19.05.2024

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Folge 14-22 vom 08. April 2022 / Heinrich von Stephan / „Der Bismarck der Post“ / Wie der erste Reichskanzler das Reich und ein System internationaler Bündnisse errichtete, so schuf der vor 125 Jahren gestorbene erste Staatssekretär des Reichspostamts die Reichspost und den Weltpostverein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-22 vom 08. April 2022

Heinrich von Stephan
„Der Bismarck der Post“
Wie der erste Reichskanzler das Reich und ein System internationaler Bündnisse errichtete, so schuf der vor 125 Jahren gestorbene erste Staatssekretär des Reichspostamts die Reichspost und den Weltpostverein
Manuel Ruoff

Schon früh fiel die außergewöhnliche Begabung Heinrich von Stephans auf. Die Reifeprüfung legte der am 7. Januar 1831 in Stolp geborene Pommer vorzeitig und mit besten Noten ab. Allerdings war dem „Bismarck der Post“ kein Studium vergönnt. Im Gegensatz zu Otto von Bismarck war er bürgerlicher Herkunft und das achte von zehn Kindern eines Schneidermeisters. 

1848 begann er eine Lehre bei der Post seiner Geburtsstadt. Weiterhin von vorgesetzten Stellen bestens benotet kam er 1849 als Beamtenanwärter nach Marienburg und war 1849 Postassistent in Danzig. Nach Ableistung seines Wehrdienstes setzte er seine Ausbildung am Generalpostamt in Berlin und dem Hauptpostamt in Köln fort, bis er 1855 die Prüfung zum höheren Postdienst ablegte. 

Er vereinheitlichte die Post

Stephans Begabung schloss auch die Kunst ein. Dazu passt, dass er eine Opernsängerin heiratete. Er hatte nicht nur Sinn für Musik, sondern auch für Sprache. Zum Teil im Selbststudium eignete er sich mehrere Fremdsprachen an. Hinzu kam bei Stephan – ähnlich wie bei Bismarck – diplomatisches Geschick. 1858 wurde er in der Auslandsabteilung der preußischen Generalpostdirektion eingestellt, deren Leitung er schließlich übernahm. Dort hatte er mit der Aushandlung von Postverträgen mit dem Ausland zu tun. Entsprechende Verträge erreichte er 1862 mit Belgien, 1863 mit den Niederlanden sowie 1864 mit Spanien und Portugal. 

Ein breites Betätigungsfeld eröffnete sich Stephan durch Bismarcks Einigungskriege. Die Einigung Deutschlands unter preußischer Führung versuchte Stephan, auf postalischem Gebiet nachzuvollziehen. Nachdem Preußen durch den Deutschen Krieg von 1866 in den Besitz von Frankfurt am Main gelangt war, den Sitz der Zentrale der Thurn-und-Taxis-Post, wurde diese auf Vorschlag Stephans hin gegen eine Entschädigung einverleibt. 

Die Zeit danach nutze er zum Abschluss weiterer Postverträge mit dem Ausland. Die USA, Norwegen und Dänemark sind hier ebenso zu nennen wie die Schweiz, Italien und Schweden. 

Dem Aufstieg Bismarcks zum Bundeskanzler und damit Regierungschef des 1867 gegründeten Norddeutschen Bundes folgte 1870 der Stephans zum Generalpostdirektor und damit Chef der Postverwaltung eben dieses Bundes. Noch im selben Jahr wurde im Norddeutschen Bund auf Betreiben des neuen Generalpostdirektors die Postkarte eingeführt.

Er führte die Postkartei ein

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 schuf Stephan ein neues Betätigungsfeld. Im Kriege selbst organisierte er die Feldpost. Nach dem Krieg machte er sich daran, die durch die französische Niederlage Bismarck möglich gewordene Erweiterung des Norddeutschen Bundes zum Deutschen Reich auf postalischem Gebiet nachzuvollziehen. Der Norddeutschen Post folgte noch im Reichsgründungsjahr die Reichspost. 

Stephans Streben galt neben der Vereinheitlichung dem Ausbau der Reichspost. Erfolgreich setzte er sich dafür ein, dass ein Großteil der Gewinne nicht an das Reich abgeführt werden brauchte, sondern reinvestiert werden konnte. In seiner Amtszeit stieg die Zahl der Mitarbeiter um das Vierfache auf rund 240.000. Die Gesamtlänge des Telegraphenleitungsnetzes wuchs zwischen 1875 und 1895 von 33.246 auf über 140.000 Kilometer. Ganz modern setzte Stephan auf unterirdische Kabelnetze. In eineinhalb Jahrzehnten war eine Gesamtlänge von 5874 Kilometern erreicht. Etwa zweitausend neue Postgebäude entstanden bis 1895. Die Bauten waren nicht selten großzügig und repräsentativ. Kritiker sprachen von „Postpalästen“ und bezeichneten Stephan als „Postbaumeister“.

Er initiierte den Weltpostverein

1876 wurden die Abteilungen I (Postwesen) und II (Telegraphenwesen) des Reichskanzleramts eine eigene Reichsbehörde mit Stephan an der Spitze, der darüber zum Generalpostmeister aufstieg. 1880 entwickelte sich daraus das Reichspostamt mit Stephan als zuständigem Staatssekretär. Er war nun direkt unter dem Kanzler angesiedelt. 1885 wurde er auch noch geadelt.

Stephan hatte den formalen Zenit seiner Karriere erreicht. Sehr lange konnte er sich seiner Ehren und Würden nicht erfreuen. Diabetes setzte seinem Leben ein relativ frühes Ende. Wenige Monate nach seinem 66. Geburtstag starb er am 8. April 1897 im Reichspostamt.

In gewisser Hinsicht ging Stephans Werk über das Bismarcks noch hinaus. Letzterer bemühte sich darum, dass das Reich, wohlorganisiert und international gut vernetzt war. Analoges versuchte Stephan für die Reichspost zu erreichen. Aber darüber hinausgehend bemühte er sich auch noch, und das mit bleibendem Erfog, um eine weltumspannende, möglichst alle umfassende internationale Organisation auf seinem Gebiet. Auf seinen Vorschlag hin kamen 1874 in der neutralen Schweiz Vertreter von 22 Staaten zusammen, um eine derartige Organisation zu gründen. Dieser erste Weltpostkongresses in Bern endete mit der Gründung des Allgemeinen Postvereins. Auf dem zweiten Weltpostkongress, der 1878 in Paris stattfand, wurde der Allgemeine Postverein zum heutigen Weltpostverein. Der dritte Weltpostkongress fand 1885 in Lissabon und der vierte 1891 in Wien statt. 

Der fünfte 1897 in Washington war der erste nach Stephans Tod. Es war dieser, auf dem der Kongresspräsident den erst kurz zuvor Verstorbenen mit den Worten charakterisierte: „die Seele der Postwelt“, „der Bismarck der Post“.