänen des Berliner Architekten Friedrich Adler errichtet worden war. Diese Kirche war 1989 von der Russisch-Orthodoxen Kirche übernommen worden. Am 2. Mai 1992 wurde die orthodoxe Kirche durch Metropolit Kyrill feierlich dem Erzengel Michael geweiht. 

Heinrichswalde erhielt 1995 einen orthodoxen Kirchenneubau. Das imposante Aufbauwerk von Metropolit Kyrill diente diesem bestimmt bei seiner Wahl zum Patriarchen von ganz Russland 2009, obwohl insgesamt die heutige orthodoxe Kirchenlandschaft des Königsberger Gebiet mit etwa 200 orthodoxen Pfarreien noch weit hinter der einst deutschen Kirchenlandschaft zurücksteht, als es über 1000 evangelische und katholische Kirchengemeinden in der vom Deutschen Orden christianisierten Region gab.