19.05.2024

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Folge 14-22 vom 08. April 2022 / Arno Surminski / „Jokehnen“ auf Englisch / Der Klassiker des ostpreußischen Schriftstellers in Übersetzung – Elizabeth Hoffbauer schildert ihre Motive

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-22 vom 08. April 2022

Arno Surminski
„Jokehnen“ auf Englisch
Der Klassiker des ostpreußischen Schriftstellers in Übersetzung – Elizabeth Hoffbauer schildert ihre Motive
Peer Schmidt-Walther

Das Schaffen des großen Ostpreußen-Schriftstellers Arno Surminski umfasst inzwischen 31 literarische Werke. Alles begann 1974, als sein Erstling „Jokehnen“ erschien, über das er sagt: „Mein Wunsch war es, mit ,Jokehnen‘ ein Buch zu schreiben, das die Botschaft ,Nie wieder Krieg, nie wieder Flucht und Vertreibung!‘ unausgesprochen hinausträgt“. Sein damaliger Appell wird besonders in dieser Zeit angesichts von verheerenden Kriegshandlungen vieltausendfach wiederholt. Vielleicht, möchte man mutmaßen, wäre die Botschaft von „Jokehnen“ umfassender verstanden worden, wenn sie in englischer Sprache um die Welt gegangen wäre.

Nun endlich ist es soweit. Elizabeth Hoffbauer aus Norwich hat die Übersetzung vorgelegt (erschienen ist es bereits in schwedischer, russischer und französischer Fassung). Damit kann dem Ostpreußen-Klassiker „ein Schritt in die Herzen der englischsprachigen Jugend gelingen“, wagt Surminski zu behaupten und meint damit auch einige seiner Enkel, die in London leben. Auch seien viele Ostpreußen in englischsprachige Länder ausgewandert, sodass „Jokehnen“ jetzt auch Lektüre für deren Enkel und Urenkel ist. 

Auch für die Enkelgeneration

Wie Hoffbauer zu Arno Surminski gekommen ist, macht ihr sehr aufschlussreicher Beitrag deutlich. Ein Blick sozusagen hinter die Kulissen einer Übersetzerin: 

„Ich bin 1947 in Stoke-on-Trent geboren und habe sehr früh für Fremdsprachen geschwärmt. Schon mit zehn Jahren fing ich an, Französisch zu sprechen. Im Gymnasium musste ich Französisch und Latein studieren. Mit 14 Jahren durfte ich auch Spanisch lernen ... Da nur drei Schülerinnen Deutsch gewählt hatten, mussten wir versprechen, dass wir mit Deutsch weitermachen bis zum A-level (Abitur) ... Im dritten Jahr des Kurses habe ich zu Ostern drei Wochen bei einer Familie in München verbracht. Vor meinem Besuch hatte ich vor, Politik und Volkswirtschaft zu studieren. Nach meinem Besuch wusste ich ganz fest, dass ich Germanistik studieren wollte.

Als Teil meines Studiums in Durham University musste ich ein Jahr in Frankfurt verbringen. Ich arbeitete als Englisch-Assistentin im Hessenkolleg Frankfurt (ein Kolleg des zweiten Bildungswegs). Die Mehrzahl der Studenten war älter als ich. Viele kamen aus dem Sudetenland, Schlesien oder der DDR. Dort habe ich meinen ersten Ehemann kennengelernt...

Meine Schulfreundin Rosamund, die auch in der Deutschgruppe war, hatte inzwischen einen Deutschen geheiratet – und zwar einen Ostpreußen aus Marienburg, der 1945 als Baby mit seiner Familie nach Dänemark geflohen war. Sie wohnten etwa 35 Jahre lang in Australien, wo Rosamund bei dem australischen Rundfunk als Untertitel-Übersetzerin arbeitete. Im Jahre 1990 schrieb sie mir über einen Film, an dem sie arbeitete: ,Wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland?‘ Jeden Tag kam sie verlegen aus dem Zimmer mit roten Augen und einer geschwollenen Nase, weil sie so geweint hatte!

