19.05.2024

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Folge 14-22 vom 08. April 2022 / FernsehKritik / Der Richter und seine Henker / Eine hochkarätige Krimiserie mit Sebastian Koch beansprucht in der ARD gleich zwei komplette TV-Abende

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-22 vom 08. April 2022

FernsehKritik
Der Richter und seine Henker
Eine hochkarätige Krimiserie mit Sebastian Koch beansprucht in der ARD gleich zwei komplette TV-Abende
Anne Martin

Am Anfang sieht man den Richter im Sitzungssaal, wie er hochkonzentriert Beweisanträgen folgt. Ein gestandener Mann, angesehen, untadelig. Nur der dunkle Fleck auf dem weißen Hemd, hervorgerufen durch einen ausgelaufenen Füllfederhalter, mag stutzig machen. Noch ahnt Michael Jacobi nicht, dass er in einer Schlinge hängt, die sich unablässig enger zieht. So würgend eng, dass der Jurist mit der ehemals weißen Weste einen Pakt mit dem Verbrechen eingehen wird. 

 „Euer Ehren“ ist eine Ausnahme-Krimiserie der ARD. Komplexer als der windungsreichste „Tatort“, spannender als jeder „Polizeiruf“, mit einer modernen Bildsprache, die Bezahl-TV-Diensten wie Netflix Konkurrenz machen könnte. Wie Regisseur David Nawrath sein Ensemble führt und Komponist Enis Rotthoff dumpf-grollende Geigen-Klänge unter die Bilder legt, ist für öffentlich-rechtliches Fernsehen so ungewöhnlich, dass man am Sonnabend, den 9. April, im Ersten den gesamten Abend dafür reserviert hat. Dort laufen ab 20.15 Uhr die ersten vier 45-minütigen Folgen, die restlichen zwei folgen am Sonntag darauf ab 21.45 Uhr.

Die Handlung wurde von der israelischen Erfolgsserie „Kvodo“ übernommen und in ein winterlich-düsteres Österreich verlegt. In der Einstiegsszene sieht man die durchdrehenden Räder eines umgestürzten Motorrades, dahinter auf der Straße liegend den verdrehten Körper des Fahrers. Wie sich herausstellt, ist ausgerechnet der minderjährige Sohn des Richters Verursacher des Unfalls. Das Opfer wiederum ist der Sohn eines Clanchefs, den Richter Jacobi vor Jahren zu einer langen Haftstrafe verurteilt hatte. Wenn herauskommt, dass der Juristensohn den Kronprinzen des Clans tödlich verletzt hat, ist er seines Lebens nicht mehr sicher. So sind die Gesetze der Unterwelt.

Das Drama nimmt seinen Lauf: Jacobi (Sebastian Koch) beginnt mit Schmiergeldzahlungen und Lügen, den Unfallhergang zu vertuschen. Aber kaum, dass er einen Schachzug gemacht hat, gehen seine Gegner in die Offensive. Zu viele Parteien arbeiten gegen ihn: Da ist die Kollegin, die anhand eines Asthmasprays misstrauisch wird, das am Unfallort gefunden wurde. Heimlich lässt sie einen DNA-Abgleich durchführen. 

Involviert ist auch der zwielichtige Chef eines Schlachthofes (Tobias Moretti), der verdeckt Drogen schmuggelt. Und schließlich triumphiert auf dem Spielfeld noch die Kronprinzessin des Clans (Paula Beer), die für ihren Bruder Rache nehmen will. Die Schlüsselszene spielt am Ufer eines Gebirgsbachs, wo der Richter eine Pistole auf einen Widersacher richtet, der sein Geheimnis verraten könnte. Wird er abdrücken und zum Mörder werden? Er, der Mann des Rechts, der sich kürzlich erst um einen hohen Posten bei der Justiz beworben hat? 

Wie Sebastian Koch („Das Leben der Anderen“) diesen Vater in größter Gewissensnot spielt, wie sich der ungeheure psychische Stress auf seinem Gesicht abbildet, ist großartig. Koch wirkte auch an der Dramaturgie mit, man merkt jeder Szene an, dass der international gefeierte Schauspieler hier alles gibt.