19.05.2024

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Folge 14-22 vom 08. April 2022 / Östliches Mittelmeer / Auf dem Weg zur Seemacht / Die Türkei testet ihren ersten Flugzeugträger – Der Ukrainekrieg verzögert jedoch die weitere Entwicklung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-22 vom 08. April 2022

Östliches Mittelmeer
Auf dem Weg zur Seemacht
Die Türkei testet ihren ersten Flugzeugträger – Der Ukrainekrieg verzögert jedoch die weitere Entwicklung
Wolfgang Kaufmann

Eine Seemacht benötigt heutzutage Flugzeugträger. Zu dem exklusiven Kreis der bislang zehn Nationen, welche über solche großen und kampfstarken Kriegsschiffe verfügen, wird demnächst auch die Türkei stoßen. Denn der für Droheneinsätze geplante erste Flugzeugträger der türkischen Marine, die „TCG Anadolu“,  hat jetzt seine Testfahrten im Marmara-Meer begonnen und soll im Dezember offiziell in den Dienst der der Seestreitkräfte der türkischen Republik treten. 

Mit der baugleichen Variante des spanischen Flugzeugträgers „Juan Carlos I“, verfügt die Führung in Ankara künftig über ein recht wirksames Mittel, den türkischen Ansprüchen überall auf der Welt sowie speziell auch im östlichen Mittelmeer gegenüber dem Erzfeind Griechenland und dessen Verbündeten Geltung zu verschaffen.

Zunächst war geplant, die „Anadolu“ mit zehn US-amerikanischen Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeugen vom Typ Lockheed Martin F-35 Lightning II zu bestücken. Dieses Vorhaben scheiterte allerdings, weil die USA den Kaufvertrag 2019 aufkündigten. Grund war die Verärgerung der USA über den Erwerb des russischen Flugabwehr-Raketensystems S-400 Triumf durch die Erdoğan-Regierung. Im Zuge ihrer Suche nach Alternativen entschied sich die türkische Marine für eine bislang einzigartige, aber möglicherweise höchst effektive Lösung: Statt der F-35 sollen nun bis zu 80 unbemannte Drohnen auf dem Flugzeugträger stationiert werden.

Drohnen statt US-Jets

Hierfür kommen zwei in Entwicklung befindliche Modelle des türkischen Rüstungskonzerns Baykar Makina in Frage, nämlich die Bayraktar Kızılelma (Roter Apfel) sowie die Bayraktar TB3. Bei der Letzteren handelt es sich um eine Marineversion der vollautonom operierenden Kampf- und Aufklärungsdrohne Bayraktar TB2, welche die Türkei bereits in Syrien und Libyen eingesetzt und inzwischen an 16 Staaten in Europa, Afrika und Asien verkauft hat. Der Erstflug der TB3 mit ihren platzsparend faltbaren Flügeln ist noch für dieses Jahr geplant. Laut Angaben des Herstellers soll die „Anadolu“ in der Lage sein, gleichzeitig zehn mit lasergelenkter intelligenter Munition versehene TB3 im Umkreis von mehreren hundert Kilometern um das Schiff operieren zu lassen.

Während die TB3 von einem TEI-PD170-Turbodiesel des türkischen Herstellers TUSAŞ Motor Sanayii angetrieben wird, ist im Falle der sechs Tonnen schweren Kızılelma der Einbau von Turbofan-Triebwerken geplant, um das Waffensystem auf Überschallgeschwindigkeit zu beschleunigen. Und auch sonst verkörpert die im Rahmen des Projekts Muharip İnsansız Uçak Sistemi (Unbemanntes Kampfflugzeug) entwickelte Drohne, deren Prototyp am 12. März in Bau ging, einen neuen Typ von autonomer Waffe. Sie verfügt über Tarnkappeneigenschaften und elektronische Systeme zur Ermöglichung von Luftkämpfen gegen feindliche Flugzeuge und Einsätzen im Verband mit eigenen bemannten Jets. Daher spricht die Herstellerfirma euphorisch von der Revolutionierung der militärischen Luftfahrt.

Ein ukrainisches Dilemma

Allerdings könnte der Ukrainekrieg das ehrgeizige Kızılelma-Projekt erheblich verzögern, was sicher einer der Gründe für die Bemühungen Ankaras ist, in dem Konflikt zu vermitteln. Die langsamere Version A der Drohne soll mit dem Zweiwellen-Triebwerk Ivchenko-AI-25TLT des ukrainischen Unternehmens Motor Sich in Saporischschja ausgestattet werden und das schnellere Modell B mit einem deutlich stärkeren AI-322F-Düsenmotor samt Nachbrenner vom selben Hersteller – hierzu schlossen Baykar Makina und Motor Sich im November 2021 entsprechende Verträge ab. 

Doch aktuell bombardieren die russischen Luftstreitkräfte ukrainische Rüstungsbetriebe. Wenn sie dabei auch die Fertigungsstätten des Baykar-Zulieferers zerstören, müsste der türkische Drohnenhersteller andere Partner im Ausland finden. Es sei denn, es gelänge TUSAŞ Motor Sanayii, sein Strahltriebwerk TEI TF-6000 zur Serienreife zu bringen. 

Ebenso vom Import ausländischer Technik abhängig ist Türk Havacılık ve Uzay Sanayii, der Mutterkonzern von TUSAŞ Motor Sanayii. Dieser entwickelt derzeit das bemannte fortgeschrittene zweisitzige Überschall-Leichtangriffsflugzeug TAI Hürjet, dessen Prototyp im März 2023 fliegen und entweder das Triebwerk F404-GE-102 von General Electric oder das EJ200 von Eurojet erhalten soll. Nach Auskunft von Ismail Demir, dem Leiter der T.C. Cumhurbaşkanlığı Savunma Sanayii Başkanlığı (Präsidentschaft der türkischen Verteidigungsindustrie), gibt es Pläne, den momentan noch zu schweren TAI Hürjet gleichfalls so zu modifizieren, dass er vom Deck der „Anadolu“ aus starten kann.