Knapp zwei Wochen danach war ich in einem Antiquariat in Halifax, wo ich das Buch ,Jokehnen‘ auf einem Tisch fand. Wie hätte ich es nicht kaufen können? ... Ein paar Tage später saß ich zu Mittag in einer Ecke und las ,Jokehnen‘. Eine englische Freundin, die lange in Bonn gearbeitet hatte, sagte mir: ,Wenn Du das magst, sollst Du unbedingt auch ,Polninken‘ lesen!‘ Von dem Moment an habe ich (zusammen mit anderen Kolleginnen) alles von Surminski gelesen, was es zu kaufen gab.

Nach einigen Jahren als Lehrerin musste ich infolge von Stress das Unterrichten aufgeben. Während eines halben Jahres saß ich zu Hause und wollte mich beschäftigen. Also habe ich angefangen, ,Polninken‘ zu übersetzen. Wegen meiner Erfahrungen in der DDR wählte ich ,Polninken‘ ...

Während sehr vieler Jahre war das mein Hobby. Als ich mit der Übersetzung fast zu Ende war, fuhr ich mit meinem Mann nach Ostpreußen, um Jäglack, Arnos Geburtsort, Angerburg (sogar Camping Rusalka), Frauenburg, Marienburg und Danzig mit eigenen Augen zu sehen.

In Angerburg [Wegorzewo] habe ich im Touristen-Informationsbüro gefragt, ob die kleine Fähre am Mauersee noch existiere. Als sie ,nein‘ sagte, habe ich erklärt, ich übersetze einen Roman über die Gegend. Sofort hat sie gefragt, wie der Schriftsteller heiße. Gleich nach meiner Antwort hat sie gesagt: ,Arno Surminski besucht uns nächste Woche.‘ So eine Enttäuschung, dass ich zu früh da war! Aber sie schlug vor, ich solle einen Brief an ihn schreiben, den sie ihm die nächste Woche geben werde. Auf die Weise haben wir uns kennengelernt und er hat mir sehr bei ,Polninken‘ und ,Jokehnen‘ geholfen.“

Sprachlich spannende Parallelen

Hoffbauers Übersetzung ist wortgetreu und kommt der Originalfassung sehr nahe. Das heißt, dass ihre englische Wortwahl bei der „Stimmigkeit“ an die von Surminski heranreicht. Das, was natürlich nicht geleistet werden kann: die typische Atmosphäre in Surminskis Roman, geprägt durch ostpreußische Mundartwörter wie „klabastern“, „Kruschkenbaum“. „Meisterche“, „nuscht“ oder „Lorbaß“. Wie sollte es auch? Schließlich sind das Ostpreußische beziehungsweise masurische Mundarten, die nicht übertragbar sind. 

Sprachlich spannend wird es, die deutsche und englische Fassung parallel zu lesen. Womit das vielleicht schon lange verschüttete Vokabular wieder aufgefrischt werden kann. Ein Tipp von Surminski, der die mühevolle Übersetzungsarbeit intensiv begleitet hat und jetzt entsprechend zufrieden mit dem Resultat ist. Hoffbauer ist „dialektaffin“, zumal sie mit dem reinen anglo-saxonischen Dialekt ihrer nordenglischen Großmutter aufgewachsen ist, der an die Heimat der Vorfahren im schleswig-holsteinischen Angeln erinnert.

Gleichwohl vermitteln die dichten Surminski-typischen Charakter- und Milieuschilderungen ein lebendiges Bild der 40er Jahre in seiner Heimat, die Hoffbauer sogar selbst kennengelernt hat. Dies zeigt auch ihre besondere Verbundenheit mit Werk und Person Arno Surminskis, der an einem neuen Werk arbeitet, wobei auch seine Leser stark einbezogen sind.

Info „Jokehnen or How Far Is It from East Prussia to Germany?“, Janus Publishing Co., Cambridge, ISBN-978-1-85756-923-0, zu bestellen bei: web-team@lehmanns.de